WM – 11. Spieltag: Abendsession mit einer definitiven Sensation, einer Fast-Sensation und einem fast sensationell spannenden Abschlussmatch

Am Abend also der Auftritt des letztverbliebenen deutschen Drittrundenteilnehmers, Ricardo Pietreczko, und somit zusagen auch die letzte schwarz-rot-goldene Hoffnung auf die vierte Runde. Gegen Luke Humphries, der drei der letzten vier Major-Turniere für sich entscheiden konnte, alles andere als eine leichte Aufgabe. Im Vorfeld befragt, wie es zur diesjährigen Leistungsexplosion gekommen war, verriet „Cool Hand“ Luke sein Erfolgsrezept: „Hingabe und harte Arbeit“. Bei früherer Gelegenheit hatte er auch schon mal darauf aufmerksam gemacht, dass er süchtig nach Darts ist. O.k., das ist eine Sucht, die er mit vielen teilt. Immer wieder betonte Luke Humphries, dass nichts von selbst kommt, dass nur unaufhörlich harte Arbeit ihn dorthin gebracht hat, wo er heute steht. Und der Rückhalt der Familie, der sei ihm auch extrem wichtig. Zudem unterstrich der Engländer, dass das Selbstbewusstsein, welches er im Zuge des Erfolgs gewonnen habe, das Ergebnis eines Prozesses sei. Einmal die Linien überquert – er spielte damit auf den ersten Major-Triumph an – fühlte er sich dann auch reif und bereit, weitere Titel zu erobern. Er baue auf Bisheriges auf und entwickele sich immer weiter. Bei der Frage, wie er den heutigen deutschen Gegner einschätzte, zeigte sich Luke Humphries sehr respektvoll, wusste Ricardos Leistungen und Siegen die entsprechende Wertschätzung zuzusprechen, erklärte aber auch, dass in dieser Zeit niemand unschlagbar sei. Humphries fügte auch gleich hinzu, wie schwer es ist, als Nicht-Engländer vor dem englischen Publikum Gnade zu finden. Als kleine Einschränkung wies der Engländer aber auch noch darauf hin, dass Ricardo Pietreczko in jüngster Vergangenheit zwar große Namen besiegt habe, aber die Ally Pally-Bühne sei halt trotzdem nochmal ein sehr eigenes Parkett. Da müsse man sich als WM-Debütant gegen die Favoriten erst nochmal neu beweisen.

„Ein Gegner wie jeder andere“, das war Luke Humphries für Ricardo Pietreczko, und er stellte auch fest, dass er in letzter Zeit vermutlich keine Aussage so häufig wiederholt hatte, wie diese. Zudem freute er sich, dass er nie zuvor bei einer WM so weit gekommen war – immerhin: dritte Runde. Seine Reaktion war herrlich, als er plötzlich selbst feststellte, dass er ja auch nie zuvor bei der WM dabei war. Auch „Pikachu“ beweist immer wieder, dass er wahrhaftig ein Original ist. Ricardos Mutter wurde nach seinen Vorlieben und Abneigungen gefragt. Ricardo hatte ja in beruflicher Richtung schon einiges ausprobiert, aber laut Mutter Pietreczko kennt der Sohn nur eine Leidenschaft: Darts. Gegen was er eine regelrechte Aversion hege, sei Ungerechtigkeit. Die könne er absolut nicht ertragen.

Die Partie Pietreczko / Humphries war jedoch erst als zweites Abendmatch angesetzt, vorher sollten Gerwyn Price und Brendan Dolan den Auftakt dieser Session gestalten. Brendan Dolan hatte in der zweiten Runde, im ersten rein nordirischen Duell bei einer PDC-WM, nach epischer Schlacht seinen besten Freund, Mickey Mansell, nach Hause geschickt. Mansell hat übrigens im Anschluss an seine Niederlage trotzdem nochmal seine Dankbarkeit gegenüber Dolan zum Ausdruck gebracht, weil dieser ihm auch in schwierigen Zeiten stets zur Seite stand. Der „Iceman“ hatte hingegen Connor Scutt in aller Kürze gezeigt, wo die Eiszapfen baumeln. Und das wollte er heute Abend mit Brendan Dolan wiederholen. Price und Dolan, zwei Profis, die von der Spielweise und auch von der Persönlichkeit her, nicht unterschiedlicher sein könnten, traten also in der ersten Partie des Abends gegeneinander an.

Immer für eine Überraschung gut

Hatte der „Iceman“ vor dem Spiel womöglich den Plan gefasst, den Nordiren wie die bisherigen Kontrahenten in Lawinen-Manier einfach zu überrollen, so machte Brendan Dolan ihm von Satz Eins an, einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Der Underdog dieses Matches hatte das Ausbullen für sich entschieden, Gerwyn Price entschied dennoch das erste Leg für sich, Break zum 1:0. Im zweiten Durchgang antwortete ihm Brendan Dolan postwendend mit High-Finish, 130 (T20, T20, D5), das Re-Break ein Klacks für den „History Maker“, 1:1. Den dritten Durchgang begann Dolan beeindruckend, mit der 174, das vorausgegangene Break zu bestätigen, fiel ihm dann auch nicht mehr sonderlich schwer, somit ging er 2:1 in Führung. Natürlich kann man einem Gerwyn Price nicht so einfach davonrennen, Dolan macht eh nicht den Eindruck, als wenn Laufen zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zählen würde. Der „Iceman“ glich bei eigenem Anwurf unmittelbar zum 2:2 aus. Wie nervenstark Brendan Dolan dann allerdings im Decider sein Leg hielt, nämlich mit einem weiteren High-Finish, 144 (T20, T20, D12), das hatte schon was! 1:0-Satzführung für den Nordiren.

Den Auftakt hatte sich Price sichtlich anders vorgestellt. Im zweiten Set holte sich zunächst jeder seinen Anwurf, 1:1. Der Waliser hatte den Satz begonnen, demnach auch im dritten Durchgang die ersten drei Wurfmöglichkeiten, und auch dieses Pflichtprogramm erfüllte er mühelos, 2:1. Das Scoring des „Iceman“ war da noch nicht die übliche Machtdemonstration, aber stark war es allemal. Nur der Mann gegenüber konnte absolut mithalten. Das war es, was Price vermutlich am meisten irritiert hatte. Den Warnschuss aus dem ersten Set hatte er vernommen, daher beeilte sich der ehemalige Rugby-Profi, raschestmöglich das Break einzuholen, um auch selbst endlich seinen längst erwarteten ersten Satz einzukassieren. Dies Vorhaben setzte er im vierten Durchgang resolut durch, der 1:1-Satzausgleich war fix.

Drittes Set: Brendan Dolan hatte Anwurf, holte sich sein Leg, 1:0. Im zweiten Durchgang bewies Gerwyn Price, dass er trotz Überwerfens in der vorletzten Aufnahme, sehr wohl in der Lage ist, sein Leg einzuholen, obwohl er dafür fast das halbe Board bespielen musste. 1:1. Im dritten Durchgang dann ein kühner Versuch des Nordiren, die 150 mit den entsprechenden Versuchen auf Bullseye herauszunehmen – als Dartsikone mit derart viel Erfahrung darf man das ruhig. Es wurden nur 126 gelöschte Punkte, der Blick seines Gegners war es ihm trotzdem wert. Der bestrafte den Versuch mit Wonne, holte derweil das Break, 2:1. Doch der „History Maker“ hatte augenscheinlich Spaß daran, mit Pauken und Trompeten gegen den Weltmeister von 2021 aufzutreten und zeigte keinerlei Mühe, dies mit dem Re-Break zu quittieren, 2:2. Im Decider hatte abermals er den ersten Anwurf, am Ende des Entscheidungslegs stand da nurmehr die Restforderung von 90 Punkten beim Spieler aus Nordirland. Auf dem Konto des Gegners war die 97 verblieben, der stand also auch bereit. Brendan Dolan warf: 20 – 20 – Bullseye. 2:1-Satzführung für den „History Maker“.

Höchste Zeit für den Waliser, zurückzuschlagen. Diese Empfehlung nahm er sich vermutlich zu Herzen, im vierten Satz drei aufeinanderfolgende Leggewinne, und der Satzausgleich war wieder hergestellt. 2:2.

Das fünfte Set sollte die Basis für eine mögliche Sensation schaffen. Brendan Dolan hatte erneut Anwurf, bislang hatte er jeden Satz, den er begonnen hatte, letztendlich auch abgeräumt. Abermals galt es von fünf Durchgängen drei nach Hause zu bringen. Und genau das tat der „History Maker“! Das erste, dritte und fünfte Leg auf seinem Konto verbucht, und es stand 3:2 in Sätzen für Brendan Dolan. Hervorzuheben wäre da noch das Shanghai-Finish, das der Nordire im dritten Durchgang servierte. Und erwähnen muss man natürlich auch noch, dass man erst im vierten Leg dieses fünften Sets, die gewohnten Helikopter-Umdrehungen der nordirischen Handbewegung vernehmen konnte – also das Pendant zum Urwaldgeschrei des Walisers. Übersetzt heißt das: hier erzielte Brendan Dolan seine erste 180.

Sechstes Set: Brendan Dolan witterte Morgenluft, merkte der „Iceman“ ist heute durchaus schlagbar, er musste lediglich sein eigenes Niveau aufrecht erhalten. Diese Vorgabe erfüllte er in jedem Fall, biss sich ebenso unbeirrbar wie fortwährend ins Spiel hinein, es ging einfach Leg für Leg und Satz für Satz. So griff sich Dolan im ersten Durchgang gleichmal das Break, 1:0. Auch während des eigenen Anwurfs, konnte nichts und niemand den Nordiren aus der Ruhe bringen, 2:0. Im dritten Durchgang dann gar der erste Matchdart für den „History Maker“, doch der Wurf aufs Bullseye traf nur das halbe Segment. Gerwyn Price griff mit beiden Händen nach der allerletzten Chance, die sich ihm bot, zog seinen Kopf nochmal aus der Schlinge, 1:2. Auch im vierten Durchgang hielt sich der „Iceman“ am dünnen Rettungsanker fest, schaffte last Minute den Ausgleich zum 2:2. Doch schon im fünften und entscheidenden Durchgang verließ das Scoring den Waliser wieder. Er kletterte mühsam auf die 177 runter, während der erklärte Underdog sechs Darts Zeit hatte, um die 134 zu eliminieren. Der machte den Anfang mit 94 gelöschten Punkten, sozusagen ein optimaler Set-up-Shot. Gerwyn Price hingegen gelang es gerade mal 60 Punkte von der 177 abzukratzen. Das schien zu wenig, war letzten Endes aber völlig egal, denn Brendan Dolan traf die Double-20 mit dem ersten Dart dieser Aufnahme und hatte damit den Weltmeister von 2021 aus dem Turnier geworfen.

Geschichte hat der „History Maker“ mit diesem Sieg natürlich kein weiteres Mal geschrieben, aber für die Überraschung schlechthin hat er auf jeden Fall gesorgt.

Brendan Dolan 4:2 Gerwyn Price
95,73 Average 95,76
1 180s 4
144 High-Finish 96
3 100+ Checkouts 0
13/26 Finishing 14/37

„Ein Gegner wie jeder andere“

Es folgte das Spiel, dem wir aus deutscher Sicht heute Abend am meisten entgegengefiebert hatten: Luke Humphries gegen Ricardo Pietreczko. Humphries hatte in seinem Zweitrundenspiel durchaus ein paar Anlaufschwierigkeiten gezeigt, das 3:0 gegen Lee Evans war nicht ganz so rasant abgeräumt, wie das Ergebnis nahelegt. Im Nachhinein hat „Cool Hand“ Luke seine Leistung gar als C-Game deklariert. Kurz vor Matchbeginn hatte Luke Humphries übrigens noch kundgetan, dass ihm eine Dartspitze abgebrochen war. Ricardo Pietreczko zeigte in seinen ersten beiden Spielen weit weniger Mühe, in den Flow zu kommen, hatte zuerst Mikuru Suzuki in die japanischen Schranken verwiesen und dann auch Callan Rydz eine klare Drittrundenabsage erteilt.

Dass die deutschen Fans Luke Humphries beim Einlauf ausbuhten, empfand nicht nur der englische Dartsprofi als irritierend. Schon am Nachmittag musste Stephen Bunting im Duell gegen Florian Hempel feststellen, dass dieses Jahr viele Tickets an deutsche Fans verkauft worden waren, auch er war bei seinem Walk-on mit Buhrufen empfangen worden, was ihn ebenfalls sichtlich überraschte. Man erinnere sich daran, dass Luke Humphries vor dem Spiel gerade zu diesem Thema Empathie geäußert hatte und es nicht in Ordnung fand, dass nicht-englische Spieler in London keinen leichten Stand hatten. O.k., dass er beim Einlauf mit Buhrufen konfrontiert wurde, muss er vielleicht hinnehmen, dass er im Match selbst dann immer wieder beim Checkout durch vereinzelte grelle Pfiffe gestört wurde, ist sportlich weniger akzeptabel. Auch Ricardo Pietreczko zeigte sich alles andere als einverstanden damit, dass man seinen Gegner in den wichtigen Momenten derart zu irritieren versuchte. Auch hier erinnern wir uns an das, was seine Mutter über seinen Gerechtigkeitssinn vermeldet hatte – sie sollte recht behalten.

Im ersten Satz zeigten beide relativ wackelige Aufnahmen, mal ordentlich, mal ärmlich, bis Luke Humphries in den ersten beiden Durchgängen mehr oder minder über die Ziellinie stolperte und 2:0 in Führung ging. Im dritten Durchgang servierte sich „Pikachu“ dann inklusive Bullseye, einen idealen Set-up-Shot (130) und auch wenn er drei Legdarts brauchte, der 1:2-Anschluss war hergestellt. Im vierten Durchgang wieder ordentliches Scoring aufseiten von „Cool Hand“ Luke, für seine Verhältnisse dennoch eher mager, die Satzführung zum 1:0 holte er trotzdem. Es ging in die erste kurze Werbepause, beide gingen mit reichlich Luft nach oben, nach unten in die Katakomben.

Keine Ahnung, wer da im Shirt von Humphries aus der Pause zurückgekommen ist, der Luke Humphries, den wir Scoring-technisch kennen, war das nicht. Ganz anders präsentierte sich Ricardo Pietreczko. Der Deutsche hatte die Pause offenbar genutzt, um sein System einmal rauf und runterzufahren und das Ergebnis dessen sah man nach der Pause. Mit Anwurf ins Set gegangen, sicherte er sich erstmal das erste Leg, 1:0, bevor er auch das Break zum 2:0 unfassbar nervenstark herausnahm. Man musste sich die Augen reiben, denn als der Deutsche die Leggewinndarts aus dem Board zog, stand Luke Humphries noch auf der 225. Im dritten Durchgang ließ der gebürtige Berliner drei Legdarts liegen, diesmal gelang es „Cool Hand“ Luke daraus Profit zu schlagen, 1:2. Das war aber auch das einzige Leg, was sich der Engländer in diesem Set greifen konnte. Ricardo bewies, dass er auch als WM-Debütant keinerlei Berührungsängste mit dem Gewinnen hatte, holte den Satzausgleich 1:1.

Das dritte Set begann abermals Luke Humphries, theoretisch hätte es ihm genügt, hier nur seine eigenen Legs durchzubringen. Wer hätte gedacht, dass man diese Feststellung mal im Zusammenhang mit „Cool Hand“ Luke bringen müsste? Aber selbst das wollte dem dreifachen Major-Sieger heute nicht gelingen. In den ersten vier Durchgängen blieb noch alles in der Reihe, der größte Erfolg von Humphries hier möglicherweise der Fakt, dass diesmal „Pikachu“ noch auf der 258 hing, als er sein Leg ausmachte. 2:2. Doch im alles entscheidenden fünften Durchgang schaffte es der WM-Topfavorit Luke Humphries abermals nicht, die minimale Pflichtaufgabe zu erfüllen und sein Leg nach Hause zu bringen. Stattdessen hatte sich mittlerweile der Deutsche in absolute Treffsicherheit hineinkatapultiert, schöpfte den ganzen Rahm ab, den Luke Humphries liegenließ. Break und Satzgewinn für Ricardo Pietreczko, 2:1.

Viertes Set: der Wahl-Nürnberger hatte den ersten Anwurf, holte sein Leg, 1:0. Inzwischen war die Führung fast schon zum gewohnten Bild avanciert. Im zweiten Durchgang zudem umgehend das Break, Ricardo ging 2:0 in Führung. Und dass er den renommierten Gegner diesmal gar schon bei 316 Punkten abgehangen hatte, krönte er im dritten Durchgang mit High-Finish, 121 (25, T20, D18). 3:1-Satzführung für den Deutschen.

Bis hierhin lag die nächste Sensation in der Luft

Die extrem störenden Pfiffe, die Luke Humphries bei etlichen seiner Versuche aufs Doppel ertragen musste, hatte ich eingangs ja schon thematisiert, auch, dass selbst „Cool Hand“ Luke da nicht mehr cool bleiben konnte. Selten sah man ihn so verärgert reagieren, eigentlich ist er eher für seine Emotionslosigkeit auf der Bühne bekannt. Doch dann gipfelte die Unsportlichkeit in der nächsten Zuschaueraktion. Vielleicht sogar zum ersten Mal sah man, wie Humphries inmitten eines Matches die Flights wechselte. Und diese paar Sekunden wollte man dem Starspieler nicht zugestehen. Es ist unvorstellbar, aber während der Engländer, sein Material legitim auf Vordermann brachte, wurde er gnadenlos ausgepfiffen. Dazu fällt einem kaum noch etwas ein. Sichtbar verunsichert ging Humphries vollkommen hektisch zum Oche zurück und warf dementsprechend gestresst. Nicht die übliche rasante Gelassenheit war hier zu beobachten, sondern gehetzte Bewegungen.

Mit teils abgrundtief grottenschlechten Aufnahmen startete Humphries ins nächste Set. Auch der Gegner, Ricardo Pietreczko, ärgerte sich offen über solche Unsportlichkeit, konnte es in keiner Weise als Unterstützung seiner Person bewerten. Natürlich hielt ihn das nicht davon ab, zunächst 1:0 in Führung zu gehen. Noch zwei Leggewinne entfernt von der vielleicht größten Überraschung dieser WM. Doch noch war ein Luke Humphries natürlich nicht geschlagen. Der holte sich die nächsten beiden Durchgänge in Folge – es war aber auch Fünf vor Zwölf! 2:1. Dann sicherte sich „Pikachu“ seinen nächsten Anwurf und glich zum 2:2 aus. Jetzt war es nur noch ein Leggewinn, der ihm fehlte. Doch „Cool Hand“ Luke hatte im nächsten Durchgang Anwurf, und kurz vor Torschluss nutzte der Engländer diesen Vorteil doch noch. Ricardo hatte sich mit der 90 (abermals inklusive Bullseye) wieder eine gute Ausgangslage geschaffen, war auf der 54 gelandet, während Luke Humphries nurmehr die 50 vor der Brust hatte. Diesen Notausgang nahm der Engländer jedoch ohne Umwege, und sicherte sich somit den Satzanschluss, respektive den Verbleib im Turnier. 2:3. Die Niederlage gerade noch auf den letzten Drücker abgewendet, noch war nichts entschieden. Man wusste nur eines: what a match!

Das sechste Set begann Pietreczko, ging einmal mehr 1:0 in Führung. Doch auch wenn der Deutsche weiterhin hervorragendes Scoring zeigte, ließ er mittlerweile auch die eine oder andere Chance liegen. Auf der anderen Seite schien inzwischen der eigentliche Luke Humphries zurückgekehrt zu sein. Der Engländer traf wieder mit seiner üblichen Selbstverständlichkeit und selbst, wenn er ausließ, war Ricardo nicht mehr mit derselben Konsequenz dazu imstande, dies rigoros zu bestrafen. So bekam Luke Humphries bei seinen Fehlversuchen, die immer weniger wurden, doch wieder die Möglichkeit ans Oche zurückzukommen, und inzwischen musste man ihn nicht mehr öfter bitten. Die nächsten drei Durchgänge verbuchte Luke Humphries auf seinem Legkonto, damit Satzausgleich. 3:3.

In diesem speziellen Fall kam Humphries Comeback fast ebenso sensationell, wie vorher die 3:1-Satzführung für Ricardo Pietreczko. Es ging über die volle Satzdistanz, das heißt ins siebte Set. Auch in diesem Entscheidungssatz gab sich der gebürtige Berliner keinesfalls geschlagen und leistete noch immer ordentliche Gegenwehr. Allerdings bekam auch Ricardo vermutlich mittlerweile die Distanz zu spüren, schließlich konnte er auf keine Erfahrungswerte eines Best-of-7-Sets WM-Matches zurückgreifen. Luke Humphries konnte dies sehr wohl, es ist bereits seine siebte WM-Teilnahme. Zudem hatte der seit diesem Jahr dreifache Major-Titelträger seine Sicherheit zurückgefunden und löschte mit altbewährter Souveränität drei Durchgänge nacheinander. Somit hatte er nach 1:3-Satzrückstand den Kopf last minute aus der Schlinge gezogen, doch noch die Wende geschafft und konnte nun ausgelassen über seinen 4:3-Matcherfolg jubeln. Und so erleichtert hatte man „Cool Hand“ Luke auch selten jubeln gesehen. Beide waren mit statistisch vergleichbaren Werten auf Kurs gewesen, im Average beide um die 91.

Im Anschluss bekannte „Pikachu“, dass die Enttäuschung im Vergleich zur Freude, bei seinem WM-Debüt so weit gekommen zu sein, überwog. Insbesondere, weil er sich während der 3:1-Satzführung doch mehr Chancen aufs Weiterkommen ausgerechnet hatte. Nichtsdestotrotz wurde Ricardo nicht müde, zu unterstreichen, wie entsetzt er über die Pfiffe war, die seinen Gegner immer im entscheidenden Moment aus dem Takt bringen sollten. Das empfand er überhaupt nicht als Unterstützung seiner Person: „Alles, BITTE nur keine Pfiffe!“ Damit war der deutsche Traum ausgeträumt, vier von vier Drittrundenteilnehmern ausgeschieden.

Luke Humphries 4:3 Ricardo Pietreczko
91,38 Average 91,02
6 180s 5
96 High-Finish 121
0 100+ Checkouts 1
15/40 Finishing 13/33

„Rapid“ startet rapide, doch dann übernimmt „Superchin“

Das letzte Spiel dieser Abendsession stand an: Ricky Evans, der seinerseits eine kleine Sensation geschafft und Nathan Aspinall vollkommen überrollt hatte, gegen Daryl Gurney, der Publikumsliebling, Steve Beaton nach Hause geschickt hatte.

Im ersten Set demonstrierte Ricky Evans, weswegen es ihm gelingen konnte, die Nummer Sechs der Weltrangliste derart mühelos zu bügeln. Das erste Leg mit High-Finish, 130 (20, T20, Bullseye) herausgenommen, gönnte er dem Kontrahenten großmütig gerade mal den zweiten Durchgang, bevor er die nächsten beiden Legs im Schnelldurchgang aus dem Weg räumte. 1:0-Satzführung.

Doch schon im zweiten Set zeigte Daryl Gurney, dass auch er nicht per Losentscheid in diese dritte Runde gekommen war. In den ersten beiden Durchgängen holte sich jeder seinen Anwurf, die nächsten beiden Legs teilten sie sich über Breaks, 2:2. Im Decider war es wieder das eigene Leg, das Gurney an sich nahm, der Satzausgleich die Belohnung. 1:1.

Auch im dritten Set stürmte „Superchin“ zunächst furios voran, startete mit Break und Bestätigung, 2:0-Führung. Doch dann ließ er selbst den Gegner ins Spiel zurück. Im dritten Durchgang öffnete er seinem Gegenüber die Tür mehr als nur einen Spalt breit, indem er fünf Legdarts am Doppel vorbeifeuerte. Ricky Evans, der zwischenzeitlich irgendwie kurzfristig den Anschluss verloren zu haben schien, konnte sein Glück kaum fassen, griff mit beiden Händen zu, 1:2. Dieser Leggewinn hatte ihm offenbar wieder den nötigen Aufwind vermittelt, denn die nächsten zwei Durchgänge schnappte er sich abermals im Expresstempo. 2:1 in Sätzen.

Es deutete sich an, dass auch dieses Match eine gewisse Marathonstrecke zurücklegen würde, weil keiner sich wirklich relevant abhängen ließ. Daryl Gurney setzte im ersten Durchgang des vierten Satzes das erste Ausrufezeichen hinter diese Vermutung. High-Finish, 121 (25, T20, D18) und das 1:0. Im zweiten Durchgang wurde die 24 plötzlich zum unlösbaren Problem für „Rapid“ Ricky Evans. Neun Darts auf Doppel reichten nicht, um das Leg auszumachen, vor allem weil sich der Engländer beim Versuch, die verbliebenen 6 Punkte zu löschen, nach der 3 im Madhouse verirrte. No Score! Daryl Gurney bedankte sich mit der 2:0-Führung. Im dritten Durchgang schlug Evans jedoch flugs wieder zurück, das niedrigste High-Finish der glatten 100 (T20, D20) ausgemacht, und es stand 1:2. Auch das 2:2 holte Ricky Evans noch, bevor „Superchin“ wieder an der Reihe war. Er hatte den Anwurf und schnappte sich damit den 2:2-Satzausgleich.

Fünftes Set: Ricky Evans begann das erste Leg mit der 86 und endete das erste Leg mit der 86. 1:0. Im Wechselschritt ging es weiter, auch Daryl Gurney nahm seinen Anwurf heraus, 1:1. Die nächsten beiden Durchgänge wurden wieder via Break entschieden, 2:2. Auch hier ging es in den Decider, auch hier wurde das Leg mit Break geholt. Und war für eines: der Nordire versenkte seine Darts in der Triple-20, Triple-18 und im Bullseye. Daryl Gurney hatte die 164 ausradiert und stolzierte in ostentativer Platzhirschmanier über die Bühne, während sein entschlossener Blick Bände sprach. 3:2 in Sätzen.

Die letzten Sätze waren allesamt über die volle Legdistanz gegangen, Daryl Gurney machte deutlich, dass er keine Lust hatte, auch bei der Satzdistanz die volle Strecke zu gehen. Daher schaltete er im nächsten Set gleich nochmal einen Gang höher. Das Niveau war inzwischen schon so weit oben angelangt, dass man sich fragen musste, wie viele Gänge sein Schaltgetriebe noch zur Verfügung hatte? Anscheinend noch etliche. Nachdem „Superchin“ sein eigenes Leg noch gediegen unspektakulär herausgenommen hatte, haute er im zweiten Durchgang dem Gegner gleich das nächste High-Finish, 130 (T20, T20, D5) um die Ohren und ging 2:0 in Führung. Ein letztes Aufbäumen von Evans im dritten Durchgang zum 1:2, doch dann checkte Gurney wie selbstverständlich auch die 84 aus und machte den Deckel drauf aufs Match. 4:2.

Ein hochzufriedener Daryl Gurney und auch die Zuschauer, die zwar lieber den Engländer vorne gesehen hätten, konnten bei dem Pensum an Darts, das sie heute bekommen hatten, nicht mehr skandieren, dass sie nicht nach Hause gehen wollen. Es war ein langer Darts-Abend, eigentlich eine lange Darts-Nacht, und auch wenn es aus deutscher Sicht eine weitere Enttäuschung gegeben hatte, die Qualität, die uns heute Abend geboten wurde, war keinesfalls enttäuschend. Es würde wenig Zeit bleiben, um die Erschöpfung, die allein das Mitfiebern verursacht hatte, zu regenerieren. Morgen geht es weiter mit den letzten vier Drittrundenpartien, und auch zwei Viertrundenduelle stehen am Abend an. Stay bright, nice flight.

Daryl Gurney 4:2 Ricky Evans
93,53 Average 93,23
7 180s 4
164 High-Finish 130
3 100+ Checkouts 2
15/41 Finishing 13/42

Fotos © PDC @ Darts1

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