Statistik-Analyse: Der Satz-Modus


Christopher Kempf, der neue Statistiker der PDC, nimmt den Satz-Modus unter die Lupe, der den Stars bei der Darts-Weltmeisterschaft so manches Mal zum Verhängnis wird - und daher bei den Zuschauern so beliebt ist!

Der 16-fache Weltmeister Phil Taylor kann auf zwei verlorene WM-Endspiele zurückblicken - 2003 gegen John Part und 2015 gegen Gary Anderson – und dabei zu Recht das Gefühl haben, an diesen Abenden der bessere Spieler gewesen zu sein. Obwohl Taylor beide Spiele mit 6:7-Sätzen verlor, gewann er in beiden Finals mehr Legs als sein Gegner (27:26 gegen den Schotten bzw. 27:25 gegen den Kanadier).

Phil Taylor Rekord Darts-Weltmeister

Jedoch ist es im Endeffekt unerheblich, wer in einem Spiel über 50 und mehr Legs der bessere Spieler war. Taylor wurde 2003 nur deshalb nicht Weltmeister, weil alle drei satzentscheidenden Legs dieses Spiels an John Part gingen. Und im WM-Finale 2015 gelang es ihm gegen Anderson nicht, neun gewonnene Legs in einen Satzgewinn umzuwandeln. Ausschlaggebend war also, wann sich Taylor bestimmte Legs holte oder diese verlor und nicht wie viele er insgesamt gewann. Im Satz-Format spielt das Timing eine wichtige Rolle und das gilt bei der WM mehr als bei jedem anderen Darts-Turnier.

Ein „Set“ ist wie eine Wundertüte: Vom 3:0-Whitewash, der nach fünf Minuten schon wieder vorbei ist, bis zum nervenaufreibenden, halbstündigen Pfeile-Spektakel über fünf Legs ist alles drin, doch am Ende steht in allen Fällen das gleiche Ergebnis, nämlich ein Satzgewinn bzw. -verlust. Man kann ein Match mit 0:3-Sätzen verlieren, obwohl man sechs Legs gewonnen hat, genauso ist es möglich, bei einem 3:2-Sieg 11 von 20 Legs zu verlieren. Der enorme Aufwand, der für den Gewinn mehrerer Sätze eines Spiels betrieben werden muss, beeinträchtigt die Fähigkeit der Spieler, ihre Führung oder ihren Rückstand richtig einzuschätzen. Um beim World Matchplay einen Vorsprung von vier Legs aufzuholen, braucht es in jedem Fall zwei Breaks, wohingegen ein vermeintlich größerer Vorsprung von zwei Sätzen bei der Weltmeisterschaft mit lediglich einem Break (und höchstens fünf) ausgeglichen werden kann.

Das Satz-Format belohnt Spieler, die in der Lage sind, die entscheidenden Legs zu gewinnen, und nicht jene, die über eine bestimmte Distanz die meisten Legs mit eigenem Anwurf durchbringen bzw. ihren Gegner möglichst oft breaken. Obwohl die Spieler sowohl die Sätze als auch die Legs abwechselnd anwerfen, ist der Vorteil, einen Satz zu beginnen, winzig im Vergleich zum Vorteil des Leg-Anwurfs. Bei der WM 2017 wurden 64% der Legs von dem Spieler gewonnen, der zuerst werfen durfte, jedoch nur 51% der Sätze. Breaks und „Holds“, die wichtigsten Elemente des Leg-Formats, haben beim Satz-Modus eine völlig andere Bedeutung, weil den Spielern hier die Anhaltspunkte genommen werden, mit denen sie ihre Leistungen korrekt einschätzen und ihren Gegner im Auge behalten können.

In einem Satz können sich die Spieler mit einem Break nicht so viel Zeit lassen wie bei Spielen, die im Leg-Modus ausgetragen werden. Auch wenn ein Spieler das erste, dritte und gegebenenfalls auch das fünfte Leg eines Satzes beginnen darf, muss er alles daran setzen, mindestens ein Break zu schaffen, weil er immer damit rechnen muss, dass seinem Gegner im nächsten Leg ebenfalls ein Break gelingt. Bei der WM 2017 gab es in nur acht Prozent aller gespielten Sätze kein Break, oder anders ausgedrückt kommen auf fünf komplette Partien gerade einmal zwei Sätze ohne Break. Der Durchschnitt im Ally Pally liegt bei 1,2 Breaks pro Satz. Der Druck, in jedem Satz ein Break zustande bringen zu müssen, ist besonders für die Spitzenspieler ungewohnt, die das ganze Jahr über bei TV- und World Series-Turnieren angetreten sind, bei denen Spiele im Format „Best of 19 legs“ noch zu den kürzeren zählen. Denn plötzlich müssen sie eine Reihe sehr kurzer Spiele gewinnen, in denen der anwerfende Spieler insgesamt gesehen keinen nennenswerten Vorteil hat.

Und schließlich verwandelt der Satz-Modus ein nur gelegentlich auftretendes Merkmal des Leg-Formats in ein regelmäßig wiederkehrendes Spielelement. Gemeint ist das Entscheidungsleg, auch „last-leg decider“ genannt. Berücksichtigt man alle „Sets“, die im letzten Leg entschieden wurden, so kam es bei der WM 2017 zu 122 „Decidern“, wohingegen bei der Darts-EM 2017, die wie die meisten Turniere der PDC im Leg-Modus ausgetragen wurde, nur sieben Entscheidungslegs anstanden. Der nervenaufreibende Kampf um mehrere Entscheidungslegs in einem Spiel kann erhebliche psychologische Auswirkungen haben, die beim Leg-Format in dieser Form nicht zu beobachten sind. Der Gewinn eines entscheidenden Legs kann einem Spieler einen Adrenalinschub verleihen und sein Selbstbewusstsein stärken, wohingegen der Verlust eines solchen Legs ihn an den Rand der Verzweiflung bringen kann. Ein verlorenes Entscheidungsleg streicht zwei mühsam gewonnene Legs des unterlegenen Spielers von der Anzeigetafel und versetzt ihn in die gleiche Situation wie vor Beginn des vorherigen Satzes. Mit dem Unterschied, dass sich sein Gegner nunmehr zwei Legs leisten kann, in denen er nicht unter Zugzwang steht und keinerlei Druck verspürt. Ein echtes Entscheidungsleg, das „Sudden Death“-Leg, zu dem es kommt, wenn beide Spieler im letzten Satz fünf Legs gewonnen haben, ist sogar noch brutaler: Es ist neben dem allerersten Leg des Spiels das einzige, bei dem der Anwurf im Vorfeld durch einen Wurf auf das Bullseye entschieden wird. Ein einziger flattriger Dart kann somit über den Ausgang eines langen, kräftezehrenden Duells entscheiden.

Die meisten Spitzenspieler bevorzugen das Leg-Format. Vor allem Michael van Gerwen betont in Interviews immer wieder seine Vorliebe für diesen Modus, der dem formstärkeren Spieler die Möglichkeit bietet, seinen Gegner mithilfe einer Zermürbungstaktik zu besiegen. Nachdem ihn der Hagener René Eidams bei der WM 2016 am Rande einer Niederlage hatte, sowie nach unzähligen Erfolgen bei Veranstaltungen, die im Leg-Modus gespielt werden, ist sein Standpunkt durchaus nachvollziehbar.

Der WM-Zuschauer will hingegen nichts lieber sehen, als dass die haushohen Favoriten durch das unvorhersehbare Satz-Format ins Straucheln geraten und von Spielern besiegt werden, die – Zitat van Gerwen – „zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Dinge tun“, indem sie entscheidende Legs gewinnen und den jeweiligen Favoriten in jedem Satz unter Druck setzen. Der Satz-Modus bringt den van Gerwens dieser Welt sicherlich nicht immer die gewünschten Ergebnisse, doch allen anderen garantiert er einen spannenden und manchmal auch verrückten Dezember!

Gespielte Legs in den WM-Finals im Format „Best of 13 sets“ (chronologisch)

2001: 24 (Phil Taylor - John Part 21:3) * Kürzestes Finale seit Einführung „Best of 13 sets“
2002: 26 (Phil Taylor - Peter Manley 21:5)
2003: 52 (Phil Taylor - John Part 27:25) * Sieger: John Part
2004: 64 (Phil Taylor - Kevin Painter 34:30) * Längstes Finale
2005: 47 (Phil Taylor - Mark Dudbridge 28:19)
2006: 27 (Phil Taylor - Peter Manley 21:6)
2007: 57 (Raymond van Barneveld - Phil Taylor 29:28)
2008: 40 (John Part - Kirk Shepherd 25:15)
2009: 35 (Phil Taylor - Raymond van Barneveld 23:12)
2010: 42 (Phil Taylor - Simon Whitlock 26:16)
2011: 45 (Adrian Lewis - Gary Anderson 24:21)
2012: 43 (Adrian Lewis - Andy Hamilton 23:20)
2013: 50 (Phil Taylor - Michael van Gerwen 27:23)
2014: 44 (Michael van Gerwen - Peter Wright 25:19)
2015: 53 (Phil Taylor - Gary Anderson 27:26) * Sieger: Gary Anderson
2016: 45 (Gary Anderson - Adrian Lewis 26:19)
2017: 44 (Michael van Gerwen - Gary Anderson 27:17)

Gespielte Legs in den WM-Finals im Format „Best of 13 Sets“

01. 64 (2004: Phil Taylor - Kevin Painter 34:30)
02. 57 (2007: Raymond van Barneveld - Phil Taylor 29:28)
03. 53 (2015: Phil Taylor - Gary Anderson 27:26)
04. 52 (2003: Phil Taylor - John Part 27:25)
05. 50 (2013: Phil Taylor - Michael van Gerwen 27:23)
06. 47 (2005: Phil Taylor - Mark Dudbridge 28:19)
07. 45 (2016: Gary Anderson - Adrian Lewis 26:19)
07. 45 (2011: Adrian Lewis - Gary Anderson 24:21)
09. 44 (2017: Michael van Gerwen - Gary Anderson 27:17)
09. 44 (2014: Michael van Gerwen - Peter Wright 25:19)
11. 43 (2012: Adrian Lewis - Andy Hamilton 23:20)
12. 42 (2010: Phil Taylor - Simon Whitlock 26:16)
13. 40 (2008: John Part - Kirk Shepherd 25:15)
14. 35 (2009: Phil Taylor - Raymond van Barneveld 23:12)
15. 27 (2006: Phil Taylor - Peter Manley 21:6)
16. 26 (2002: Phil Taylor - Peter Manley 21:5)
17. 24 (2001: Phil Taylor - John Part 21:3)

Text: Dave Allen (PDC)
Übersetzung: Martin Rönnberg

Wie man die „Top Guns“ bezwingt

PDC WM Statistiken

WM 2024 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2023 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2022 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2021 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2020 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2019 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2018 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2017 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2016 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2015 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2014 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2013 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2012 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2011 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2010 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse
WM 2009 Teilnehmer · Losung · Spielplan · Ergebnisse

Darts WM 2008 · 2007 · 2006 · 2005 · 2004 · 2003 · 2002 · 2001 · 2000 · 1999 · 1998 · 1997 · 1996 · 1995 · 1994


Darts1.de Counter Darts1.de Logo Darts1 Counter
Selbst Darts spielen mit dem Darts1 Counter
Darts1.de Counter Darts1.de Logo Darts1 Counter
Selbst Darts spielen mit dem Darts1 Counter