Psychischer Druck Inhaltsverzeichnis der Doktorarbeit

7 Zusammenfassung und Ausblick

Dr. Heiko Maurer In der Sportpraxis ist immer wieder zu beobachten, dass Athleten in besonders wichtigen Situationen nur mäßige Leistungen erzielen. Dieses „Versagen unter Druck“ oder choking under pressure ist häufig bei solchen Fertigkeiten zu beobachten, die durch hohe koordinative Anforderungen geprägt sind. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die Frage, wie sich solche Leistungseinbußen erklären lassen. Dabei werden zwei zentrale Fragen aufgegriffen: (1.) Wodurch werden die Leistungsveränderungen verursacht und (2.) welche kinematischen Veränderungen der Bewegungsausführung sind damit verbunden, aus denen dann die Leistungseinbußen resultieren? Während die erste Frage in den letzten Jahren in einer Reihe von Arbeiten aufgegriffen wurde, liegen bisher nur sehr wenige Studien vor, die auch den Ausführungsprozess untersuchen.

Bei der Bearbeitung der Frage nach den Ursachen ergeben sich drei plausible Erklärungsansätze, die Leistungseinbußen durch erhöhte Druckbedingungen auf der Ebene motorischer Kontrollprozesse zu erklären versuchen. Empirische Belege anhand sportmotorischer Fertigkeiten liegen jedoch nur für einen Erklärungsansatz vor. Dieser wurde in den letzten Jahren von verschiedenen Autoren mit sehr ähnlichen Annahmen bearbeitet (z. B. Baumeister, 1984; Masters, 1992; Beilock & Carr, 2001; Gray, 2004; Jackson et al., 2006) und von Beilock und Carr (2001) unter dem Label Explicit Monitoring Theories zusammengefasst. Die Grundannahme besteht darin, dass in besonders wichtigen Situationen eine Lenkung der Aufmerksamkeit auf den Ausführungsprozess erfolgt und hierdurch bei hochgradig geübten Fertigkeiten eine Störung bzw. Deprozeduralisierung der automatisierten Ausführung verursacht wird.

Dieser Erklärungsansatz wird durch Studien gestützt, bei denen sich bei geübten motorischen Fertigkeiten Leistungseinbußen durch eine ausführungsbezogene Aufmerksamkeitslenkung ergeben (z. B. Beilock et al., 2002a; Beilock et al., 2004a; Ford et al., 2005; Castaneda & Gray, 2007). Gray (2004) liefert zudem direkte Evidenzen für die Annahme, dass in Drucksituationen eine Hinwendung der Aufmerksamkeit zum Ausführungsprozess stattfindet. Damit stellt der explicit monitoring-Ansatz eine plausible Erklärung für das choking-Phänomen dar.

Im empirischen Teil der Arbeit erfolgt eine feldnahe Überprüfung der Vorhersagen der Explicit Monitoring Theories anhand des Basketball-Freiwurfs mit Nachwuchsspielerinnen der U16/U18-Kader des Deutschen Basketball Bundes. Die Ergebnisse von Untersuchung I entsprechen nicht den Vorhersagen der Explicit Monitoring Theories. Im Vergleich zu einer Baseline-Bedingung ergeben sich zwar erwartungsgemäß Leistungseinbußen durch erhöhten Druck, jedoch zeigen die Spielerinnen Leistungsverbesserungen bei der Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Bewegungsausführung. Ein wesentlicher methodischer Unterschied zu den bisherigen Studien besteht darin, dass bei den Aufmerksamkeitsbedingungen eine Fokussierung auf individuell vertraute und als wichtig erachtete Aspekte erfolgte. Es erscheint plausibel, dass die Aufmerksamkeit in realen Drucksituationen auf solche Ausführungsmerkmale gelenkt wird, die von den Spielerinnen für die erfolgreiche Ausführung als wichtig erachtet werden. In Abschnitt 5.5 werden verschiedene mögliche Erklärungen für dieses Ergebnis diskutiert. Vor dem Hintergrund der Explicit Monitoring Theories besteht eine sinnvolle Erklärung darin, dass häufig genutzte Aufmerksamkeitslenkungen in den Ausführungsprozess integriert werden und diesen nicht stören. Daraus ergibt sich die Hypothese, dass die Störung der automatisierten Ausführung – unabhängig von der Richtung der Aufmerksamkeitslenkung – durch eine Fokussierung auf normalerweise nicht beachtete Aspekte verursacht wird. Die Ergebnisse von Untersuchung II stützen diese Annahme. Hier zeigen die Spielerinnen schlechtere Leistungen bei der Fokussierung auf normalerweise nicht beachtete Aspekte, und es ergibt sich kein bedeutsamer Einfluss der Aufmerksamkeitsrichtung. Für die Absicherung dieses Ergebnisses sind allerdings noch weitere Studien erforderlich, um beispielsweise eine unterschiedliche Selbstwirksamkeitsüberzeugung unter vertrauten und nicht-vertrauten Bedingungen zu prüfen und den Einfluss der Bevorzugung bewegungs- und effektbezogener Aufmerksamkeitsstrategien zu kontrollieren.

Die Ergebnisse dieser Arbeit würden damit eine etwas andere Interpretation der vorliegenden Daten nahe legen. Während im Rahmen der Explicit Monitoring Theories die Richtung der Aufmerksamkeitslenkung für den Wechsel zwischen automatisierten und kontrollierten Prozessen verantwortlich gemacht wird, könnte die eigentliche Ursache die geringe Vertrautheit mit den experimentell genutzten ausführungsbezogenen Fokusbedingungen sein.

Die Frage nach den kinematischen Veränderungen der Bewegungsausführung in Drucksituationen wurde bisher kaum bearbeitet. In Anlehnung an Bernstein (1967) nehmen eine Reihe von Autoren an (z. B. Mullen & Hardy, 2000; Collins et al., 2001; Higuchi et al., 2002), dass es bei erhöhten Druckbelastungen zu einem Einschränken von Freiheitsgraden kommt. In diese Richtung lässt sich auch das Ergebnis interpretieren, dass sowohl in Drucksituationen (Weinberg & Hunt, 1976, 1978; Helin, 1988) als auch bei der Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Bewegungsausführung (Vance et al., 2004; Zachry et al., 2005; Hossner, 2004) höhere Muskelaktivitäten in den Gliedmaßen zu beobachten sind. Ein Wiedereinschränken von Freiheitsgraden sollte zu kleineren Bewegungsumfängen in den Gelenken und höheren linearen Korrelationen der Gelenkwinkelverläufe verschiedener Gelenke führen (vgl. Vereijken et al., 1992).

Um zu prüfen, ob und wie sich diese vermutete Beeinträchtigung der Gelenkkoordination auf das Bewegungsergebnis auswirkt, wird ein von Müller (2001) eingeführtes Konzept aufgegriffen. Hierbei werden für Aufgaben mit hohen Konstanzanforderungen leistungsrelevante und quantifizierbare Faktoren beschrieben. Aus den Betrachtungen lässt sich die Erwartung ableiten, dass es in Drucksituationen zu einer größeren Streuung der Abwurfparameter sowie einer geringeren Nutzung aufgabendienlicher Kovariation kommt (vgl. Abschnitt 4.2). Beides sollte beim Freiwurf zu größeren Streuungen der Flugkurven am Ring und damit zu schlechteren Trefferleistungen führen.

Die erwarteten kinematischen Veränderungen der Bewegungsausführung können nur zum Teil bestätigt werden. Mögliche Ursachen dafür werden ausführlich in Abschnitt 5.5 diskutiert. Die durchgeführten post-hoc-Analysen und Einzelfallbetrachtungen ergeben jedoch teilweise Unterstützung für die vermuteten kinematischen Veränderungen in Drucksituationen. Hier zeigt sich in der Tendenz der erwartete Anstieg des korrelativen Zusammenhangs von Ellbogen- und Handgelenksbewegungen. Ebenso ergibt sich in der Druck-Gruppe ein Anstieg der Ausführungsvariabilität bei den Wurfparametern. Dies trägt zu einer größeren Streuung der Flugkurven am Ring und damit zu den Leistungseinbußen in der Druck-Bedingung bei.

Abschließend lässt sich festhalten, dass bei der Frage nach den Ursachen von Leistungseinbußen in Drucksituationen noch deutliche Forschungsdefizite zu verzeichnen sind. Aus den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit ergibt sich die Forderung, weiter zu spezifizieren, wie willkürliche Aufmerksamkeitslenkungen die motorische Leistung negativ beeinflussen. Dabei sollten stärker Überlegungen nach möglichen Funktionen von Aufmerksamkeit für die Handlungskontrolle (in Drucksituationen) berücksichtigt werden (vgl. Abschnitt 3.3.4). Es erscheint aber auch erforderlich, aufmerksamkeitsunabhängige Mechanismen aufzugreifen. Die in Abschnitt 3.4 dargestellte Neuromotor Noise Theory liefert dafür einen Ansatzpunkt.

Auch die Beschreibung kinematischer Veränderungen der Bewegungsausführung in Drucksituationen ist aus konzeptioneller und empirischer Sicht bisher nicht befriedigend. Der hier gewählte Ansatz, kinematische Veränderungen mit Bezug auf deren Wirkung auf das Bewegungsergebnis zu analysieren, sollte weiter verfolgt werden. Aufgrund des komplexen Verhaltens des Balles bei Berührungen des Rings besteht eine Schwierigkeit bei der Analyse des Freiwurfs in der Beschreibung der Leistung anhand der Flugkurven. Das in den vorliegenden Studien verwendete Maß zur Beschreibung der Ergebnisvariabilität steht nur in mittlerem Zusammenhang mit dem ermittelten Trefferscore. Ein weiteres Ziel sollte darin bestehen, die bisher auf den Ballflug beschränkten Betrachtungen ergebnisrelevanter Veränderungen auf die Bewegungen der Gelenke zu erweitern, um auch auf dieser Ebene ergebnisbezogene Abstimmungen der Bewegungen quantifizieren zu können.

Die Ergebnisse dieser Arbeit unterstreichen die Notwendigkeit in der anwendungsorientierten Forschung, die Erklärungen in feldnahen Bedingungen zu überprüfen. Dies dient der externen Validierung am Praxisphänomen und kann – wie im vorliegenden Fall – dazu beitragen, alternative Erklärungsrichtungen zu generieren.


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