World Grand Prix – die Viertelfinals, nichts für schwache Nerven!
Der fünfte Spieltag barg definitiv das Potential zum Nägel kauen. Denn am heutigen Abend wurden die Viertelfinals ausgetragen und da sollte ein Thriller dem nächsten folgen. Chris Dobey, der gestern in einem hochklassigen Sensationsmatch Michael van Gerwen nach Hause geschickt hatte, würde es heute mit Joe Cullen zu tun bekommen. Hat der gestrige Abend „Hollywood“ völlig ausgepowert oder reichten die Maximalparameter des Adrenalinpegels vom Vorabend aus, um auch den heutigen Abend filmreif zu gestalten? Sein Kontrahent, Joe Cullen fuhr in dessen Achtelfinalmatch einen vergleichsweise unspektakulären Sieg ein. Ihm stand Ross Smith gegenüber, der mehr mit sich selbst zu kämpfen hatte, als mit dem Gegner und so könnte man behaupten, der „Rockstar“ hatte relativ leichtes Spiel.
Diese Partie würde das Schlusslicht des Abends bilden. Davor Luke Humphries gegen Peter Wright. Man durfte relativ gespannt sein, wie der Schotte sich heute Abend präsentieren würde, denn einerseits hat er sich selbst bereits den Titelgewinn vorausgesagt, andererseits avanciert der zweimalige Weltmeister seit geraumer Zeit leider auch immer mal wieder zur leeren „Wundertüte“. Nicht, dass das Paradiesvogel-Outfit nicht zum bunten Glücksknallpäckchen passen würde, aber von einem Dartspieler seiner Güteklasse erwartet man halt auch irgendwann wieder eine gewisse Konstanz. Natürlich will man nicht unfair sein, deshalb muss ich an dieser Stelle konstatieren, dass die Gesundheitssorgen um seine Ehefrau Joanne durchaus Einfluss nehmen. Nur andererseits hat er seinen Triumph für dieses Turnier prognostiziert und da steigt selbstverständlich die Erwartungshaltung.
Dass der Schotte im Achtelfinale den frustrierten Ryan Searle niedergerungen hat, lag zum einen natürlich an Peter Wrights genialen High-Finishes, die ihm nochmal so richtig in die Spur verhalfen, aber es lag zum anderen auch daran, dass Ryan Searle vor dem Match seine gewohnten „Crack Sausage Rolls“ nicht bekommen hatte ... Oder? Es könnte natürlich auch sein, dass sein Frust eher dadurch hervorgerufen wurde, dass der Engländer mehrere 32 Gramm schwere Set Darts am Doppel vorbeifeuerte und dadurch völlig unverhofft den dritten Satz verlor. Die Kunst des „Sports zwischen den Ohren“ ist es, solche Rückschläge umgehend wegzustecken, die Krone zu richten und sofort wieder anzugreifen. Ryan Searle konnte es nicht wegstecken, ließ sich davon eher niederstrecken ,und schon war der Weg zum Erfolg für seinen Gegner geebnet. Auf Peter Wright übte der Satzgewinn naturgemäß den gegenteiligen Effekt aus. Er fand zu alter Brillanz und räumte ab.
Doch gerade der heutige Gegner von „Snakebite“ weist vor allem eine Stärke auf. Er bleibt cool, in jeder Situation. Auf einen plötzlichen Leistungsabfall aufgrund zunehmendem Frustpotential durfte der Schotte bei Luke Humphries somit nicht hoffen. Und der Engländer rückt seinem erklärten Ziel, unter die Top-4 der Oder of Merit zu klettern immer näher. Humphries zeigte sich diese Woche bereits in guter Verfassung und im Gegensatz zu Peter Wright, tat er dies konstant. Somit würde „Cool Hand“ Luke möglicherweise der erste wirkliche Prüfstein für den Paradiesvogel des Darts, nachdem Gabriel Clemens seine Tagesform nicht finden konnte und Ryan Searle seine Tagesform freigiebig über Bord geworfen hatte.
Kein Wurf-Stil wie der andere
Die größte Auffälligkeit des zweiten Matches in diesem Viertelfinale war mit Sicherheit der enorme Kontrast zwischen den zwei Spielweisen derer, die an diesem Abend aufeinandertreffen würden. Unterschiedlicher konnte der Wurf-Stil gar nicht sein. Da ist zum einen Andrew Gilding, der fast mantraartig sein immer gleiches Ritual abspult, bevor er ans Oche tritt und wenn man es nicht besser wüsste, würde man mutmaßen, dass er den Kontrahenten damit einschläfern möchte. Doch was wie Brahms Wiegenlied anmutet, ist halt seine Art und Weise, in den Tunnel zu finden und hochkonzentriert zum Wurf anzusetzen. Dieses Zeremoniell ist einfach nur seine ganz persönliche Gepflogenheit.
Auf der anderen Seite der amtierende Weltmeister Michael Smith, der die Dartpfeile wegschleudert, als wenn für ihn Zielen eine völlig überflüssige Zeitverschwendung wäre. Betrachtet man sein Spiel, so weiß man nicht, warum der Name „Smoothie“ für irgendwelche mehr oder minder geschmacksfrei ausgequetschten Gemüseteile steht, denn der Wurf-Stil des „Bully Boy“ gibt dem Begriff „Smoothie“ erst die rechte Bedeutung.
Die Ansetzung der Matches machte es möglich, dass der Abend bereits mit einem vorgezogenen Höhepunkt beginnen sollte. Im ersten Spiel dieses Viertelfinals würden sich Martin Schindler und Gerwyn Price gegenüberstehen. Nun sind Bilanzen ja normalerweise eher etwas trockenes, doch ein Blick auf die Statistiken der Achtelfinals lässt alle Nüchternheit außer Acht und die Methode der Analyse in ganz neuem Licht erglänzen. Denn hier kann man erstaunliche Fakten erkennen, die das verblüffte Auge schier mit Freudentränen benetzen.
Was die Statistiken der Achtelfinals verraten: Beim 3-Dart-Average ließ es Martin Schindler noch gemütlich angehen. Trotzdem ein respektabler fünfter Platz, besonders wenn man sieht, welche Top-Guns sich hinter ihm einreihten. Beispielsweise Michael van Gerwen auf Rang 9(!) wies einen Average von 87,02 auf. Dabei hatte er ein super spektakuläres Spiel gezeigt, gar zweimal in einem Spiel acht perfekte Darts geworfen, bevor er jedes Mal mit dem Neunten nur am Bullseye gescheitert war. Im Vergleich dazu: Martin Schindler erzielte einen 3-Dart-Average von 88,21. Bei der Check Out-Quote erreichte „The Wall“ gar den hervorragenden zweiten Platz, mit phänomenalen 55%. Vor ihm nur der amtierende Weltmeister, Michael Smith, mit überirdischen 60%. Damit nicht genug: auch in der Liste derer, die mit dem höchsten Finish beider Achtelfinalabende aufblicken ließen, war Schindler (punktgleich mit Joe Cullen, der ebenfalls die 160 auschecken konnte), an zweiter Stelle erfolgreich. Vor den beiden platzierte sich nur Peter Wright, der noch eins draufgesetzt und die 167 rausgenommen hatte. Gut, bei der Anzahl der 180er hat „The Wall“ noch Luft nach oben. Mit drei geworfenen 180ern, teilte er sich Platz acht mit Peter Wright (also in guter Gesellschaft), aber wie der Deutsche immer wieder eindeutig beweist, sind konstante Würfe zwischen 100 und 180 oft wertvoller, als hin und wieder sporadisch plakativ das Triple-20er-Segment voll zu pumpen, dafür aber sonst eher unter der 100 zu bleiben. Denn gerade in dieser Wertung, dem Scoring zwischen 100 und 180 schnitt Martin Schindler genial ab. Mit 38 Aufnahmen 100+ bis einschließlich 180, hatte er die Dreistelligkeit nur einmal weniger erzielt als die beiden Führenden dieser Tabelle: Michael van Gerwen und Stephen Bunting, die beide 39 Mal zwischen 100 und 180 Punkten abräumten. Und das bezeichnende Kriterium ist hierbei, dass die beiden Führenden im Viertelfinale gar nicht mehr dabei sind. So gesehen, d.h. auf die Spieler bezogen, die sich für das Viertelfinale qualifiziert hatten, ist Martin Schindler der mit dem besten Resultat in dieser Sparte! Und in einer weiteren Disziplin ist Martin Schindler sogar in der unbereinigten Liste unangefochtener Leader der Achtelfinalstatistik: bei der Anzahl an High-Finishes, die an den beiden Abenden der Achtelfinals gespielt wurden, steht „The Wall“ (wiederum zusammen mit Peter Wright) an der Spitze. Beide haben im Verlauf dieser Runde jeweils drei High-Finishes und damit so viele wie kein anderer Spieler geschafft.
Und weil es gar so schön war, blicken wir noch mal auf ein paar Zahlen aus dem Spiel gegen Stephen Bunting: denn daraus ergibt sich, dass es vor allem die Konstanz in der Checkout-Quote ist, die Martin Schindler zum Sieg verhalf. Während „The Bullet“ 24 Mal die Chance hatte, ein Leg auszuchecken und davon nur neun Möglichkeiten wahrnahm, versenkte Schindler von 20 Würfen aufs Doppel immerhin elf im Zielfeld. Daraus ergibt sich eine Quote von sagenhaften 55%, während Stephen Bunting in dieser Kategorie gerade mal auf eine Erfolgsquote von 38% zurückblicken kann. Da nutzte dann auch der Vorteil bei den anderen Zahlen nichts mehr. In dem Fall: “Triple is funny, Double makes the victory.”
Dann hatte das Warten ein Ende, endlich ging es los.
Bei vierzehn bislang ausgetragenen Partien gegeneinander war es Martin Schindler bislang erst viermal gelungen, den Waliser zu bezwingen. Heute wollte er auch diese Statistik ein wenig aufhübschen. Der Sieger gegen Raymond van Barneveld und Stephen Bunting fing wie so oft sehr fokussiert an, warf dann aber erstmal fünf Leg-Darts am Doppel vorbei. Price machte es besser, holte das 1:0. Kurz darauf stand es 2:0 für ihn, doch vom Scoring-Verlauf her hätte es auch gut und gerne 2:0 für Schindler stehen können. Doch der hatte seine Leg-Darts jedes Mal liegen lassen, während Gerwyn Price hier cleverer waltete. Das dritte Leg holte sich der „Iceman“ dann relativ souverän. Erster Satz für den dreimaligen Grand Slam-Champion aus Wales.
Auch im zweiten Satz gab sich Gerwyn Price keine Blöße. Der frühere World Grand Prix-Titelträger war aber auch in bezeichnender Form, zeigte so gut wie keine Schwächen. Und seine nahezu perfekten Set-up-Shots ließen bereits vermuten, dass er es heute besonders kurz halten wollte. Gut möglich, dass ihm bewusst war, wie grandios der Deutsche in seinem Achtelfinalmatch nach Satzrückstand gegen einen zu Anfang überlegen aufspielenden Stephen Bunting zurückkam und auftrumpfte. Und so wollte der Waliser heute eventuell dieses Risiko von Beginn an im Keim ersticken. In kürzester Zeit holte sich Price auch Satz zwei. O.k., ein „Eismann“ muss vermutlich auf seine weiße Weste achten und so gab er auch in diesem Set kein Leg ab.
Satz drei und auch jetzt vermochte es Martin Schindler nicht, irgendwie ins Match rein zu finden. Der Wille war weiterhin da, aber Martins Augen hatten hier schon erheblich an Glanz verloren. Als Price schon wieder 2:0 führte, hatte man das untrügliche Gefühl, dass das Ganze nun definitiv zu schnell ging. Wenn man als Zuschauer schon schwindlig gespielt wurde, wie musste sich erst Martin Schindler fühlen?! Nun, der bäumte sich nochmal richtig auf und holte sich nicht nur sein erstes Leg, sondern obendrein ein Break. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie feierte der Strausberger seinen ersten Leg-Gewinn. Gerwyn Price sah es wohl als Kraftverschwendung, darauf zu reagieren und verzog keine Miene. Schindler hatte sogar noch die Chance zum Leg-Ausgleich, aber irgendwie fehlte zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich auch schon der nötige Glaube an sich selbst und so gelang es ihm nicht, lapidare 40 zum 2:2 auszuchecken. Price hingegen ließ sich nicht lange bitten, beendete Leg und Satz und somit auch das Match.
Von welcher Seite man es auch betrachten möchte, man kommt immer wieder zu dem gleichen Ergebnis: Gerwyn Price war seinem deutschen Gegner heute einfach nur überlegen. Somit 3:0 und der Halbfinaleinzug des walisischen Ex-Weltmeisters, der mittlerweile der einzige verbliebene Spieler ist, der den World Grand Prix schon einmal gewinnen konnte. Ob er sich Andrew Gilding oder Michael Smith als nächsten Gegner wünsche, mache für ihn keinen Unterschied. Viel wichtiger war für den „Iceman“ da schon, dass seine Familie am Wochenende auch endlich vor Ort sein würde.
Martin Schindler kann trotz alledem erhobenen Hauptes aus diesem Turnier herausgehen. Er hat Historisches geschafft, und das kann ihm keiner mehr nehmen. Im Gegenteil, es war der nächste Schritt in die richtige Richtung.
Der amtierende Weltmeister hat es eilig
Dann das Duell Michael Smith gegen den tiefenentspannten Andrew Gilding. Man mag es nicht glauben, aber auch da sieht die Bilanz überraschend aus: bislang acht Siege und nur fünf Niederlagen für „Goldfinger“ gegen Michael Smith. Sollte mit dem „Bully Boy“ das nächste prominente Opfer von Andrew Gilding zur „Schlachtbank“ geführt werden?
Nun, Michael Smith hatte ganz andere Sorgen als eine Negativbilanz hinsichtlich seines heutigen Gegners. Bei seinem Lieblingsverein, dem Rugby Club von St. Helens stand heute ein wichtiges Spiel an, deswegen war es dem Weltmeister wichtig, so schnell wie möglich der Achtelfinal-Bühne den Rücken zu kehren. Vorzugsweise als Sieger.
Andrew Gilding, der erzählte, dass er nach seinem diesjährigen Sieg bei den UK Open das erste Mal ein kleineres Häuschen beziehen konnte, ist und bleibt eine Erscheinung. Ohrenbetäubend leise, auffallend unscheinbar und auch ein wenig skurril in seinem Auftreten – man muss ihn mögen. Einer, der es immer versteht, Wirkung bei seinen Kontrahenten zu hinterlassen.
Obwohl der erste Satz keineswegs einseitig war, denn beide punkteten anständig, begannen beide sehr verhalten. Alles in allem kämpfte „Goldfinger“ jedoch mit der größeren Streuung und so holte sich der amtierende Weltmeister das erste Set standesgemäß mit 3:1. Eine Gemeinsamkeit zeichnete die beiden Akteure bei aller sonstigen Unterschiedlichkeit aber dann doch aus: die Doppel-20 als favorisiertes Segment, um ins Leg zu kommen.
Im zweiten Satz wäre Gilding beinah das High-Finish (160) gelungen, das sein Spiel eventuell etwas gewürzt hätte, doch er scheiterte am letzten Doppel. So war es wiederum Michael Smith, der mit smoother Eleganz hintereinander Leg eins und zwei holte, bevor er auch das dritte eintütete. Damit ging Satz zwei natürlich ebenfalls an den „Bully Boy“.
Wie im vorausgegangenen Set fehlte „Goldfinger“ auch in Satz drei das Scoring, Smith ging mit 1:0 in Führung. Dann eine kurze, ach nein, was sage ich, eine minimale Schwächephase vom „Bully Boy“, und Andrew Gilding holte sich das Break zum 1:1. Das wirkte wie ein kleiner Weckruf, Gilding bestätigte das Break und ging mit 2:1 ins Führung. Doch damit war der Weckton auch schon wieder ausgeklungen und Michael Smith setzte seinen Siegeslauf fort. Wie wir wissen, hatte der ja heute auch noch was vor und es daher besonders eilig. 2:2 und es ging ins fünfte Leg. Fast im Synchronschritt lief beider Grafik nach unten, daher galt es für Smith jetzt wirklich Ernst zu machen. Ein Pfeil auf die Doppel-18 musste es richten und der genügte letztendlich auch, um das Vorhaben „Halbfinale“ im Schnellverfahren einzuläuten. Andrew Gilding quittierte mit verbindlichem Lächeln und Michael Smith konnte endlich lossausen, um sich auf seine andere große Leidenschaft, den St.Helens Rugby Club zu konzentrieren.
Ein würdiges Line-up für das Halbfinale
In jedem Fall erwartet uns damit auch morgen ein spannendes Line-up, wenn Gerwyn Price den amtierenden WM-Champion zum Tanz der Pfeile bittet. Beide haben ihre Viertelfinalgegner heute mit 3:0 gefrühstückt.
Auch das dritte Spiel des Abends hatte es in sich. Genau wie im Match Smith/Gilding vorher, präsentierten sich hier zwei Spieler mit relativ unterschiedlichem Wurf-Tempo. Wer würde den anderen eher aus seinem Rhythmus bringen? Wobei man bei Peter Wrights Auftritt kurz geneigt war, anzunehmen, das Outfit des Schotten würde den Job übernehmen und den Kontrahenten in hypnotische Trance versetzen. Zumindest muteten einige Verwirbelungen auf seinem Shirt leicht sedierende Wirkung an.
Im Vorfeld fand Luke Humphries nur respektvolle Worte über Peter Wright, der einer der wenigen Spieler ist, gegen den „Cool Hand“ Luke insgesamt immer noch eine Negativ-Bilanz hat. Trotzdem kam man nicht umhin, zu glauben, dass Luke Humphries heute Abend eine Spur mehr zu favorisieren war. Einfach aufgrund seiner unbeirrbaren Konstanz.
Wie auch immer, trotz aller gegenseitiger Hochachtung würden beide jeweils versuchen, den anderen zu zermürben. Beide begannen hochklassig. Tolles Scoring, kontinuierliches Herunterspielen der Legs mit sicheren Checkouts. Der Schotte mit leichtem Vorteil im Average, schon hautnah an der 100 dran, ließ sich den ersten Satz, den Humphries begonnen hatte, nicht nehmen und ging 1:0 in Führung. Es war die Checkout-Quote, die hier den Unterschied gemacht hatte. Im zweiten Satz holte jeder seinen Anwurf. Peter Wright konnte es mit Gelassenheit nehmen, denn er wusste, in diesem Set brauchte der Engländer das Break. Das schaffte der aber nicht, und so holte sich „Snakebite“ mit bezeichnend cooler Hand agierend auch Satz zwei.
Von Luke Humphries kam einfach zu wenig, während Peter Wright bis dahin ganz routiniert sein Spiel durchzog. Es war bei weitem nicht fehlerfrei, auch nicht überdimensional großartig, was der Schotte da ans Board pfefferte, aber er konnte Fehler ausmerzen und war da, wenn es notwendig wurde. Vor allem aber gelang es „Snakebite“, beim Anwurf von Humphries immer wieder Druck auszuüben, während der Engländer bei Wrights Anwürfen leicht abzuschütteln war. Die Hoffnung auf die Wende im vierten Leg des dritten Satzes: Humphries schien endlich auf dem Weg in seinen Flow angelangt zu sein, griff zum ersten Mal den Anwurf von Peter Wright an und schaffte das Break. Da „Cool Hand“ Luke das Set begonnen hatte, bedeutete dieser Leg-Gewinn auch den Satzgewinn. Anschluss zum 1:2.
Im vierten Satz wieder das gewohnte Bild: Peter Wright holte sich sein Leg und griff im Anschluss gleich mal den Anwurf vom Engländer an. Doch diesmal reagierte Humphries gewiefter, checkte die 139 aus und verhinderte so die feindliche Übernahme seines Legs. Das schien ihm den entscheidenden „Push“ gegeben zu haben, denn bereits im nächsten Leg schaffte Luke das erste Break gegen den heute so souverän auftretenden ehemaligen Doppelweltmeister. Und der zeigte weltmeisterlich, dass er gleich das Re-Break holen kann. Ausgleich 2:2. Das fünfte Leg entschied, ob Luke Humphries im Match bleiben sollte oder Peter Wright zum Sieg gratulieren musste. Luke Humphries vergab drei Set-Darts, Peter Wright ebenso viele Match-Darts. Humphries bekam nochmal die Chance, nutzte sie und Peter Wright wischte sich die Schweißperlen von der Stirn.
Ausgleich in Sätzen 2:2. Nachdem der Engländer bereits 2:0 in Sätzen zurückgelegen hatte und es lange nach einem souveränen Sieg von „Snakebite“ aussah, war das Match plötzlich wieder auf Anfang gestellt. Es hatte lange gedauert, bis Luke Humphries überhaupt in diesem Viertelfinale angekommen war, aber jetzt war er mittendrin. Es war inzwischen ein nervöses Spiel von beiden. Im fünften Satz war es jedoch zeitweise so, als wenn Luke Humphries spielte und Peter Wright kämpfte. Aber auch mit Kampf kann man Legs gewinnen und so stand es schließlich auch 2:2 in Legs. Die Spannung war mit Händen zu fassen, an Drama nicht mehr zu überbieten. Das alles entscheidende fünfte Leg des fünften Satzes würde die Entscheidung über Sieg und Niederlage bringen. Doch schlussendlich konnte man einen Decider nicht besser spielen als Luke Humphries und leider auch kaum schlechter als Peter Wright. Hatte der Engländer noch Minuten vorher drei Match-Darts gegen sich gehabt, so hielt er nun selbst drei Match-Darts in den Händen. Und obwohl dieses Spiel eigentlich keinen Verlierer verdient hatte, hieß der Gewinner des epischen Matches, dessen hochdramatische Momente einem den Atem geraubt hatten: Luke Humphries. Das war definitiv kein Spiel für schwache Nerven. Ein völlig überwältigter Luke Humphries fand kaum Worte für das Sieger-Interview.
Zwei Masters-Champions im Kampf um das letzte World Grand Prix Halbfinal-Ticket
Das letzte Match des Abends wurde zwischen dem Masters Champion 2022, Joe Cullen und dem Masters Champion 2023, Chris Dobey ausgetragen. Und auch wenn man das Gefühl hatte, die eigenen Herzkranzgefäße konnten unmöglich noch weitere Aufregung ertragen, freute man sich dennoch auf das kommende Duell. Insbesondere weil uns allen noch die Bilder des gestrigen Abends in Erinnerung sind, als Chris Dobey das unmöglich Scheinende möglich gemacht hatte und dem sechsfachen World Grand Prix-Sieger Michael van Gerwen die Hoffnung auf den siebten Titel stahl.
Wie so oft begann Chris Dobey auch heute zurückhaltend, ließ im ersten Satz Joe Cullen unfreiwillig den Vortritt und der bedankte sich mit Satzgewinn und einer zu Null Leg-Klatsche. Zweiter Satz: Der „Rockstar“ gewann sein viertes Leg in Folge. Dobey schien noch nicht im Match angekommen. Höchste Zeit, sich das erste Leg zu holen – diese Pflichtaufgabe erfüllte „Hollywood“ im nächsten Leg. Es war allerdings nur sein Anwurf und er wusste, er würde in diesem Satz ein Break benötigen. Gut, auch gestern hatte der Engländer einen Gegner, der einen Sahnetag zu haben und uneinholbar auf der Siegerspur zu sein schien. Nun war Chris Dobey aber zwischenzeitlich offenbar ein Meister des unbeeindruckt-Bleibens und dementsprechend holte er nicht nur besagtes Break, sondern bestätigte dies im Anschluss auch noch. Damit Ausgleich in Sätzen zum 1:1.
Wer würde im Halbfinale der Gegner von Luke Humphries werden? Zu diesem Zeitpunkt noch völlig offen. Im dritten Satz fand Joe Cullen in die Spur zurück, holte sich das Break im ersten Leg. Doch Dobey absolvierte die für ihn typischen Schulter-Stretching-Übungen (vielleicht das Pendant zum Socken-Hochziehen bei „MvG“), und nahm sich das Re-Break. Im dritten Leg des dritten Satzes dann die erste 180 von „Hollywood“, die Leg-Führung zum 2:1 folgte auf dem Fuße, dann ein weiteres Break und Dobey baute auch in den Sätzen das 2:1 Lead aus.
Man merkte einfach, dass, egal was passiert, Chris Dobey vertraut auf seine eigenen Fähigkeiten und bleibt geduldig. Das hatte sich ausbezahlt. Doch Cullen wusste, wie man zurückschlägt. Eine kurze Schaffenspause hatte er hinter sich gelassen und sackte gleich mal die ersten zwei Legs ein. Chris Dobey schloß auf zum 2:1, hatte auch die Chance auf den Ausgleich in den Legs, verpasste die aber, und so war es Joe Cullen, der den vierten Satz für sich entschied. Daher verlangte auch dieses Match einen entscheidenden fünften Satz.
Das erste Leg wollte keiner so wirklich mitnehmen, bis Chris Dobey die Faxen dicke hatte und doch zuschlug. Allerdings war es auch sein eigener Anwurf und so gesehen kein allzu großes Kunststück. Auch der „Rockstar“ brachte seinen Anwurf durch, nicht ganz so fragil zögerlich, aber auch nicht optimal. Auch dieses Decider-Set präsentierte nervöses Spiel auf beiden Seiten. Keiner von beiden konnte an seine gestrigen Leistungen anknüpfen. Doch Joe Cullen war der erste, der wieder vernünftiges Scoring zeigte und inzwischen vor allem eine hervorragende Checkout-Quote aufwies. Damit schaffte er das Break zum 2:1. Er musste nur noch sein eigenes Leg durchbringen und würde ins Halbfinale des World Grand Prix einziehen. Der Wurf aufs Bullseye sollte die Entscheidung bringen. Und dieser Pfeil landete präzis im kleinsten Checkout Feld des gesamten Boards. Die 121 mit 20, Triple-17, Bullseye ausgescheckt – der „Rockstar“ hatte sich sein höchstes Checkout für den Schluss aufgehoben und damit das letzte Halbfinal-Ticket gezogen.
Im abschließenden Spiel der Viertelfinalrunde sah man keinen überlegenen Akteur, eher zwei gleichwertige Kontrahenten, es war kein spektakulär hochkaratiges Match, aber definitiv ein spannender Kampf bis zum Ende.
Am Ende sind wir nur für heute, denn morgen geht`s weiter und zwar mit den Halbfinals. Langsam aber sicher wird es ernst. Nur einer der verbliebenen Spieler konnte den Siegerpokal des World Grand Prix schon entgegennehmen: der Waliser Gerwyn Price. Ansonsten hätten wir drei potentielle englische Debütanten für das oberste Siegertreppchen. Morgen entscheidet sich also, wer am Sonntag im Finale steht. Spannung pur, daher für heute: stay bright, nice flight!