Psychischer Druck Inhaltsverzeichnis der Doktorarbeit

Erklärungsansätze für Leistungseinbußen in Drucksituationen

Dr. Heiko Maurer

3.3.2 Internale und externale Aufmerksamkeitslenkung

Angestoßen vor allem durch Studien aus der Arbeitsgruppe um Gabriele Wulf wurden in den letzten Jahren zahlreiche Untersuchungen durchgeführt, die sich mit der Wirkung unterschiedlicher Aufmerksamkeitslenkungen beschäftigen. Dabei wird der Frage nachgegangen, auf welche Aspekte die Aufmerksamkeit gelenkt werden sollte, um das Erlernen von Bewegungsfertigkeiten zu unterstützen und deren erfolgreiche Ausführung zu erreichen. In den Arbeiten wird zwischen internaler und externaler Aufmerksamkeitslenkung unterschieden. Während unter einem internalen Fokus verstanden wird, dass die Aufmerksamkeit auf die Bewegungen des Körpers gerichtet ist, erfolgt bei einem externalen Fokus die Lenkung der Aufmerksamkeit auf damit verbundene Effekte in der Umwelt (Wulf & Prinz, 2001; Wulf, 2007). In einer Reihe von Untersuchungen sowohl anhand von Laboraufgaben (z. B. Wulf, Höß & Prinz (1998) beim Schwingen auf einem Ski-Simulator; Wulf & McNevin (2003) bei Balancieraufgaben) als auch in feldnahen Situationen (z. B. Wulf, Lauterbach & Toole (1999) beim Pitch-Schlag im Golf; Wulf, McConnel, Gärtner & Schwarz (2002) bei Volleyball-Aufschlägen oder Fußball-Schussbewegungen) wird gezeigt, dass ein externaler Aufmerksamkeitsfokus im Vergleich zu einem internalen Fokus zu besseren Lern- und Ausführungsleistungen führt. Beispielsweise wird in einer Untersuchung von Zachry et al. (2005) die Wirkung unterschiedlicher Aufmerksamkeitsbedingungen auf die Leistung beim Basketball-Freiwurf untersucht. Dabei sollten Versuchspersonen mit mäßiger Basketball-Erfahrung ihre Aufmerksamkeit entweder auf das Abklappen des Handgelenks (internaler Fokus) oder auf den Korb (externaler Fokus) lenken. Dabei zeigten sich bessere Leistungen bei der Fokussierung auf den Korb.

Zur Erklärung des external-Vorteils beim Erwerb und der Ausführung motorischer Fertigkeiten wird häufig die constrained action-Hypothese angeführt (Wulf, McNevin & Shea, 2001a). Dabei wird angenommen, dass bei der Lenkung der Aufmerksamkeit auf Effekte der Bewegung außerhalb des Körpers automatisierte motorische Kontrollprozesse wirksam werden können. Dagegen sollen diese bei einer Fokussierung auf die Bewegungsausführung gestört werden. Die constrained action-Hypothese wird noch einmal im folgenden Abschnitt aufgegriffen. Eine kritische Diskussion ist bei Zentgraf (2006) sowie Ehrlenspiel und Maurer (2007) zu finden.

Der Großteil der Untersuchungen zur Wirkung internaler und externaler Aufmerksamkeitslenkungen bezieht sich auf die Beeinflussung motorischer Lernprozesse sowie der Ausführungsleistung in frühen Lernphasen. Nur wenige Studien untersuchen die für die vorliegende Arbeit besonders wichtige Frage, wie die Leistung bei geübten Fertigkeiten durch entsprechende Aufmerksamkeitsfokussierungen beeinflusst wird. In der bereits erwähnten Studie von Zachry et al. (2005) zeigen sich etwas bessere Leistungen bei der Nutzung eines externalen Aufmerksamkeitsfokus. Perkins-Ceccato, Passmore und Lee (2003) finden eine vom Könnensniveau abhängige Wirkung internaler und externaler Aufmerksamkeitsfokussierungen. Bei ihnen erzielten Golf-Experten (Handicap 0-8) stabilere Leistungen beim Pitch-Schlag bei der Lenkung der Aufmerksamkeit auf das Ziel. Weniger gute Golfer (Handicap 20-36) erbrachten dagegen eine konstantere Leistung bei einem internalen Fokus (auf die Schlagbewegung und den erforderlichen Krafteinsatz). Landin und Macdonald (1990) untersuchen die Wirkung bewegungs- und zielbezogener Aufmerksamkeitslenkungen anhand der Ausführung eines Überkopfschlages bei erfahrenen Tennisspielerinnen. Diese erzielten bessere Trefferleistungen bei der Fokussierung auf kritische Bewegungsaspekte als bei der Lenkung der Aufmerksamkeit auf das Erreichen des Zielfeldes.

Gegenüberstellung der Ansätze von Beilock und Wulf In den letzten Jahren wurden zahlreiche Studien zur Wirkung unterschiedlicher Aufmerksamkeitsbedingungen auf die motorische Leistung durchgeführt. Nach der Darstellung der wesentlichen Ergebnisse im vorliegenden und vorangegangenen Abschnitt werden hier noch einmal die unterschiedlichen Annahmen und Vorhersagen der beiden dominierenden Forschungslinien gegenübergestellt (vgl. auch Castaneda & Gray, 2007).

In einer Reihe von Arbeiten wird als Ursache aufmerksamkeitsbedingter Leistungseinbußen eine ausführungsbezogene Fokussierung (skill focused attention) angenommen. Dieser Ansatz ist geprägt durch Studien aus der Arbeitsgruppe um Sian Beilock (z. B. Beilock & Carr, 2001; Beilock et al., 2002a; Beilock, Wierenga & Carr, 2002b; Beilock et al., 2004a), wird aber auch von anderen Autoren aufgegriffen und fortgeführt (z. B. Gray, 2004; Ford et al., 2005; Jackson et al., 2006). Vor dem Hintergrund gängiger Lernphasenmodelle gehen diese von einer Prozeduralisierung motorischer Fertigkeiten durch extensive Übung aus. Es wird angenommen, dass durch eine ausführungsbezogene Aufmerksamkeitslenkung – unabhängig ob auf Bewegungen der Gliedmaßen oder auf körperexterne Aspekte wie die Bewegung eines Schlägers – eine Deprozeduralisierung erfolgt und daraus Leistungseinbußen resultieren. Gute Leistungen werden dann erwartet, wenn die Aufmerksamkeit auf Umweltreize gerichtet ist, die die Ausführung nicht direkt betreffen und die prozeduralisierte Fertigkeit „ungestört“ ausgeführt werden kann. Meist wird nicht weiter spezifiziert, auf welche Art von Umweltreizen die Aufmerksamkeit gelenkt werden sollte, um die prozeduralisierte Ausführung zu gewährleisten. Castaneda und Gray (2007) erwarten dies sowohl bei einer Lenkung der Aufmerksamkeit auf irrelevante Reize (z. B. Geräusche der Zuschauer) als auch bei einer Fokussierung auf der Bewegung zeitlich nachfolgende Effekte (z. B. die Flugbahn eines Balles). Zur Prüfung dieser Annahmen werden Doppelaufgabenbedingungen genutzt, durch die die Aufmerksamkeit entweder auf den Ausführungsprozess (z. B. die Bewegung des Schlägerkopfes beim Putten) oder auf irrelevante Umweltreize (z. B. Tonsequenzen) gelenkt wird. In den Untersuchungen wird die von den Lernphasenmodellen vorhergesagte Interaktion von Lernstadium und Aufmerksamkeitslenkung bestätigt.

Die zweite Forschungslinie ergibt sich aus zahlreichen Arbeiten um Gabriele Wulf (vgl. im Überblick: Wulf & Prinz, 2001; Wulf, 2007). Dabei wird angenommen, dass Leistungseinbußen durch eine Störung automatisierter Kontrollprozesse entstehen, wenn die Aufmerksamkeit auf die Bewegungen des Körpers gelenkt wird (z. B. auf die Hände), die Ausführung dagegen unterstützt wird, wenn damit einhergehende Effekte außerhalb des Körpers (z. B. die Bewegungen eines Schlägers) fokussiert werden. Von einer Störung der Kontrollprozesse durch eine bewegungsbezogene Aufmerksamkeitslenkung wird im Unterschied zum obigen Ansatz unabhängig vom Lernstadium ausgegangen. Ein wesentlicher methodischer Unterschied besteht darin, dass in den Wulf-Studien die Lenkung der Aufmerksamkeit durch Instruktionen und nicht durch Doppelaufgaben erfolgt.

In einer aktuellen Studie von Castaneda und Gray (2007) wird versucht, die unterschiedlichen Vorhersagen der beiden Ansätze anhand einer halbvirtuellen Baseball-Schlagaufgabe zu prüfen. Dabei wurden vier unterschiedliche Doppelaufgaben genutzt, um die Aufmerksamkeit auf die jeweiligen Aspekte zu lenken. In der Skill/Internal-Bedingung musste nach der Ausführung angegeben werden, ob beim Ertönen eines Zieltones während der Ausführung die Hände ab- oder aufwärts geführt wurden. Bei der Skill/External-Bedingung bezog sich diese Abfrage auf die Bewegung des Schlägers. In einer Environmental/External-Bedingung sollte nach der Ausführung eine Einschätzung bezüglich der Flugrichtung des geschlagenen Balles gegeben werden und bei der Environmental/Irrelevant-Bedingung sollte entschieden werden, ob während der Ausführung ein hoher oder niedriger Ton zu hören war. Alle Bedingungen wurden von sehr erfahrenen (highly-skilled) und wenig erfahrenen (less-skilled) Baseball-Spielern absolviert. Zur Beschreibung der Leistung diente ein baseballspezifisches Fehlermaß, bei dem die zeitliche Differenz zwischen dem Passieren des Balles am Abschlagbereich und dem Erreichen des niedrigsten Punktes in der Schlägerbewegung genutzt wird. Die Ergebnisse der einzelnen Bedingungen sind in Abbildung 2 dargestellt.

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Abbildung 2: Ergebnisse der Studie von Castaneda und Gray (2007, p. 70). Dargestellt sind die Daten der wenig geübten (less-skilled) und hochgradig geübten (highly-skilled) Baseball-Spieler in einer Kontroll- und den vier Aufmerksamkeitsbedingungen. Weitere Erläuterungen werden im Text vorgenommen.

In der Kontrollbedingung, in der die Baseball-Aufgabe ohne zusätzliche Zweitaufgabe und spezifische Instruktionen ausgeführt wurde, zeigen sich erwartungsgemäß bessere Leistungen der erfahrenen Spieler im Vergleich zu den weniger erfahrenen Athleten. Die Ergebnisse der Aufmerksamkeitsbedingungen sind mit keinem der beiden Ansätze vollständig vereinbar. Insgesamt zeigt sich die nur vom Beilock-Ansatz vorhergesagte könnensabhängige Wirkung der Aufmerksamkeitsbedingungen – während die hochgradig geübten Spieler in den Environmental-Bedingungen bessere Leistungen als in den Skill-Bedingungen erzielen, ergibt sich bei den wenig geübten Spielern das umgekehrte Ergebnis. Dagegen werden die besseren Leistungen der Skill/External- im Vergleich zur Skill/Internal-Bedingung für die hochgradig geübten Spieler, sowie der Vorteil der Environmental/External- im Vergleich zur Environmental/Irrelevant-Bedingung bei beiden Gruppen nur vom Wulf-Ansatz vorhergesagt. Auf eine ausführliche Diskussion der Ergebnisse wird an dieser Stelle verzichtet. Es lässt sich festhalten, dass die Ergebnisse der hochgradig geübten Spieler gut mit den Vorhersagen der Explicit Monitoring Theories vereinbar sind – die Fokussierung auf den Ausführungsprozess führt im Vergleich zur Control- und den Environmental-Bedingungen zu schlechtere Leistungen. Die besten Leistungen ergeben sich dann, wenn die Aufmerksamkeit auf einen zu erzielenden Bewegungseffekt gelenkt wird.


>> Aufmerksamkeit und Handlungskontrolle

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