Van Gerwen gewinnt die World Series Finals zum fünften Mal
Halbfinals
Der Finaltag steuerte auf seinen Höhepunkt zu und schon die Halbfinal-Paarungen versprachen Darts-Entertainment auf höchstem Niveau.
Sowohl Halbfinals wie auch das anschließende Finale werden im Best-of-21-Legs ausgetragen, d.h. nun brauchte es jeweils elf Legs zum Sieg.
Bei der ersten Begegnung zwischen Luke Humphries und Michael van Gerwen konnte man bereits im Vorfeld erahnen, wie schnell diese Partie vonstattengehen würde. Denn die beiden zählen zu den schnellsten ihrer Zunft, daher war man gut beraten, sich anzuschnallen, bevor die Spieler antraten, um den Überschallgeschwindigkeitsrekord des Darts zu durchbrechen.
Der letzte verbliebene Niederländer war also kein geringerer als Michael van Gerwen, der das Turnier zuletzt 2019 gewinnen konnte und davor bereits drei Mal in der angenehmen Position gewesen war, den Siegerpokal in die Höhe zu hieven.
Sein Gegner Luke Humphries, ebenfalls zurecht mit gesundem Selbstbewusstsein ausgestattet, wusste natürlich auch um seine Qualitäten und trat seinem Nickname entsprechend lässig an.
Ein Halbfinale, das an Dramatik, aber auch an Tempo kaum zu überbieten war! Es war pures Zelebrieren von Treffsicherheit in unfassbarer Geschwindigkeit. Teilweise gar eine Schnelligkeit, mit der Mensch und Technik nicht mehr klar kamen.
Michael van Gerwen begann mit einem Break, das er bewusst nicht sonderlich mit Emotionen befeuerte, sondern eher in Cool-Hand-Manier mitnahm. Das zweite Leg absolvierte „MvG“ dann so rasend schnell, dass man kaum noch mitkam. Vor allem weil man beim Blick auf die grafische Anzeigentafel seinen Augen nicht mehr trauen konnte – oder konnte man der Technik nicht trauen?! Was war geschehen? Nur die unmissverständliche Pose van Gerwens machte deutlich, dass er nicht nur bereits mit 2:0 führte, sondern einen besonderen Akzent gesetzt hatte. Man mochte es nicht fassen und irgendwo wunderte man sich noch leicht, dass Michael das zweite Leg, wenn auch in Maßen enthusiastisch abfeierte. Doch dann begann man zu begreifen: Michael van Gerwen hatte das zweite Leg mit einem perfekten 9-Darter ausgecheckt. Aber die Grafik des Live-Scorings und somit auch viele Zuschauer hingen in seltsamer Weise dem Geschehen nach. Doch es war so: das zweite Leg war tatsächlich ein 9-Darter, (das perfekte Ausmachen von 501 Punkten) von Michael van Gerwen, der damit dem Rekord von Phil Taylor, (elf 9-Darter vor laufenden TV-Kameras) immer näher rückt.
Nicht minder rasant verlief Leg drei, das Luke Humphries für sich entschied. Das Tempo hatte da schon dermaßen Expressgeschwindigkeit angenommen, dass auch die Scoring-Anzeige weiterhin Probleme hatte, dem Match zu folgen. Kein Zweifel, Luke Humphries hatte auf 2:1 verkürzt, auch wenn kaum jemand dem Eiltempo, das die beiden vorgelegt hatten, folgen konnte. Und ehe man sich versah, hatte Humphries den Ausgleich errungen, „MvG“ das nächste Leg für sich entschieden und es ging mit 3:2 in die erste Pause.
Das Live-Scoring hatte weiterhin Schwierigkeiten das Tempo mitzugehen, kaum eine Aufnahme unter 120, das Match empfahl sich nicht für schwache Nerven. Beim Stand von 5:3 wurde es besonders spannend. Luke Humphries gelang das zweite High-Finish des Abends, er checkte 164 aus zum 5:4. Die kurzzeitige Verringerung des Rückstands war jedoch nicht von langer Dauer, „MvG“ holte sich im standesgemäßen Eiltempo das 6:4.
Nach der Pause erneut der Anschluss zum 6:5 durch Humphries. Im zwölften Leg hatten beide Kontrahenten 170 Punkte Rest. Und beide landeten auf dem einfachen Bull. Humphries war dann derjenige, der die 25 auscheckte und damit sein erstes Break gegen „MvG“ und den Ausgleich zum 6:6 schaffte. Nach dreizehn Legs ging Luke Humphries dann auch zum ersten Mal in diesem Halbfinale in Führung. „MvG“ glich umgehend aus (7:7). Mit brillantem Setup-Shot und entgegen der Tatsache, dass sich van Gerwen bereits wieder perfekt in Position gebracht hatte, ging Luke Humphries erneut in Führung und mit 7:8 in die nächste Pause.
Dann auf einmal bei beiden Double-Trouble: weder „MvG“ noch Luke Humphries bekamen das sechzehnte Leg ausgecheckt. Bis Michael van Gerwen die zweite Chance nutzte und zum 8:8 ausglich. Gleiches Szenario in Leg 17: beide kämpften mit dem Doppelfeld. Doch diesmal war es Luke Humphries, der seine zweite Chance nutzte (8:9). „MvG“ glich neuerlich aus. Spannung und Drama ebenso im nächsten Leg. Keiner schaffte es, das entscheidende Doppel zu treffen. Wieder war es Humphries, der letzten Endes zuschlug: 9:10. So erreichte das Drama seinen absoluten Höhepunkt: weiterhin Double-Trouble bei beiden, jetzt wohl auch der Nervosität geschuldet. Die Dramatik endete im Doppel-1 Feld für Humphries, der keinen Weg aus dem Madhouse fand. Somit erneute Chance für van Gerwen, der fast unverhofft nochmals den Ausgleich schaffte. Dann der Decider. Das Drama fand seine Krönung. Immer wieder kippte das Momentum. Jedes Mal, wenn man dachte, jetzt ist es entschieden, nahm das Leg eine unerwartete Wendung. Und letzten Endes war es Michael van Gerwen, der als glücklicher Gewinner die Bühne verließ. Und glücklich hatte hier wirklich mehr als eine Bedeutung. Dieses Spiel hatte keinen Verlierer verdient, aber es kann halt immer nur einer siegen und das war in diesem Match: „Mighty Mike“, Michael van Gerwen.
Eher bedächtig und dennoch kräfteraubend: das zweite Halbfinale
Nach diesem hochdramatischen Feuerwerk rekordverdächtig rasant abgefeuerter Dartpfeile, konnte man sich bei Peter Wright und Nathan Aspinall fast schon ein wenig erholen, zumindest was die Geschwindigkeit betraf. Nachdem Peter Wright fünf Darts auf Doppel verpasst hatte, nahm Nathan Aspinall dankend an und checkte das erste Leg mit Break aus. Peter Wright wusste, er musste nun wirklich den Turbo zünden und holte sich das Re-Break zum Ausgleich. Aspinall brachte sich jedoch umgehend in Stellung zum erneuten Break und schon hieß es 2:1 für „The Asp“. Doch auch das vierte Leg wurde als Break gewonnen und ging an den Schotten. Wieder Ausgleich. Mit teils kläglichen Aufnahmen verlor Peter Wright jedoch auch seinen nächsten Anwurf und so ging es mit einer 3:2 Führung für Nathan Aspinall in die erste Unterbrechung.
Nach der Pause war Nathan Aspinall auch der erste, der in diesem Match seinen Anwurf durchzubringen vermochte (4:2). Danach wirkte es so, als sei Peter Wrights Wille ein wenig gebrochen, denn Nathan Aspinall schaffte das nächste Break zum 5:2. Das heißt bis zu diesem Zeitpunkt hatte „Snakebite“ noch keinen Anwurf durchgebracht. Und auch den Anwurf von Aspinall vermochte der Schotte nicht mehr zu knacken. „The Asp“ bestätigte das Break und führte nun bereits 6:2. Aber Peter Wright steckte nicht auf. Wie aus dem Nichts gelang es dem ehemaligen Doppelweltmeister endlich und zum ersten Mal in diesem Match seinen Anwurf samt erfolgreichem Double durchzuziehen (6:3). Aber ein weiteres Break wollte „Snakebite“ nicht gelingen, und so erhöhte Nathan Aspinall seine Führung auf 7:3.
Mit einem 12-Darter setzte Peter Wright nach der Pause endlich mal wieder ein kleines Highlight zum 7:4. Die nächste Episode ließ sich als Legs der vergebenen Möglichkeiten betiteln. Wrights Average war zwischenzeitlich sogar höher als der von Aspinall und obgleich Peter Wright auch im nächsten Leg alle Möglichkeiten hatte, den Abstand signifikant zu verkürzen, vergab er seine Chancen und schenkte Aspinall die Gelegenheit im Madhouse auszuchecken, die dieser dankend wahrnahm und seinen Vorsprung auf 8:5 ausbaute.
Ein Spiel mit überschaubaren Highlights und viel Kopfschütteln seitens Peter Wright
Die spektakuläreren Highlights des Abends lieferte mit Sicherheit „Snakebite“, der aber nicht nur ein Match gegen Nathan Aspinall, sondern zeitgleich ein Duell gegen sich selbst abzuliefern schien. Und der Kampf gegen sich selbst kostete vermutlich viel Kraft. Nutznießer dessen war Nathan Aspinall, der zwar offensichtlich ebenso irritiert war, zumindest was das Auschecken betraf, aber es reichte zur zwischenzeitlichen 9:6-Führung. Auch in der letzten Pause wechselte Peter Wright zum wiederholten Mal seine Dartpfeile, was ihm aber nicht die weitere Vergrößerung seines Rückstands auf 10:6 ersparen sollte. Doch „Aufgeben“ ist nicht des Schotten Sache und so verkürzte Peter Wright um weitere zwei Legs auf 10:8, bevor er gar nochmal alle Register zog. Mit einem genialen High-Finish, bei dem er 141 souverän auscheckte, schaffte es Peter Wright noch einmal auf 10:9 heranzukommen. Und lange Zeit sah es so aus, als wenn das Match einen zwischenzeitlich hochverdienten Decider bekommen würde, denn das zwanzigste Leg entwickelte sich zum Drama pur. Doch nachdem beide Spieler immer wieder das entscheidende Double um Millimeter verpassten, war am Ende Nathan Aspinall der Glückliche, der den finalen Dartpfeil ins Ziel versenkte. 11:9, ein Ergebnis, das letztendlich noch viel knapper war, als die tatsächlichen Zahlen auszusagen vermögen.
Finale der World Series of Darts Finals
Dann das Finale mit ersehnter Oranje-Beteiligung. Diesmal skandierte das Darts-begeisterte-Amsterdamer Publikum die „Michael-van-Gerwen-Hymne“. Natürlich – was sonst?!
Und der startete gleich standesgemäß. Den Anwurf durchzubringen war für „Mighty Mike“ mehr als obligat. Doch auch Nathan Aspinall ließ sich nicht einschüchtern und sorgte umgehend für den Ausgleich. Es schien für „MvG“ unerlässlich in der Anfangsphase nicht nur seinen eigenen Anwurf durchzubringen, sondern auch sofort klarzumachen, wer hier der Herr im Ring respektive der Boss auf der Bühne von Amsterdam ist. Daher nahm er im nächsten Leg Nathan Aspinall erst mal den Anwurf ab, nur um ihn ein Leg später gleich wieder abzugeben. Mit 3:2 für Michael van Gerwen ging es in die erste Unterbrechung.
Somit war alles wieder in der Reihe. Zumindest was das allgemeine Verständnis betraf. Nicht so, das Selbstverständnis von „MvG“ betreffend. Und so katapultierte der Niederländer seine eigene Interpretation von „alles in die Reihe bringen“ auf den Stand von 5:2, was Nathan Aspinall kurzzeitig mit einem 5:3 zu beantworten wusste. Doch Michael van Gerwen ließ nicht viel zu und erhöhte zuerst auf 6:3 und kurz darauf auf 7:3. Nächste Pause.
Das Publikum wähnte sich bereits in vorzeitiger Feier-Stimmung. Nicht zu Unrecht, denn Nathan Aspinall schien der Souveränität van Gerwens nichts mehr entgegensetzen zu können. Dabei offenbarte „MvG“ zumindest den Average betreffend noch reichlich Luft nach oben. Ganz nach dem Motto: „ein gutes Pferd springt nicht höher als es muss“, bewies der Niederländer, dass man auch mit dem B-Game einen zwischenzeitlich schwächelnden Gegner in Schach halten kann. Das Spiel gegen Peter Wright hatte Nathan Aspinall offenbar doch mehr Kraft gekostet, als dieser noch im Köcher hatte. Und so bewegte sich selbst der Fighter Aspinall langsam aber sicher mit angezogener Handbremse, um nicht zu sagen mit dem Rückwärtsgang gen Schlussphase. Michael van Gerwen, der sich seit der letzten Pause darauf beschränkt hatte, den Vorsprung zu verwalten, nahm zur Kenntnis, dass Nathan Aspinall bereits geschlagen war und machte den Deckel drauf. Endergebnis 11:3.
Zum fünften Mal nach 2015/16/17 und 2019 kann sich Michael Van Gerwen in die Siegerliste der World Series of Darts eintragen und dass er den Triumpf vor heimischen Publikum feiern konnte, brachte ihm ebenso sichtlich wie verdientermaßen eine besondere Genugtuung.