Psychischer Druck Inhaltsverzeichnis der Doktorarbeit

Erklärungsansätze für Leistungseinbußen in Drucksituationen

Dr. Heiko Maurer

3.3 Explicit Monitoring Theories

Im Unterschied zu den Distraction Theories gehen Erklärungsansätze aus dem Bereich der Explicit Monitoring Theories davon aus, dass die Aufmerksamkeit in Drucksituationen auf den Ausführungsprozess gelenkt wird und dies zu einer Leistungsverschlechterung führen kann. Diese Erklärung für choking under pressure wurde erstmals von Baumeister (1984) formuliert. Ebenso wie bei Vertretern der Distraction Theories stellt der Ausgangspunkt für diese Hypothese bei Baumeister die Beobachtung dar, dass in Drucksituationen selbstevaluierende Prozesse zunehmen. Während jedoch die Distraction Theories darauf basieren, dass die selbstevaluierenden Prozesse erforderliche Aufmerksamkeitsressourcen binden bzw. Verarbeitungsprozesse stören, vermutet Baumeister gerade den umgekehrten Mechanismus, nämlich eine Störung durch Hinwendung der Aufmerksamkeit zum Ausführungsprozess. Baumeister (1984, p. 618) beschreibt die Annahmen für diesen Erklärungsansatz wie folgt:

According to this model, situational demands for excellent performance (i.e., pressure) causes the individual to attend consciously to his or her internal process of performance and this consciousness disrupts that process and harms the performance.

Die vorliegenden empirischen und theoretischen Argumente für diesen Mechanismus werden in den folgenden Abschnitten dargestellt. Sie ergeben sich zu einem großen Teil aus Arbeiten, die sich unabhängig von Drucksituationen mit dem Einfluss von Aufmerksamkeitsprozessen auf Ausführungs- und Lernleistungen motorischer Fertigkeiten beschäftigen. Nur in wenigen Arbeiten werden Aufmerksamkeitsprozesse direkt in Drucksituationen untersucht.

3.3.1 Ausführungsbezogene Aufmerksamkeitslenkung

Baumeister (1984) verwendet in seinen Untersuchungen eine für die Versuchspersonen neuartige bimanuelle Manipulationsaufgabe. Die Aufgabe besteht darin, mit den Händen zwei Stäbe so zu bewegen, dass eine auf den Stäben liegende Kugel in Zielfelder gelangt. Es zeigten sich sowohl dann suboptimale Leistungen, wenn die Versuchspersonen instruiert wurden, die Aufmerksamkeit auf die Bewegungen der Hände zu lenken, als auch dann, wenn eine Wettkampfsituation erzeugt wurde. Dies nutzt Baumeister als Hinweis auf gleiche leistungsbeeinflussende Prozesse in beiden Situationen.

Die Annahme, dass suboptimale Leistungen durch eine ausführungsbezogene Aufmerksamkeitslenkung verursacht werden, wird von Baumeister (1984) erstmals für Drucksituationen beschrieben. Sie wird jedoch schon vorher im Kontext von Lern- und Automatisierungsprozessen formuliert. In Abschnitt 3.2 wurden bereits Lernphasenmodelle erwähnt, die der Aufmerksamkeit im Lernverlauf unterschiedliche Bedeutung beimessen. Diese beschreiben die qualitativen Unterschiede von Bewegungsausführungen im Lernprozess als Resultat unterschiedlicher Informationsverarbeitungsprozesse. Dabei wird angenommen, dass langsame und wenig fließende Bewegungen zu Beginn des Lernprozesses eine aufmerksam kontrollierte „Schritt für Schritt“-Ausführung widerspiegeln. Durch zunehmende Automatisierung durch extensive Übung (häufig auch als Prozeduralisierung beschrieben) resultiert eine scheinbar mühelose, schnelle und fließende Bewegungsausführung. Eine Zuwendung der Aufmerksamkeit ist dann nicht mehr erforderlich, sie kann auf andere Aspekte (z. B. die Position der Mitspieler) gelenkt werden (vgl. Fitts & Posner, 1967; Schneider & Fisk, 1983; Gentile, 1972). Verschiedene Autoren (z. B. Schneider & Fisk, 1983; Kimble & Perlmuter, 1970; Deikman, 1969; Langer & Imber, 1979) beschreiben, dass eine Zuwendung der Aufmerksamkeit auf die Bewegungsausführung dann zu einer Störung dieser automatisierten Prozesse führt.

In einigen neueren Studien werden die Vorhersagen dieser Modelle anhand von sportmotorischen Aufgaben überprüft. Danach sollte zu Beginn des Lernprozesses eine aufmerksame Ausführung hilfreich sein, dies jedoch zu einer Störung automatisierter Fertigkeiten führen. In diesen Untersuchungen wird die Leistung bei der Aufmerksamkeitslenkung auf den Ausführungsprozess und bei der Fokussierung auf irrelevante Reize in der Umwelt ermittelt. Beides wird erreicht, indem zusätzlich zur Bewegungsausführung Zweitaufgaben ausgeführt werden, durch die die Aufmerksamkeit auf die entsprechenden Aspekte gelenkt wird. Beilock, Bertenthal, McCoy und Carr (2004a) verwenden dieses Vorgehen in einer Experten-Novizen-Studie beim Golf-Put. In der ausführungsbezogenen Bedingung sollten die Versuchspersonen darauf achten, den Schlägerkopf geradlinig nach vorne zu führen und im Treffpunkt des Balles laut straight zu sagen. In der zweiten Bedingung sollte bei der Ausführung der Golf-Aufgabe eine Tonsequenz hinsichtlich eines Zieltones überwacht werden. Dabei zeigten die Golf-Novizen bessere Leistungen bei der Fokussierung auf den Schlägerkopf, die Golf-Experten erzielten hingegen bessere Leistungen bei gleichzeitiger Überprüfung der Tonsequenz. Vergleichbare Ergebnisse finden Beilock et al. (2002a) auch bei einer Fußball-Dribbling-Aufgabe und Gray (2004) bei einer virtuellen Baseball-Schlagaufgabe. Ford, Hodges und Williams (2005) können weiterführend zeigen, dass die negative Wirkung ausführungsbezogener Aufmerksamkeit bei Experten unabhängig von der aufgabenbezogenen Relevanz des fokussierten Bewegungsaspektes ist. So zeigten Fußball-Experten bei einer Dribbling-Aufgabe im Vergleich zu einer Baseline-Bedingung schlechtere Leistungen sowohl bei der Fokussierung auf den Fuß (relevanter Aspekt) als auch bei der Aufmerksamkeitslenkung auf den Arm (irrelevanter Aspekt). Dagegen erzielten die Novizen nur schlechtere Leistungen bei der für die Aufgabe irrelevanten Aufmerksamkeitslenkung auf den Arm und der Doppelaufgabenbedingung. Die Autoren interpretieren das Ergebnis so, dass eine Fokussierung auf den Ausführungsprozess bei hochgradig geübten Fertigkeiten unabhängig von der Relevanz des fokussierten Aspektes eine Deprozeduralisierung bewirkt.

Masters (1992) erweitert diese Sichtweise um Wissensaspekte und nimmt an, dass Leistungseinbußen in Drucksituationen vor allem dann auftreten, wenn bei den ausführenden Personen explizites (verbalisierbares) Wissen über die Bewegungsausführung vorliegt. Er geht davon aus, dass regelhaftes Wissen über die Bewegungsausführung genutzt wird, um die Bewegung in wichtigen Situationen unter aufmerksamer Kontrolle auszuführen (conscious processing). Masters (1992) und Hardy, Mullen und Jones (1996) überprüfen diese Hypothese ebenfalls beim Erlernen des Golf-Puts. Die Versuchspersonen führten an vier aufeinander folgenden Tagen jeweils 100 Übungsversuche unter verschiedenen Bedingungen durch. Am fünften Tag wurde durch finanziellen Anreiz und Videoaufnahmen ein erhöhter Ausführungsdruck erzeugt. Eine Gruppe übte unter Doppelaufgabenbedingungen, was den Erwerb expliziten Wissens verhindern sollte und konnte die Leistung auch am letzten Tag unter den erhöhten Druckbedingungen noch steigern. Dagegen führte das Üben bei instruierten Ausführungsregeln zu besseren Lernleistungen, allerdings konnte die Leistung am letzten Tag nicht mehr gesteigert werden. Masters (1992) interpretiert diese Ergebnisse als Bestätigung für seine Hypothese, dass explizites Wissen in Drucksituationen für eine kontrollierte Ausführung genutzt wird und hierdurch automatisierte Prozesse gestört werden. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Lernverläufe unter implizit- und explizit-Übungsbedingungen muss dieses Ergebnis jedoch mit Vorbehalt betrachtet werden.

Zusammenfassend entsprechen die Untersuchungen mit Hilfe des Doppelaufgabenparadigmas den erwarteten Zusammenhängen zwischen Aufmerksamkeitslenkung und motorischer Leistung. Bei gut geübten Fertigkeiten ist eine Lenkung der Aufmerksamkeit auf deren Ausführung nicht erforderlich und wirkt sogar leistungsmindernd. Wenn in Drucksituationen eine Hinwendung zum Ausführungsprozess stattfindet, dann lassen sich damit Leistungseinbußen erklären, wie dies von Baumeister (1984) vorgeschlagen und einer Reihe von Autoren (z. B. Masters, 1992; Masters, Polman & Hammond, 1993; Hardy, 1996; Lewis & Linder, 1997; Mullen & Hardy, 2000; Beilock & Carr, 2001) aufgegriffen wurde. Bei den dargestellten Studien ist jedoch anzumerken, dass lediglich unterschieden wird, ob die Bewegungsausführung aufmerksam kontrolliert wird oder nicht. Worauf die Aufmerksamkeit gelenkt werden sollte, um eine erfolgreiche Ausführung zu gewährleisten, bleibt dabei offen. Im folgenden Abschnitt werden Untersuchungen dargestellt, die dieser Frage nachgehen.


>> Internale und externale Aufmerksamkeitslenkung

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