World Cup of Darts 2025: 80 Spieler waren zur Team-WM nach Frankfurt gereist, davon waren noch acht übrig, unter anderem auch die beiden Deutschen
Einst wurde „Deutschland, ein Sommermärchen“ zum geflügelten Wort, damals bezog sich die Redewendung noch auf den Fußball. Heute Abend hatten Ricardo Pietrezcko und Martin Schindler die Möglichkeit, für Deutschland das „Darts-Sommermärchen“ zu schreiben. Dafür galt es jedoch, zunächst erst einmal das Halbfinale zu überstehen. Übersetzt hieß das für die Deutschen, nach England und Australien, nun auch Nordirland in die Schranken zu verweisen. Nordirland war dieses Jahr zum ersten Mal ohne Brendan Dolan am Start, das war ein absolutes Novum. Aber ebenso wie bei den Niederländern, die erstmals mit Danny Noppert (zum vierten Mal dabei) und dem World Cup Debütanten Gian van Veen antraten, entwickelte sich auch beim Team aus Nordirland, (in der 15. Auflage des PDC World Cups vertreten durch Daryl Gurney und Josh Rock), offensichtlich eine veritable Erfolgsstory. Im zweiten Halbfinale würde die Niederlande auf das kurzfristig zum Topfavoriten erklärte Wales treffen, es war in der Tat Deutschland gewesen, das die Waliser auf den Spitzenplatz im Favoriten-Ranking katapultiert hatte. Den Beginn am heutigen Finalabend machten in jedem Fall Deutschland und Nordirland.
„A very warm welcome back to amazing Frankfurt, Germany!“
Wie immer begrüßte John McDonald alle, die dem Event der Professional Darts Corporation beiwohnten: „Ladies and Gentlemen! For the thousands joining us live and the millions joining us around the world – it`s tiiiiiiiiiiiiiiiiime to meet the semi-finalists.“ Und dann rief der „Master of Ceremonies“ sie auf die Bühne: die Vertreter aus Nordirland „and the players representing the host nation Germany“. In den Halbfinals wurde ein letztes Mal im Best-of-15-Legs Modus gespielt, ein letztes Mal genügten acht gewonnene Legs, um als Sieger von der Bühne zu gehen.
Nordirland hatte das Ausbullen für sich entschieden, startete mit der 137 und bereits der insgesamt 14. Dart landete in der Double-20, schon hieß es 1:0 für die Gäste. Im zweiten Durchgang fanden die Deutschen lediglich viermal den Weg in ein Triple-Feld, davon war eines obendrein die Triple-1. Zu allem Überfluss verirrten sich außerdem zwei weitere Pfeile ins einfache Einser-Segment, mehr Spielraum konnte man den Kontrahenten nun wirklich kaum bieten. Die Nordiren waren zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht sonderlich zügig unterwegs, aber wenn man so viele Aufnahmen gewährt bekommt, nutzt man dann halt schließlich auch die offerierten Möglichkeiten. Beim sechsten Gang ans Oche hatte Nordirland gar die Gelegenheit, das 160er-Finish quitt zu werden, doch nach zwei Treffern in der Triple-20, segelte der dritte widerspenstig ins Aus. Deutschland erlaubte den Gegnern eine weitere Aufnahme, um auch die verbliebene Restsumme von 40 Zählern zu begleichen. Hierbei traf der erste Pfeil allerdings nicht in die Double-20, sondern in die Double-5. Ja, es war das falsche Doppel, aber keine Katastrophe. Den nächsten Wurf navigierte Josh Rock in die Double-15, damit hatte er die vorausgegangene Misslichkeit umgehend korrigiert und das Break eingetütet, 2:0. Obgleich Nordirland die ersten zwei Legs unangefochten gewonnen hatte, war es bis dahin eher ein holpriger Gang gewesen, das änderte sich ab dem nächsten Leg. Hier hatten Daryl Gurney und Josh Rock plötzlich den 13-Darter zur Hand: 81 – 140 – 140 – 100 – 40, mit dem sie das zuvor errungene Break absicherten und auf 3:0 erhöhten. Im vierten Durchgang verpasste Deutschland das Bullseye-Finish, beim Versuch, die 86 herauszunehmen, schrammte der Pfeil am mittigen Segment haarscharf vorbei und landete im Single Bull. Für die verbliebene 25 sollte die Gastgebernation keine Gelegenheit mehr bekommen, denn Nordirland, die zuvor das 104er-Checkout verpasst hatten, wischten 20 Restpunkte vom Board und bauten ihre Führung auf 4:0 aus. Das fünfte Leg begannen die Nordiren mit der 180, auch Deutschland hatte in diesem Durchgang das Maximum zur Verfügung, aber den alles in allem 16. Pfeil brachte Josh Rock in der Double-16 unter, damit war auch das 5:0 besiegelt. Den sechsten Durchgang startete Deutschland mit Anwurf. Gegenüber hatte der Gegner hier erneut mit der 180 losgelegt, doch diesmal konnten Martin Schindler und Ricardo Pietrezcko den 14-Darter entgegensetzen: 140 – 96 – 133 – 92 – 40, damit war auch Deutschland endlich auf der Leganzeigentafel gelandet, 1:5. Trotzdem wollte nicht allzu viel Hoffnung aufkommen, denn Nordirland fand einfach auf alles eine Antwort. Im siebten Leg packten Daryl Gurney und Josh Rock den 13-Darter aus und unterboten damit nochmal die Wurfanzahl ihrer Konkurrenten: 100 – 100 – 180 – 89 – 32. Ehe man sich versehen hatte, war der Zwischenstopp erreicht und Nordirland führte mit 6:1. Jetzt brauchte man für das Sommermärchen auch noch das entsprechende Wunder. Aber weder das Leben noch der Dartsport ist ein Wunschkonzert und so verschleuderten die Deutschen im achten Durchgang die nächsten beiden Checkout-Möglichkeiten. Das Team Gurney / Rock hatte zwischendurch das 108er-Finish liegengelassen, hier waren 32 Punkte stehen geblieben. Ein weiteres Mal war es der 16. Wurf, der seinen Weg ins anvisierte Doppelfeld fand, diesmal in die Double-16. Im neunten Durchgang brauchte Nordirland zwar gleich fünf Versuche, um 40 Restpunkte zu tilgen, aber schließlich hatte man ja auch die Zeit dazu. Deutschland zunächst noch auf der 207, konnte lediglich weitere 85 Zähler subtrahieren, bevor man auf der 122 verharrte. Josh Rock tauchte den abschließenden Dart in die Double-10 ein, was bedeutete, dass das deutsche „Darts-Sommermärchen“ ausgeträumt war. 8:2 für die Nordiren, die endgültig im Finale angekommen waren. Für Martin Schindler und Ricardo Pietrezcko war die Reise beendet. In Erinnerung bleiben wird dennoch ein bravourös erkämpfter Sieg gegen Australien und eine sensationelle Machtdemonstration gegenüber der auf dem Papier weltbesten Paarung aus England.
Heißblütig und zugleich mit eiskalter Nervenstärke, tiefenentspannt, unaufgeregt und introvertiert, bodenständig und einfach nur nett – all diese Attribute fanden sich zur gleichen Zeit auf der Bühne ein
Die Niederländer wurden nicht müde, einander mit Freundschaft, Wertschätzung und Komplimenten zu überschütten, beide betonten immer wieder aufs Neue wie hundertprozentig perfekt sie sich ergänzen würden. Und so konnte Gian van Veen auch nicht anders, als immer wieder mantraartig zu wiederholen: „As I said yesterday and the day before and the day before that, I`m really proud to be here with Danny.“ Auch die Waliser waren natürlich hochzufrieden, im Halbfinale zu stehen und Gerwyn Price unterstrich, dass sowohl er wie auch Jonny das Gefühl hatten, noch einiges im Tank zu haben. Wales ist zweifacher World Cup of Darts Sieger, sie konnten 2020 und 2023 triumphieren und beide Male lautete die Team-Zusammensetzung: Gerwyn Price und Jonny Clayton. Die Niederlande hatte sich sogar schon dreimal zum Champion gekrönt, (2014, 2017, 2018), hier waren es Michael van Gerwen und Raymond van Barneveld, die den Titel für ihr Land einheimsten. Und diese Marke von „Barney and MvG“ wollten dieses Jahr auch Jonny Clayton und Gerwyn Price erreichen, das hatten sie sich ausdrücklich zum Ziel gesetzt. Dazu war es heute Abend aber erst einmal notwendig, die Niederlande zu bezwingen. Sowohl Jonny Clayton wie auch Gerwyn Price mussten eingestehen, dass es nicht leicht sein würde, da die neue Paarung bislang extrem hohe Qualität an den Tag gelegt hatte. Aber auch Wales hatte am Nachmittag ein formidables Niveau präsentiert, da brauchte sich wirklich keiner zu verstecken.
Und die Niederlande machte von Anfang an viel Dampf. Wales hatte zwar das Ausbullen gewonnen, aber Danny Noppert und Gian van Veen begaben sich gleich zu Beginn auf den Weg, um das 160er-Finish herauszunehmen. Sie kamen dem Ziel auch sehr nah, aber nach zwei Treffern in der Triple-20, rauschte der dritte nur ins Nirgendwo. Wales verpasste jedoch seinerseits das 112er-Checkout, hier landete der letzte Pfeil statt in der Double-20, nur im einfachen Segment desselben Wertes. Für die verbliebene 20 kamen sie nicht nochmal dran, denn auf der anderen Seite traf man mit dem insgesamt 16. Wurf in die Double-20. Break zum 1:0, die Niederlande ging vorneweg. Im zweiten Leg verhinderte lediglich Tops das „Shanghai Finish“ der Niederländer, so bekam Wales seine Chance aufs direkte Re-Break. Aber die Waliser verschleuderten einen Breakdart, eine weitere Möglichkeit sollten sie nicht bekommen. Gegenüber manövrierten die Spieler aus der Oranje Monarchie den abschließenden Versuch in die Double-10, sie hatten ihren Anwurf über die Ziellinie gerettet und das zuvor errungene Break bestätigt, 2:0. Die Niederlande hatte im dritten Leg alle Chancen, gar auf 3:0 zu erhöhen, aber Danny Noppert ließ einen und Gian van Veen gar drei Breakdarts liegen. Vier Pfeile am anvisierten Doppel vorbei, das war einer zu viel. Die Waliser, die sich in diesem Durchgang ebenfalls unglaublich schwer getan hatten, konnten das Elend irgendwann nicht mehr mit angucken und versenkten ihren zusammenaddiert 24. Pfeil in die Double-2. Damit stand es statt 3:0 für Niederlande, jetzt lediglich 2:1 für Gian van Veen und Danny Noppert, nun waren Jonny Clayton und Gerwyn Price im Spiel angekommen. Wobei es am Abend eher Gerwyn Price war, der hier seine Anlaufschwierigkeiten gehabt hatte, in diesem Halbfinale war Jonny Clayton der aufgeräumte Katalysator des Teams. Doch zunächst waren erstmal wieder die Niederländer am Zuge, mit 16 Treffern brachten sie im vierten Durchgang ihr begonnenes Leg nach Hause, 3:1. Im fünften Leg schrammte der dritte Pfeil nur um Haaresbreite am Bullseye vorbei, als man versuchte, sich des 130er-Finishs zu entledigen. Die verbliebene 25 blieb stehen, denn auf der anderen Seite brachten die Waliser ihren Anwurf über die Ziellinie, 2:3. Danny Noppert und Gian van Veen hatten im sechsten Durchgang den 14-Darter zur Hand: 100 – 121 – 81 – 125 – 74, und bauten ihren Vorsprung wieder aus, 4:2. Nur einen Wurf mehr brauchte Wales im siebten Leg, um den Anschluss wieder herzustellen, 3:4. Etwas zähflüssiger gestaltete sich Leg Acht: die Niederländer machten den entscheidenden Fehler weniger, verhinderten so abermals das Break und es stand 5:3. Doch etwa ab diesem Zeitpunkt fand Wales zu altem Selbstvertrauen zurück und legte mehr Entschlossenheit an den Tag. Die Niederlande verweilte im darauffolgenden Leg noch auf der 208, da bugsierte Jonny Clayton den 13. Pfeil ins Single Bull, den 14. in die einfache Neun und den 15. in die Double-16. Die Restforderung von 66 Zählern war beglichen und Wales verkürzte auf 4:5. Und im zehnten Durchgang packten die Waliser den optimalen Set-up-Shot (128) aus, mit dem sie sich die 24 stellten. Den Restbetrag radierten sie beim nächsten Gang ans Oche aus, nachdem die Gegner zuvor zwei weitere Checkout-Darts verschenkt hatten. Es war das Break, das Wales den Ausgleich bescherte, 5:5. Das Momentum hatte sich gedreht und das Pendel schlug jetzt eindeutig Richtung Wales. Jonny Clayton und Gerwyn Price waren mittlerweile endgültig in ihrem Flow angekommen, im elften Leg zogen sie den 13-Darter aus dem Köcher: 140 – 100 – 140 – 81 – 40. Nachdem sie das ganze Spiel über immer einem Rückstand hinterhergelaufen waren, gingen die Waliser nun zum ersten Mal in diesem Halbfinale in Front, 6:5. Es war eine Führung, die sie nicht mehr herzugeben gedachten, denn auch in Durchgang Zwölf schnappten sie den Niederländern deren Anwurf vor der Nase weg. Beim Versuch, 60 Restzähler quitt zu werden, hatte das Team Noppert / van Veen seine Würfe lediglich zweimal in die einfache 20 gelenkt und einmal in die einfache 15. Das ergab fünf Restpunkte, nichts, womit man angeben konnte. Gegenüber hatten sich die Waliser mit der 98 die 28 gestellt, den 16. Wurf manövrierten sie in die Double-14, daraus resultierte das neuerliche Break zum 7:5. Und im 13. Leg fegte Gerwyn Price 100 Restzähler vom Board. Für dieses High Finish hatte er einen Pfeil in der einfachen 20 untergebracht und gleich zwei Darts versenkte er in der Double-20 – das war doch mal wieder ein Matchabschluss nach seinem Geschmack! Nach dem 3:5-Rückstand hatte Wales fünf Legs in Folge eingetütet und so den Einzug ins Finale klargemacht, 8:5.
Niederlande hat zwar verloren, im Hinblick auf das gesamte Turnier hin, konnte man sich dennoch durchaus erhobenen Hauptes verabschieden. Gian van Veen und Danny Noppert hatten hier wiederholt eine grandiose Team-Leistung ans Board gezaubert. Obgleich Gerwyn Price, der sich auch in diesem Spiel an der akustischen Unterstützung aus dem Saal erfreuen durfte – immer wieder skandierte das Frankfurter Publikum seinen Namen, – gerade zum Ende hin jenes stylishe Finish mit 20, Tops-Tops zutage gefördert hatte, bekannte er im späteren Verlaufe des Abends, dass er schlecht gespielt habe, weil er aufgrund seiner möglichen oder auch nicht möglichen Qualifikation zum Grand Slam nervös gewesen sei: „That`s why we, no, that`s why I played rubbish.“ Ich würde sagen, gerade noch die Kurve gekriegt.
Das Finale nach einer kurzen Pause.