Tag 3: David Pallett wird Görlitzer
Auch am dritten Tag hatte ich morgens wieder so ein Gefühl. Ich wollte wieder einen guten Platz und machte mich daher noch früher auf den Weg, stand bereits 1,5 Stunden vor Einlass in der Warteschlange, die auch zu diesem Zeitpunkt tatsächlich schon existierte. Es lohnte sich, mein Platz war erneut sehr gut, auch wenn ich dieses Mal jemanden neben mir hatte, der als Marktschreier eine tolle Karriere hätte hinlegen können, im Dartspublikum jedoch völlig fehl am Platz war. Darin stimmte die Security mit mir überein und ermahnte ihn sehr deutlich. Den letzten Tag eröffneten Brendan Dolan und Stephen Bunting. Obwohl Brendan als der gesetzte Spieler ins Turnier ging, konnte man Stephen klar als Favoriten sehen. Der BDO-Weltmeister dieses Jahres zeigte ja bereits in der zweiten Runde, dass er mit langsamen Wurfrhythmen umgehen kann und bewies es auch gegen Dolan. Mit einem tollen Auftritt qualifizierte sich der sympathische Stephen als erster für das Viertelfinale, er schlug seinen nordirischen Kontrahenten mit 6:3. Spannender war das Match von Vincent van der Voort gegen Ian White. Ian zog den Kopf am Vortag noch so gerade aus der Schlinge und so wollte er sich gegen Vincent keine Blöße geben. Aus Sicht der Fans sah es leider auch danach aus. 5:3 führte Ian, die Stimmung drohte zu kippen. Doch Vincent wurde angefeuert. Unter dem lauten Gesang seines Walk-On-Songs schöpfte der Niederländer neue Kraft, gab nochmal Gas und kam tatsächlich zum Ausgleich. Weil Ian dann den nötigen Biss vermissen ließ, konnte „The Dutch Destroyer“ auch das entscheidende elfte Leg holen und sich mit 6:5 durchsetzen. Der Saal stand Kopf. Schade für Ian, auch er zeigte wieder, dass er ein klasse Spieler ist und man ihn zu Unrecht viel zu wenig auf dem Schirm hat.
Berechtigte Hoffnungen auf ein Weiterkommen machte sich indes „Goldfinger“ Andrew Gilding. Die Überraschung des Jahres 2014 trat gegen Michael Smith an und wollte sein bis dahin tolles Turnier krönen. Doch was „Bullyboy“ spielte war nicht von dieser Welt. Die ersten drei Legs begann er mit einer 180, hielt über die ersten vier Legs einen Schnitt von über 120 Punkten. Das war einfach unglaublich und entsprechend laut war es im Maritim Hotel. Leider ließ Michael etwas nach, was auch meinem Tischnachbarn auffiel. Er fand es sehr schade, hatte Smith doch wirklich eine fantastische Leistung abgerufen. Schade war vor allem, dass sich das Match am Ende zog. Die Scores wurden zum Teil echt schwach, so kam auch Gilding noch zu einem Leggewinn, den er sich aber in diesem Turnier auch verdiente. Michael gewann schließlich 6:1 und konnte sich den Bruch im Spiel später selbst nicht erklären.
Es folgte das Topmatch der Viertelfinals. Das Aufeinandertreffen von zwei Premier League-Spielern. Dave Chisnall gegen Phil Taylor. Phil traf also zunächst auf den Mann, der ihn 2012 aus der WM warf und sollte er weiterkommen, dies stand zu dem Zeitpunkt ja schon fest, würde er auf Michael Smith treffen, also denjenigen, der im vergangenen Jahr das Aus für Phil bedeutete. Eine spannende Konstellation, auf die leider nicht eingegangen wurde. Dave spielte nicht so gut wie er es eigentlich kann, vielleicht auch den erneut sehr starken Anfeuerungen für Phil geschuldet. Dennoch schaffte er es, die Angelegenheit spannend zu halten. Eine Siegchance sah man aber trotzdem nicht so recht. Phil setzte sich verdient mit 6:3 durch und somit kam es also zum erwähnten Wiedersehen von „The Power“ und „Bullyboy“.
Einer Entschuldigung sollten Taten folgen. Nach seiner schwachen Partie gegen Paul Nicholson gelobte Kim Huybrechts Besserung im Achtelfinale. Dort lauerte Adrian Lewis allerdings schon. Gegen „Jackpot“, welcher ebenfalls sehr von den Fans geliebt wurde, hatte Kim überhaupt keine Chance. Adrian setzte sich locker mit 6:2 durch, kein gutes Turnier von Huybrechts, da muss mehr kommen. Etwa so viel wie bei John Henderson. Der „Highlander“ war eine der positiven Überraschungen dieses Turniers und er traf auf Simon Whitlock. Der Australier wurde in Deutschland wie immer herzlich empfangen. Besonders ältere Damen scheinen sehr viel für ihn übrig zu haben. Jyhan Artut schaute sich dieses Match ebenfalls an. Und der Deutsche sah wenig vom „Wizard“, dafür einen erneut „schwungvollen“ Auftritt von John Henderson. Der Schotte ließ Simon überhaupt nicht zum Zug kommen und besiegte ihn deutlich 6:2. Ebenfalls 6:2 ging das nächste Match aus. Steve Beaton traf auf Wes Newton. Der Warrior wollte seine starke Leistung des Vortages bestätigen, gleiches galt für Beaton. Nachdem „The Bronzed Adonis“ bereits die ersten beiden Legs für sich entschied, kam auch Newton endlich in die Partie. Der „Warrior“ zeigte aber zu wenig und so war es am Ende wirklich Steve Beaton, der das Match gewann. „Not bad“, dachte sich auch mein Tischnachbar. Er kommentierte den Auftritt mit „Hätte ich nicht gedacht“.
David Pallett. Es war schon ein Phänomen, was die Görlitzer Jungs dort veranstalteten um den Engländer zu unterstützen. Aber es zeigte Wirkung, ihr Favorit schaffte es ja bis ins Achtelfinale. Dort wartete Michael van Gerwen. Nachdem Michael das erste Leg holte, sicherte sich David das zweite und machte unter tosendem Jubel die typischen Michael van Gerwen-Posen. Michael nahm es gelassen hin, setzte sich auf 3:1 ab, zeigte seinen Jubel ebenfalls und zwinkerte seinem Gegner grinsend zu. Ein Fehler, denn David pushte das nur noch mehr. Er schaffte wieder den Ausgleich und hörte nicht auf, Michael nachzumachen. Die Görlitzer Fangemeinde konnte nicht mehr, sie liebten es. Dann aber machte Michael ernst und gewann das Match 6:3. Kurz und schmerzlos letztlich. Lachend deutete der Weltmeister nach dem Match einen Tritt in den Allerwertesten seines Gegners an, was beide mit einem Lachen hinnahmen und sich friedlich und freundschaftlich verabschiedeten. Unter großem Beifall ging somit auch David Pallett von der Bühne.
Die Nachmittagssession war somit beendet. Wieder hieß es anstehen und warten. Bevor die Viertelfinals dann losgingen, schaute ich nochmal zu den Görlitzer Jungs, die erneut David Pallett feierten. Doch wieso? Weil er bei ihnen war! Er bedankte sich herzlich bei den Jungs, trank etwas mit ihnen und feierte ein wenig, machte sich aber noch vor Beginn der Spiele aus dem Staub. Daumen hoch für den jungen David Pallett, er weiß was sich gehört!
Superman, Batman und Flash
Sie waren mir bereits beim reingehen aufgefallen, denn sie standen direkt hinter mir. Drei Jungs, verkleidet als Superman, Batman und Flash. Die Jungs waren extra aus Stuttgart angereist um sich das Dartspektakel in der Hauptstadt anzuschauen. Ihre Kostüme waren klasse und so kam es, dass ich mir die letzte Session mit ihnen zusammen anschaute. Sowieso war Tag drei auch der Tag der Kostüme. Neben den drei Weltrettern sah man auch viele Tiere wie ein Känguru oder einen Pinguin, ein paar Leute mit Afro-Perücken und noch weitere verrückte Kostüme.
Die Session wurde dann durch den BDO-Weltmeister eröffnet, er traf auf Vincent van der Voort. So lang und so toll dieses Turnier für den Niederländer auch gedauert hat, so klar war auch, dass er letztlich nicht als Sieger in Berlin hervorgehen würde. Zu gut waren viele seiner Gegner. So zum Beispiel auch „The Bullet“. Er spielte ein tolles Turnier und machte den Anfang von vier, ich nehme es vorweg, klaren Angelegenheiten in den Viertelfinals. Stephen setzte sich nach einem tollen Auftritt 6:1 gegen Vincent durch, welcher überhaupt nicht ins Match fand. Schlimmer lief es noch für Michael Smith. Mit seinem raketenhaften Tempo in der Achtelfinalpartie gegen Andrew Gilding, setzte er hohe Erwartungen an sich selbst. Dass er gegen Taylor dann so unterging, überraschte nicht nur mich. Durch einen Whitewash, 6:0, verabschiedete sich auch „Bullyboy“ aus dem Turnier.
Die größte Überraschung bis dahin war aber nicht der U21-Weltmeister, sondern der „Highlander“, John Henderson. Er traf im Viertelfinale auf Adrian Lewis. Doch nachdem er bereits Peter Wright und Simon Whitlock eliminieren konnte, schien auch Lewis fast schon machbar. Von den Averages war dieses Viertelfinale leider die schwächste Partie, dennoch ging sie klar und deutlich an Adrian Lewis. 6:2 gewann „Jackpot“. Schade, hätte John sein Niveau aus den vorherigen Spielen, wo ihm gegen Simon Whitlock ein 106’er Average gelang, auch hier zeigen können, wäre deutlich mehr drin gewesen. Das letzte Viertelfinale war folglich die Partie zwischen Michael van Gerwen und Steve Beaton. Der BDO-Weltmeister von 1996 konnte bekanntlich das Turnier in Sindelfingen, Ende vergangenen Jahres, für sich entscheiden. Deutschland war also ein gutes Pflaster für ihn. Doch dieses Pflaster wurde ihm kurz und schmerzlos abgerissen, Michael siegte 6:0 und zog triumphierend ins Halbfinale ein. Dies lag auch daran, dass Steve seine Chancen auf die Doppel einfach liegen ließ.
Nach einer kurzen Pause sollte es dann also mit den Halbfinalpaarungen weitergehen. Ich war ziemlich aufgeregt, denn die vier Halbfinalisten hatten es in sich. Zwei mehrfache Weltmeister und zwei amtierende. Eigentlich optimale Voraussetzungen für tolle Dartperformances, richtig? Richtig! Stephen Bunting und Phil Taylor machten den Anfang, der Saal kochte. Phil musste einfach ins Finale, so die Meinung der Fans. Am Anfang ging es noch hin und her, beide schenkten sich wenig, doch je länger das Match dauerte, desto weniger konnte Stephen mithalten. Phil setzte sich ab und sicherte sich die Teilnahme an seinem 82. Pro Tour Finale. Es gab trotzdem großen Applaus für „The Bullet“, der mit dem Wechsel zur PDC wohl alles richtig gemacht hat. Michael van Gerwen gegen Adrian Lewis, eine andere Formulierung für „Hochgeschwindigkeitsdart“, „Duell der Rivalen“ oder „Gabs das nicht letzten Donnerstag?“. So ist es. Bei der Premier League gab es das 24. Aufeinandertreffen, Michael gewann 7:4, in Berlin Nummer 25. Bis dahin gab es 14 Siege für Michael, neun für Adrian und ein Unentschieden, ebenfalls bei der diesjährigen Premier League. Michael legte los wie die Feuerwehr und schien auch etwas mehr Fans dabei zu haben als „Jackpot“. Unter lauten Anfeuerungen und Michael van Gerwen-Gesängen gewann er Leg um Leg, was letztlich den verdienten 6:3-Sieg und den Finaleinzug sicherte.
Phil Taylor verteidigt Titel
Alle waren startklar, das bestmögliche Finale war Wirklichkeit. Die Nummer eins der Welt, gegen die Nummer zwei. Interessante Randnotiz: Beide Spieler gewannen ihre Partien in den vorherigen Runden immer mit dem exakt gleichen Ergebnis. Dies versprach Spannung, sie schienen gleich gut, zudem war es die Neuauflage des WM-Finals von 2013. Damals siegte Phil Taylor. Michael wollte dieses Mal natürlich einen anderen Ausgang. Einen anderen Ausgang auch als letzten Donnerstag. Denn auch dieses Match gab es in der vergangenen Woche in der Premier League. Phil Taylor gewann das Match 7:4. Ein psychologischer Vorteil? Vielleicht. Phil setzte sich zumindest auf 3:1 ab, was den Saal zum Beben brachte. Superman fragte sich schon, wer denn überhaupt dieser Michael van Gerwen sei. Die Nummer eins der Welt und das bewies er. Er kam unter tosendem Jubel zurück und schaffte den Ausgleich. Es ging dann hin und her, die Anspannung war greifbar, die Stimmung explosiv. Beide holten sich erneut ein Leg, es stand 4:4. Wer würde sich den Titel holen? Phil machte seine Hausaufgaben, behielt erneut sein eigenes Leg. Michael kam dann aber denkbar schlecht in sein eigenes. Sowas darf man sich gegen „The Power“ nicht erlauben, der war eiskalt und siegte schließlich mit einem Treffer in die Doppel-16. Der Saal flog in die Luft, der Jubel war undenkbar laut, Phil Taylor hatte es geschafft. Er hat seinen Titel in Berlin verteidigt, denn vor zwei Jahren, beim letzten Turnier in Berlin, siegte er im Finale gegen Dave Chisnall ebenfalls. 6:4 war also das Endergebnis und auch das Ende eines unvergesslichen Turnieres.
Die German Darts Masters 2014 in Berlin haben unheimlich viel Spaß gemacht, viele Überraschungen dabei gehabt und schließlich einen verdienten Sieger gefunden. Besonders gefielen auch die Faninteraktionen, als man mit den Walk-On-Girls zur Musik des Favoriten auf die Bühne kommen durfte oder ein Leg spielte um die Darts von „Shorty“ Seyler zu gewinnen. Die Darts gingen übrigens in die Niederlande. Die Stimmung war fantastisch, da kann Deutschland locker mit Städten in England mithalten. Es wäre für alle Beteiligten also ein Gewinn, wenn die PDC Europe auch im nächsten Jahr wieder Halt in der Bundeshauptstadt macht und den vielen Fans das schenkt, wonach sie offensichtlich lautstark verlangen: Darts.
Tobias Gürtler
▶ German Darts Masters Tag1