Van Gerwen nicht für die Wahl zum „Sportler des Jahres“ nominiert
Michael van Gerwen wurde nicht für die Wahl zum niederländischen Sportler des Jahres nominiert. Obwohl er 2016 sensationelle 25 Turniersiege verbuchen (und somit die Rekordmarke von Phil Taylor knacken) konnte und trotz des Medienrummels für seine Nominierung im Vorfeld der Wahl, entschied sich die Jury des NOC*NSF (Abkürzung für Niederländisches Olympisches Komitee / Niederländischer Sportbund) gegen den 27-jährigen Weltranglistenersten der PDC.
Die aus ehemaligen Spitzensportlern und Trainern (u.a. Pieter van den Hoogenband, Marianne Timmer und Guus Hiddink) bestehende Jury wählte fünf andere Sportler, die am 21. Dezember in Amsterdam um die begehrte Auszeichnung kämpfen: Tom Dumoulin (Radrennfahrer), Sven Kramer (Eisschnellläufer), Dorian van Rijsselberghe (Windsurfer), Max Verstappen (Formel-1-Fahrer) und Ferry Weertman (Langstreckenschwimmer).
Kritiker dieser Entscheidung haben eine Facebook-Seite eingerichtet, auf der zu einem Boykott der Sportgala des NOC*NSF aufgerufen wird. Auch auf Twitter kommt es unter dem Hashtag #boycotsportgala2016 zu empörten Reaktionen auf die Entscheidung der Jury.
Der Standpunkt des NOC*NSF in Bezug auf Michaels Nichtnominierung ist falsch
Erstaunt nahm ich kürzlich zur Kenntnis, dass Michael van Gerwen nicht für die Wahl zum „Sportler des Jahres 2016“ nominiert worden ist. Dabei führt der 27-jährige Darter die PDC-Weltrangliste mit riesigem Vorsprung an (er gewann mehr Preisgelder als der Zweite und Dritte der Rangliste zusammen).
Noch mehr irritierte mich der Standpunkt, den das NOC*NSF trotz aller Kritik an der Nichtnominierung von „Mighty Mike“ vertritt. Jeroen Bijl (Vorsitzender der NOC*NSF-Jury) erklärte nämlich, dass eine Sportart nur dann berücksichtigt werden kann, wenn sie olympisch ist oder wenn mindestens 55 Länder bei der Weltmeisterschaft oder der WM-Vorrunde vertreten sind. „Darts verfehlt dieses Kriterium um Längen. Van Gerwen war also zu keinem Zeitpunkt ein ernsthafter Kandidat“, meinte Bijl.
Würden sich die Kriterien ausschließlich darauf beschränken, wie viele Länder an der WM teilnehmen, wäre die Entscheidung korrekt. An der PDC-Dartsweltmeisterschaft 2017 nehmen nämlich Sportler aus 22 Ländern teil. Da jedoch die WM-Vorrunden (also die WM-Qualifikationsturniere) ebenfalls mitgerechnet werden, habe ich die Probe aufs Exempel gemacht und geschaut, ob ich eine Liste mit 55 Ländern zusammenbekomme.
Darts-Spieler aus sehr vielen Ländern haben die Möglichkeit, an WM-Qualifikationsturnieren teilzunehmen, jedoch gibt es nicht in allen diesen Ländern Spieler, die diese Möglichkeit auch nutzen. Doch selbst wenn nur die Länder zählen, die tatsächlich mindestens einen Spieler haben, der letztes Jahr an einem WM-Qualifikationsturnier teilgenommen hat, erfüllt Darts dieses Kriterium. Die WM-Qualifikation ist beispielsweise über die SDC Tour (Scandinavian Darts Corporation) oder die südostasiatischen oder die südeuropäischen Qualifier möglich. Also nahm ich mir die Zeit und durchforstete das Internet nach Ländern und Spielern, die dieses Kriterium erfüllen. Nach gar nicht mal so langer Suche war die Liste vollständig.
Die folgenden 22 Länder sind bei der anstehenden Weltmeisterschaft der PDC vertreten (in Klammern je ein Vertreter aus dem jeweiligen Land): Niederlande (Michael van Gerwen), England (Phil Taylor), Schottland (Gary Anderson), Wales (Gerwyn Price), Irland (Mick McGowan), Nordirland (Daryl Gurney), Belgien (Kim Huybrechts), Australien (Simon Whitlock), Spanien (Cristo Reyes), Südafrika (Devon Petersen), Schweden (Magnus Caris), Griechenland (John Michael), Deutschland (Max Hopp), Japan (Masumi Chino), Russland (Boris Koltsov), Österreich (Mensur Suljovic), Neuseeland (Warren Parry), Malaysia (Tengku Shah), Kanada (Ross Snook), China (Sun Qiang), Philippinen (Gilbert Ulang), Finnland (Kim Viljanen).
Spieler aus weiteren 33 Ländern haben weltweit an WM-Qualifikationsturnieren teilgenommen: USA (Darin Young), Slowenien (Marjan Sket), Ungarn (Nandor Bezzeg), Kroatien (Robert Marijanovic), Italien (Daniele Petri), Luxemburg (Sebastian Lemmer), Tschechien (Michal Kocík), Gibraltar (Dyson Parody), Ukraine (Eremenko Vasiliy), Serbien (Vladimir Injac), Slowakei (Peter Martin), Südkorea (Dongju Lee), Polen (Radek Szaganski), Indonesien (Michael Vesper), Brasilien (Diogo Portela), Schweiz (Robert Wildgrube), Mongolei (Khundaganai Odkuu), Portugal (Jose De Souza), Weißrussland (Andrey Pontus), Brunei (Mohd Hairul Aznan), Malta (Godfrey Abela), Island (Victor Charrua), Guyana (Norman Madhoo), Norwegen (Cor Dekker), Taiwan (Lee Kuan Chieh), Dänemark (Per Laursen), Lettland (Madars Razma), Zypern (Marios Georgiou), Singapur (Paul Lim), Thailand (Thanawat Gaweenuntawong), Indien (Prakash Jiwa), Hongkong (Scott McKenzie), Kambodscha (Lang Lim).
Demzufolge mutet der Standpunkt des NOC*NSF nicht nur merkwürdig an, sondern scheint dazu auch noch falsch zu sein. Ein wenig Recherche hätte sicher nicht geschadet. Es hat daher unweigerlich den Anschein, als würde der Dartsport weiterhin nicht die Anerkennung bekommen, die er verdient. Im vergangenen Jahr schien es in die richtige Richtung zu gehen, als Michael van Gerwen endlich zumindest eine Einladung zur großen Sportgala erhielt, doch für eine Nominierung reicht es anscheinend immer noch nicht…
Weitere Reaktionen aus der Darts-Welt
Natürlich ließ auch die Reaktion des niederländischen Dartverbands NDB auf die Entscheidung der Jury nicht lange auf sich warten. Zunächst meldete sich der NDB-Vorsitzende Niels de Ruiter per Twitter:
„Riesengroße Enttäuschung nach der Bekanntgabe, dass @MvG180 vom @nocnsf (erneut) nicht für die Wahl zum Sportler des Jahres nominiert worden ist.“
Wenig später veröffentliche der NDB auf seiner Webseite die folgende Pressemitteilung:
„Michaels Nichtnominierung zeigt einen Mangel an Anerkennung und Wertschätzung“
„Der Nederlandse Darts Bond (NDB) hat mit großer Enttäuschung zur Kenntnis genommen, dass der Darter Michael van Gerwen trotz seiner aufgestellten Rekorde, gewonnenen Titel, seiner Dominanz in der absoluten Weltspitze und der „Wirkung“, die er im vergangenen Jahr in der Welt des Sports und bei den sportbegeisterten (Fernseh-) Zuschauern erzielte, nicht für die Wahl zum „Sportler des Jahres“ im Rahmen der Sportgala 2016 nominiert wurde.
Mit großer Zuversicht und den oben aufgeführten Argumenten hat der NDB – als Mitglied im NOC*NSF – Michael im November für die Wahl vorgeschlagen. Im Anschluss an die WM 2016 gewann Michael acht (!) von zehn Major-Turnieren, darunter die Europameisterschaft und die Premier League, zudem gelangen ihm 17 weitere bedeutende Turniererfolge. Ein absoluter Rekord und unserer Ansicht nach eine einzigartige Leistung, mit welcher er seine fantastischen Auftritte im Jahr 2015 und seinen Sieg bei der Weltmeisterschaft 2014 noch toppen konnte.
Der NDB sieht in Michaels sehr bedauerlicher Nichtnominierung daher vor allem einen Beweis für die mangelnde Anerkennung und Wertschätzung für den Dartsport im Allgemeinen und insbesondere für den phänomenalen Sportler Michael van Gerwen. Selbstverständlich wünscht der NDB den ebenso phänomenalen Sportlern und Trainern, die nominiert worden sind, viel Erfolg.“
Vorauswahl und der Verstappen-Vergleich
Da die Kritik aus der niederländischen Darts-Welt und vonseiten der Medien nicht abebben wollte, sah sich der Juryvorsitzende Jeroen Bijl zu einer Stellungnahme veranlasst, die Einblicke in das Auswahlverfahren lieferte. So fiel Michaels Name zwar bei der Vorauswahl, „jedoch nicht offiziell, da er die Vorauswahl nicht überstanden hat“, sagte Bijl. „Jemand erwähnte ihn auf der Versammlung, jedoch wurde in diesem Zusammenhang auch gesagt, dass er das wichtigste Turnier, die WM, nicht gewonnen hat.“
Dennoch musste Bijl einräumen, dass MvG ein weiteres Kriterium, das bei der Nominierung eine Rolle spielt, voll und ganz erfüllt: Die öffentliche Wahrnehmung in den Niederlanden. „Wir erkennen, dass er die Menschen mit seinen Leistungen begeistert“, meinte Bijl. „Daher werden wir diesen Punkt wahrscheinlich bei künftigen Entscheidungen mehr gewichten.“
Auf den Kritikpunkt, warum Max Verstappen die Kriterien der NOC*NSF offenbar erfüllt, obwohl die Formel 1 nicht olympisch ist und auch keine 55 Länder an ihr teilnehmen, erwiderte Bijl: „Wir betrachten die Formel 1 als stellvertretend für den gesamten Motorsport, der noch viele weitere Kategorien umfasst, in denen eine WM ausgetragen wird. Die Formel 2, Formel 3 und den Kartsport zählen wir zum Beispiel auch dazu. Das ist der Grund, weshalb wir Verstappen nominieren konnten.“
Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung übrigens an den Shorttracker Sjinkie Knegt.
Texte:
Pieter Verbeek, 4. Dezember 2016
Pieter Verbeek, 5. Dezember 2016
Zusammengestellt und übersetzt von Martin Rönnberg @ darts1.de
▶ Michael van Gerwen Karriere (PDF, 1.002 kB)