Martin Schindler sagt Danke
Martin Schindler Portrait Teil 4
Er hat Deutschland beim World Cup of Darts vertreten und uns alle stolz gemacht. Martin Schindler nahm seit unserem letzten Treffen nochmal eine unglaubliche Entwicklung und sammelte viele neue Erfahrungen. Wir trafen ihn nun zum vierten Mal und sprachen über seine ersten Schritte auf der Pro Tour, was so alles schief gehen kann und natürlich die Erlebnisse, die er an der Seite von Max Hopp aus Frankfurt mitnahm.
Die Pro Tour hat ihre eigenen Gesetze
Kurz vor dem letzten Treffen hatte sich „The Wall“ gerade die Tour-Card gesichert und freute sich somit auf zwei spannende Jahre auf der Pro Tour. Nach den ersten Turnieren konnte er für sich schon ein kleines Fazit ziehen: „Ja, ich kann definitiv mithalten. Allerdings ist das Niveau dort auf den Turnieren sehr hoch. Von den 128 Teilnehmern kann jeder jeden schlagen, denn auch die eher unbekannten Gesichter spielen einen 12- bis 15-Darter nach dem anderen.“ Auch ein Michael van Gerwen, so Martin, könne sich nicht sicher sein, dass er dort ein Turnier gewinnt, wenn er mitspielt. Die Voraussetzungen seien einfach ganz andere. Für Schindler selbst lief es bisher eher durchwachsen. „Für mich ist es ja auch das erste Jahr. Ich versuche mich ranzutasten und viele Erfahrungen mitzunehmen. Ich denke im nächsten Jahr läuft es dann schon deutlich besser“, sagt der 20-Jährige. Er erlitt einige Erstrundenniederlagen, traf dort aber auch oft auf Gegner wie Peter Wright, Michael Smith oder Mark Webster. „Smith war der absolute Wahnsinn. Er hatte gegen mich zwei 10-Darter auf der Hand und ließ so gut wie gar nichts aus. Gegen Webster lag ich bereits 2:5 hinten, kam aber durch ein 120’er Finish und gute Legs zum Ausgleich. Dann aber siegte Websters Erfahrung“, erzählt Schindler.
Sein bestes Ergebnis auf der Pro Tour war ein Achtelfinale. Dort konnte er sich zunächst mit starken Spielen gegen Kirk Shepherd, Ian White und Ronny Huybrechts durchsetzen, ehe er es in der Runde der letzten 16 mit Mervyn King zu tun bekam. Schindler erinnert sich noch gut an die 1:6-Niederlage: „Das war legendär. King hat unglaublich gespielt. Zwei 12-Darter und drei 13-Darter hat er mir um die Ohren gehauen, stand zwei Mal nach neun Darts bei 41 Punkten Rest. Das eine Leg das ich holte, war mit einem 146’er Finish. Es war gegen ihn nichts zu machen an dem Tag.“ Außerhalb der Spiele verbringt er die Zeit meistens mit seinen Kollegen Max Hopp, Zoran Lerchbacher, Maik Langendorf, Ioannis Selachoglou und John Michael. Sie essen zusammen, lachen viel, trainieren gemeinsam. Doch auch mit einigen anderen Spielern hat Martin bereits gute Kontakte geknüpft, so zum Beispiel James Richardson, Paul Nicholson, Cristo Reyes oder Dimitri van den Bergh, mit denen er sich immer gerne unterhält, wenn er sie trifft.
Das Reisen und seine Tücken
Ein großes Thema in Martins Leben ist das Reisen geworden. Fast jede Woche ist er an einem anderen Ort, schläft in einem anderen Bett. „Das ist definitiv eine Umstellung. Mal ist das Bett fantastisch, mal sind Kissen dabei die komplett nachgeben und so liegt man im Grunde auf der Matratze. Solche Kleinigkeiten können schon Einfluss nehmen“, erklärt Schindler. Auch die Autofahrten bei großer Hitze seien belastend. In seinem Alter ist dies allerdings noch kein Problem, sowas kann man wegstecken und man gewöhnt sich auch recht schnell daran. Doch er versteht in diesem Zusammenhang nun auch, warum Phil Taylor darauf keine Lust mehr hat. „Wenn man das über Jahrzehnte so gelebt hat, dann hat man da sicher irgendwann einfach die Nase voll. Ich kann nachvollziehen, dass er seine Karriere beendet“, sagt er. Ein Highlight für ihn war das Hotel in Milton Keynes, welches um ein Fußballstadion herum gebaut wurde. Martin konnte nach seinem Ausscheiden noch die zweite Halbzeit der Milton Keynes Dons beim 3:2-Sieg gegen Gillingham von seinem Hotelzimmer aus verfolgen.
Doch nicht immer läuft alles nach Plan. So wollte er zur Development Tour nach Hildesheim reisen, war allerdings noch wegen des Players Championship Turniers in London. Der Flug nach Deutschland hatte Verspätung. „Wir kamen dann zum Check-In und das Personal meinte, dass sich trotz Verzögerung die Check-In-Zeiten nicht geändert hätten und das Gepäck nun nicht mehr aufgegeben werden könne. Wir hätten also die Koffer vier Stunden vor Abflug abgeben müssen“, sagt Martin. So musste er das Gepäck per Post aufgeben, dafür 40 Euro bezahlen und hatte in Hildesheim nicht seine eigenen Darts dabei. Auch beim European Tour Event in Gibraltar hatte Martin viel Pech. Zwar kam er in die zweite Runde, verknackste sich jedoch vor dem Spiel gegen Benito van de Pas den Fuß. „Wir übernachteten in Spanien und hatten da einen Garten. Ich wollte auf das Meer blicken und trat dann an einer Stufe vorbei. Am Abend war der Fuß blau und angeschwollen“, erinnert sich Schindler. Dies habe zwar das Spiel nicht direkt beeinflusst, doch bemerkbar machte es sich dennoch.
Die Deutschen werden immer stärker
Durch die vielen Reisen gibt es für Martin seit diesem Jahr kaum noch etwas anderes als den Dartsport. „Ich habe mich eigentlich für ein Studium eingeschrieben. Verkehrswesen, an der Technischen Universität in Berlin. Allerdings komme ich einfach kaum dazu. Gerade auch wegen Fahrten zu European Tour Events die weiter weg sind, wie Saarbrücken. Da muss man schon einen Tag vor der Qualifikation los, damit man dann auch wirklich sein Bestes geben kann“, sagt Schindler. Dort in Saarbrücken bekam er es mit Paul Nicholson zu tun, der sich unlängst als Fan von „The Wall“ geoutet hatte. Er hat versucht ihn als normalen Gegner zu sehen und auch im Vorfeld nicht viel Zeit mit ihm verbracht, um konzentriert bleiben zu können. „Es war natürlich trotzdem etwas Besonderes. Er war an dem Tag aber etwas zu gut und so hat es leider nicht gereicht“, erinnert er sich. Martin unterlag gegen „The Asset“ mit 1:6 und schied aus.
Er konnte sich in diesem Jahr bereits für fünf European Tour Events qualifizieren, eins mehr als im kompletten vergangenen Jahr. „Ich bin fasziniert darüber, dass es so gut läuft und freue mich riesig, denn ich blicke ja auch noch auf die Europameisterschaft“, sagt Schindler. Allerdings sei der deutsche Qualifier alles andere als einfach. „Ich verstehe die Erwartungshaltung anderer Leute mir gegenüber. Aber die Gegner in der Qualifikation sind unglaublich stark. Ein Christian Bunse zum Beispiel verlangte mir alles ab. Den besiegte ich mit 6:5 und auch nur, weil ich selbst stark spielte“, meint Martin. Es ist also eine super Entwicklung im deutschen Dartsport zu erkennen, die Spitze rückt immer näher zusammen.
Trotz der vielen Qualifikationen reichte es jedoch bisher nur ein Mal für die zweite Runde. „Ich bin froh über jedes Mal, wenn ich sie erreiche“, sagt Martin. Des Öfteren verpasste er diese nur knapp. So zum Beispiel kürzlich in Hamburg, als er mit 5:3 gegen Andy Hamilton führte, am Ende jedoch noch 5:6 unterlag. „Ich denke das liegt einfach an der Erfahrung. Andy hat schon alles erlebt, besiegte zum Beispiel Simon Whitlock mal nach 8:15-Rückstand noch 17:15. Ich glaube, wenn man es gewohnt ist 30-40 Legs auf der Bühne zu spielen, dann kann man seine Leistung länger auf dem Niveau halten, vielleicht sogar nochmal eine Schippe drauf packen“, erklärt er.
„Unser Plan ging genau auf“
Das Turnier, das Martin Schindlers Bekanntheitsgrad nochmal deutlich steigerte, war der World Cup of Darts. Als zweitbester Deutscher qualifizierte er sich neben Max Hopp für dieses Event, es war sein erstes TV-Turnier überhaupt. „Als ich am ersten Tag dort saß und Stuart Pyke und Wayne Mardle über die Spiele sprachen, da meinte Mardle, er freue sich auf das Spiel von uns gegen Nordirland und vor allem darauf, dass Max und ich zusammen spielen. Da habe ich erst mal realisiert wo ich eigentlich bin“, erzählt Martin. Die Nordiren waren eines der acht gesetzten Teams und hatten mit Daryl Gurney und Brendan Dolan ein eingespieltes Duo. „Wir wussten, das Los ist nicht einfach. Wir hatten vor allem Respekt vor Daryl Gurney, der auf der Tour oft unglaubliche Matches zeigt. Aber wir wussten auch was wir können und haben immer an uns geglaubt“, so „The Wall“. Obwohl sie immer wieder Breaks kassierten, kämpften sie sich zurück und hielten das Spiel bis zum Ende offen. „Max hat einfach fantastisch gespielt, das muss man klar so sagen. Ich hatte viele 60’er drin, vielleicht dem Rhythmus im Doppel geschuldet“, sagt Martin.
Nach acht Legs stand es 4:4, das Entscheidungsleg musste her. Dort verpasste Hopp den Matchdart, doch auch Gurney verpasste wenig später den Sieg auf der Doppel-12. So hatte Martin drei Chancen auf Tops. „Ich wusste, wenn ich nicht auschecke, sind wir wohl raus. Ich hab mir also viel Zeit genommen, mehrere Male tief durchgeatmet und versucht ruhig zu bleiben“, erinnert sich Schindler. „Ich wusste ich habe 40 Punkte schon so oft mit weniger als drei Pfeilen ausgemacht, also wollte ich es auch jetzt wieder tun. Nachdem die ersten beiden Darts nicht ins Doppel flogen, setzte ich nicht ab. Ich blieb fokussiert, ließ keine negativen Gedanken zu und hab den dritten Dart dann einfach in der Doppel-10 versenkt“, beschreibt Martin den Moment. Für ihn war es ein Augenblick der Ekstase und Erleichterung, den er wohl nicht vergessen wird.
In der zweiten Runde bekamen es die beiden dann mit den Brasilianern zu tun. Nach dem Sieg über Nordirland schien die Favoritenrolle klar: „Natürlich wurden wir stärker eingeschätzt und entsprechend gingen wir mit breiter Brust ins Spiel. Doch wir mussten auch versuchen auf dem Boden zu bleiben, denn auch die Brasilianer sind nicht schlecht.“ Sie wollten Martin gegen Alexandre Sattin stellen, da er auf der European Tour schon mal gegen Diogo Portela unterlegen war. Sie rechneten damit, dass Portela als zweiter Spieler aufgestellt würde und genauso kam es. „Unser Plan ging genau auf. Ich hatte zudem dann Glück, dass mein Gegner sehr nervös war. Bis auf ein paar Doppelprobleme lief alles super“, sagt Martin. Am Ende gewannen sie 4:0 und 4:1, kamen damit locker und verdient weiter.
Eine 2:0-Führung gegen den Weltmeister
Mit dem Einzug ins Viertelfinale hatte Team Deutschland seine Zielsetzung bereits erreicht. Alles was die beiden jetzt noch schaffen würden, wäre ein Bonus gewesen, erzählte Martin. „Aber trotzdem waren wir natürlich heiß auf das Spiel. Gegen die Niederländer zu spielen ist etwas sehr besonderes.“ Und wieder ging der Plan der beiden auf. Da Max Hopp gegen Raymond van Barneveld bereits auf der European Tour mal siegreich war, wollte man Martin gegen Michael van Gerwen aufstellen. Überraschend erwischte Schindler gegen den Weltmeister einen Sahnestart und ging früh mit 2:0 in Führung. „Da kam ich dann tatsächlich ins Grübeln, aber eigentlich nur, weil MVG nach einer 134 plötzlich laut losschrie, was er vorher nicht tat. Da merkte ich, dass die Distanz ja sehr kurz ist und ich die Hälfte schon geschafft hatte“, sagt Schindler. Dennoch schwächelte Martin nicht und zog sein Ding weiter durch, spielte sehr gut. „Mighty Mike“ wurde allerdings immer besser, traf immer mehr Triple und kam zurück. Zwei Mal stand Martin auf 40 Punkten Rest als van Gerwen auscheckte. Nachdem Schindler ein 114’er Finish verpasste, checkte MVG 116 Punkte zum 4:2-Matchgewinn. „Natürlich ärgert man sich da. Ich habe ja gut gespielt und wenn man bei einer 2:0-Führung noch zwei Mal 12-15 Darts spielt, dann ist der Sieg drin. Aber Michael hat eben gezeigt was er kann, und wenn man da nicht 120-130% bringt, dann kann man auch mal verlieren“, sagt Schindler.
Max Hopp schaffte danach tatsächlich den Sieg gegen Raymond van Barneveld. „Das 105’er Finish zum 3:3, gefolgt von einer 180 waren der absolute Hammer. Ich war sehr angespannt im Backstagebereich“, erinnert sich Martin. Durch das 4:3 kam es also zum entscheidenden Doppel, wo Max und Martin erneut nicht schlecht spielten, allerdings am Ende nur ein Leg holten. „Auch das war natürlich ärgerlich. Wenn wir zum 2:2 ausgleichen, dann drehen wir das Spiel vielleicht. Aber am Ende waren wir mit unserer Leistung hochzufrieden und haben gerne mit den Fans gefeiert, das hat echt Spaß gemacht“, sagt „The Wall“. Aus seinem ersten TV-Turnier nimmt Martin eine Menge Selbstvertrauen aber auch Erfahrung mit. „Die Fans waren der Wahnsinn, so laut habe ich das noch nirgends erlebt gehabt. Spitze. Und ich muss auch einfach Danke sagen, für die ganze Unterstützung und auch die Anerkennungen, die mich auf allen Wegen erreicht haben. Ich versuche immer jedem zu antworten, aber es ist so viel auf mich eingeprasselt, es ging einfach nicht“, sagt Martin.
Martin Schindler entwickelt sich zum Star
Die ersten Anzeichen von Ruhm und Bekanntheit machen auch vor Martin Schindler nicht halt. „Meine Facebookseite hat durch den World Cup einen Anstieg von zuvor 1400 Fans auf fast 3900 erlebt. Ich musste auch in letzter Zeit viele Autogramme schreiben, das ist alles noch sehr neu für mich, aber es ist schön“, sagt Martin. Seine Wurzeln vergisst er bei all dem nicht. So besuchte er nach dem European Darts Matchplay eine Jugendmeisterschaft in Berlin und erfüllte dort die Wünsche der Kleinen. „Die Kinder waren echt süß. Die hatten wohl die Spiele alle im Fernsehen gesehen und waren am Anfang total schüchtern. Aber als sie merkten, dass ich auch nicht anders bin, sind sie aufgetaut und haben sich sehr gefreut“, sagt er. Für ihn, mit 20 Jahren selbst noch sehr jung, ist Jugendförderung sehr wichtig. „Je mehr Jugendliche da sind, desto besser. Der Konkurrenzkampf peitscht einen nach vorne und hilft dabei besser zu werden“, sagt er.
Der PDC-Weltmeister der Junioren ist aktuell noch Corey Cadby. Das möchte Martin in diesem Jahr noch immer ändern und selbst den Titel gewinnen. Sein wichtigstes Ziel ist jedoch die Qualifikation für die Weltmeisterschaft im Dezember im Alexandra Palace. „Ich will da unbedingt hin und gebe alles dafür. Ob nun über die Super League oder auf einem anderen Weg, ich will in den Ally Pally!“, sagt Martin energisch. In der Super League belegt er aktuell den vierten Rang, allerdings nur einen Punkt hinter dem Führenden, Kevin Münch. Seine Ziele für die nahe Zukunft sind natürlich gute Ergebnisse auf der Pro Tour. Auf die Frage, wann man Martin Schindler mal drei Tage lang auf einem European Tour Event sehen könne, antwortete er: „Dann, wenn die Zeit gekommen ist. Vielleicht ja schon in Wien!“. Das Turnier findet am kommenden Wochenende statt, Martin ist bereits qualifiziert. Wir drücken die Daumen!
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