Andy Fordham
Andy Fordham

Andy Fordham
Neustart mit neuen Darts

Manche Darter sind als Tüftler bekannt, die ständig die Form des Barrels, der Länge der Schäfte oder der Größe der Flights optimieren. Weitere, wie zum Beispiel Peter Wright, haben überhaupt kein Problem damit, ihr komplettes Equipment auszutauschen, und das sogar während eines Turniers.

Anderen wiederum sind ihre Darts so heilig wie einem Snooker-Spieler der Queue oder einem Kricketspieler der Schläger. Die Sorge über den Verlust ihres Sportgeräts lässt sich mit dem Begriff „Trennungsangst“ nicht mal ansatzweise beschreiben. Andy „The Viking“ Fordham, der BDO-Weltmeister des Jahres 2004, gehört zu diesen Spielern. Nachdem er mehr als drei Jahrzehnte lang mit demselben Set gespielt hat, wechselt dieser äußerst sympathische Darts-Profi sein Equipment. Und das ist natürlich mit Abschiedsschmerz verbunden.

Ich treffe Andy an einem grauen Vormittag Ende Januar. Wir haben uns über SMS und E-Mail verabredet, um über seine neuen Winmau-Darts zu reden. Wie vereinbart rufe ich ihn an, als ich am Bahnhof von Charlton eintreffe und fünf Minuten später holt er mich ab. Es kommt einem schon ein bisschen komisch vor, wenn ein Darts-Weltmeister, eine Legende gar, die Fensterscheibe von seinem Auto herunterlässt und ruft: „Hey Kumpel, steig ein!“, doch genau das ist passiert.

Kurz darauf sitzen wir in einem netten, ruhigen Pub im Süden Londons, selbstverständlich, und wie könnte es anders sein, ganz in der Nähe eines Dartboards. „In diesem Pub lernte ich vor 38 Jahren meine Frau Jenny kennen“, erzählt Andy. „Sie saß dort drüben.“ Mit einer Kopfbewegung deutet er auf einen Platz am Tresen. „Damals war ich so eine Art Biker, meine Kumpel und ich trafen uns meist hier. Sie sagte mir was Nettes über ein Körperteil, auf dem Biker für gewöhnlich die meiste Zeit herumsitzen!“

Nachdem wir mit Getränken versorgt sind – ein alkoholfreies Bier für Andy – packt er zwei Darts-Sets aus. Bei dem ersten handelt es sich um ein total abgenutztes Set aus kurzen Darts mit tropfenförmigen Barrels. Das andere ist eindeutig nagelneu.

„Ich habe mit dem Dartspielen angefangen, als ich 19 oder 20 war“, meint Andy, während er mit den alten Darts herumfuchtelt. „Ich war eigentlich ein ganz guter Fußballer. Nach Spielen und dem Training spielten wir immer Darts im Hotel Angerstein in East Greenwich.“

„Irgendwann fehlte dem Darts-Team ein Spieler und sie fragten mich, ob ich nicht einspringen könnte, was ich auch tat. Ich war zwar grottenschlecht, doch seitdem hat mich das Spiel nicht mehr losgelassen. Ich konnte nicht genug davon bekommen und spielte eigentlich ununterbrochen. Sogar in der kleinen Wohnung, in der Jenny und ich damals hausten. Sie vor dem Fernseher und ich im selben Zimmer an der Scheibe, wo ich einen Dart nach dem anderen warf – wupp, wupp, wupp. Es machte sie wahnsinnig“, erzählt Andy mit einem Schmunzeln.

Trotz dieser ungünstigen Startvoraussetzungen fand Andy damals recht schnell zu seinem Spiel und zur Form, die ihn zum Gewinn der „Winmau World Masters“ und der BDO-Weltmeisterschaft tragen sollte, nicht zu vergessen die unzähligen anderen Turniersiege und Titel.

Doch was ist denn nun mit den Darts – also jenen, mit denen Andy weiterhin vor meinem Gesicht herumwedelt? „Ich bekam zu meinem 21. Geburtstag ein Set geschenkt, doch bei einem der Pfeile brach die Spitze ab. Ich war gerade in Wolverhampton und spielte dort ein Ligaspiel für Kent – das ist jetzt etwa 35 Jahre her – und entdeckte an einem Wohltätigkeitsstand ein Darts-Set. Ich kaufte sie für drei Pfund. Mein erster Gegner war Steve Parks, ein Schotte, der auch international spielte. Im ersten Leg warf ich einen 13-Darter und seitdem waren das meine Darts.“

Ich zweifele keinen Moment an dieser Geschichte – Andy ist einer der ehrlichsten Menschen, die mir jemals begegnet sind – und eine nähere Begutachtung der Darts bestätigt seine Worte. Sie fühlen sich stellenweise fast schon weich an und die Barrels sind mit Beulen und Kratzern übersät – Kampfspuren aus tausenden Spielen.

„Ich weiß noch nicht einmal, wie der Hersteller heißt“, meint Andy. „Viele Jahre lang habe ich verzweifelt versucht, ein weiteres Set wie dieses zu finden, leider erfolglos. Sie haben mal 21 Gramm gewogen, doch in den letzten 30 Jahren habe ich sie auf 18 Gramm heruntergerockt.“

Ich weiß, es hört sich jetzt sentimental an, doch in einem Pub zu sitzen und einer Legende dabei zuzusehen, wie er dabei ist, sich von den Darts zu trennen, mit denen er die Weltmeisterschaft gewann, hat etwas ziemlich Frustrierendes. Ich denke darüber nach, dass Andys Beziehung zu seinen Schnäppchenpreis-Darts derart innig sein muss, dass er sie nie aus den Augen lässt.

Als ich meinen Gedanken laut äußere, bin ich von seiner Reaktion überrascht. Er bricht in schallendes Gelächter aus. „Machst du Witze?! Ich lasse sie manchmal im Dartboard stecken oder auf dem Tisch liegen, stundenlang, oder ich werfe sie in die Ecke, wenn ich ein Spiel verloren habe“, behauptet er. „Mich überrascht es sehr, dass sie noch nie gestohlen worden sind und wenn es jetzt passieren würde, wär es mir egal.“

Doch warum will Andy jetzt, nach den ganzen Erfolgen, die Darts austauschen, die einen wesentlichen Anteil an seinen Erfolgen und dem Verlauf seiner Karriere in den letzten 40 Jahren hatten? „Leider haben meine alten Darts ihre besten Tage hinter sich“, sagt Andy. „Sie sind nicht mehr gleich schwer und der Grip hat sich aufgelöst. Chris White, einer meiner Sponsoren, meinte zu mir, dass es eigentlich verrückt sei, mit einem Set Darts durch England und Europa zu reisen.“

Bei unserem zweiten Drink wird mir unweigerlich klar, wie schwer Andy die Entscheidung gefallen sein muss, auf seine bewährten Darts zu verzichten. Gedankenverloren sitzt er am Tisch und fummelt an ihnen herum, nimmt sie hoch und legt sie wieder auf den Tisch.

Einen Profi mit Ersatzdarts zu versorgen, muss eine ziemlich beängstigende Aufgabe sein. Hier sitzt ein Spieler, für den die eigenen Darts viel mehr als nur ein Teil der Ausrüstung sind. Andy wandte sich an Winmau, seit 12 Jahren sein Hauptsponsor, und stellte die Tüftler dort vor eine große Herausforderung. „Ich hatte in den vergangenen Jahren immer mal wieder Kontakt zu anderen Darts-Herstellern, doch ich bin Winmau stets treu geblieben. Sie sind wie eine Familie. Als ich ihnen sagte, dass ich neue Darts bräuchte, wollten sie diese exakt so konstruieren, wie ich sie haben wollte.“

Schließlich legt Andy seine alten Darts ganz sanft und genau parallel zueinander auf den Tisch und nimmt das andere, neue Set in die Hand. Obwohl es sich um ganz andere Darts handelt, sind die Ähnlichkeiten auf den ersten Blick zu erkennen. Die neuen Darts sind aus 90% Wolfram und mit einer schwarzen Onyx-Beschichtung versehen. Genau wie ihre Vorgänger verfügen sie über tropfenförmige Barrels und eine – in Weiß ausgeführte – Grifffläche aus sechs nebeneinanderliegenden ziemlich dicken Streifen. Im Gegensatz zu seinen alten Darts befindet sich auf der Rückseite der Barrels eine zweite Grifffläche mit viel feineren, gezackten Streifen.

Wie auch andere Profis, die bei Winmau unter Vertrag stehen, hat Andy gemeinsam mit den Technikern des Unternehmens unzählige Stunden damit verbracht, seine neuen Darts zu perfektionieren. „Mir war gar nicht bewusst, wie weit hinten ich den Dart anfasste, bis ich mich ein paarmal mit den Leuten von Winmau traf“, gibt Andy zu. „Das Ergebnis war, dass sie das Barrel ein paar Millimeter länger gemacht haben.“

„Natürlich habe ich früher auch andere Darts ausprobiert“, meint Andy. „Zum Beispiel welche mit einem viel längeren, eher zylinderförmigen Barrel, doch sie stellten sich im Board immer nach oben.“ An dieser Stelle steht Andy zum ersten Mal auf und geht ans Oche. „Ich will, dass meine Darts ganz waagerecht im Board landen“, erklärt er zwischen den Würfen, „damit ich ober- und unterhalb der Darts im Board arbeiten kann. Diese neuen Darts fliegen einfach großartig.“ Als würde er seine Aussage unterstreichen wollen, wirft er ganz souverän ein paar 140er und eine Tonne und setzt sich wieder hin. „Ich war noch nie ein Trainingsweltmeister“, sagt er lachend.

Obwohl er mit dem Ergebnis hochzufrieden ist, muss Andy zugeben, dass ihm der Abschied von seinen alten Darts äußerst schwer fällt. „Es ist alles nur eine Kopfsache, das weiß ich“, meint er. „Wenn ich meine alten Darts wegwerfen oder verlieren würde und keine andere Wahl hätte, als mit dem neuen Set zu spielen, würde es mir viel leichter fallen.“

Dennoch wird Andys Spiel immer besser, seitdem er sich an den Gedanken gewöhnt hat, mit neuen Darts zu spielen. „Ich bin auf vielen Exhibitions in ganz England unterwegs und betrachte sie als ausgezeichnete Tests. Man bestreitet sehr viele Spiele, die meisten gegen wirklich gute Spieler.“

Als aktuelle Nummer 30 der BDO war Andy sehr unglücklich über die knapp verpasste Teilnahme an der „Lakeside World Championship 2017“ – ein Turnier, an dem nicht nur er, sondern wahrscheinlich auch der ganze Rest der Darts-Szene, sehr gerne wieder einmal teilnehmen würde, nachdem ihm dies zehn Jahre in Folge nicht gelungen war.

Der erste große Test für Andy und seine neuen Darts waren die „Dutch Open“ an diesem Wochenende. Das Turnier, für das Andy trainierte, als wir uns trafen, konnte am Sonntag, den 5. Februar, ab 12.30 Uhr live und kostenlos auf Darts1.de empfangen werden.

„Die Dutch Open sind nur ganz schwer zu gewinnen, weil dort sehr viele Teilnehmer am Start sind“, meint Andy. „Ich habe beschlossen, meine alten Darts zuhause zu lassen, damit ich mich voll und ganz auf die Neuen konzentrieren kann. Zum ersten Mal seit 35 Jahren werden wir getrennt sein!“

Andys neue Winmau-Steeldarts sind in den Varianten zu 23 und 25 Gramm erhältlich, die Softtip-Ausführung wiegt 18 Gramm.

Text: Richard Saunders
(Wokingham Independent Dart League)
Übersetzung: Martin Rönnberg

 Andy Fordham ist tot


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