Erfolg ist ein Gefälle
Heute reden wir über das Thema Erfolg. In den letzten Wochen hatte ich bei meinen Coaching-Gesprächen immer wieder den Eindruck, dass es vielen der Coachies um das Thema Erfolg ging. Dabei vor allem um die Frage, wie man denn erfolgreich wird. Bei vielen herrschte der Irrglaube vor, dass man Erfolg als eine Art Zustand ansieht und nicht als eine Reise. Also ein Zustand: man ist erfolgreich oder man ist nicht erfolgreich und nicht man wird erfolgreich.
Eine meiner Lieblingsmethaphern zu diesem Thema ist, dass die einen Erfolg als eine Klippe ansehen. Man schafft es sozusagen, über diese Klippe plötzlich eine Erfolgsstufe nach oben zu hüpfen. Während die anderen Erfolg eher als eine Art Gefälle ansehen, also als eine Reise sozusagen, als etwas, das man sich langsam Schrittchen für Schrittchen erarbeiten muss. Ich bin natürlich ein Verfechter der zweiteren Ansicht. Ich glaube, Erfolg ist definitiv ein Gefälle.
Jetzt ist die Frage, was macht denn nun erfolgreich? Viele, die glauben, es sei eine Klippe, unterliegen häufig dem Irrtum, dass es immer einzelne Aktionen sind, die Menschen erfolgreich machen. Beispielsweise, wenn ein erfolgreicher oder ein möchtegernerfolgreicher Verkäufer zu mir sagt, heute habe ich große Erfolge gehabt, oder jetzt werde ich erfolgreich, weil ich diesen oder jenen Kunden aquiriert habe. Oder wenn mir jemand sagt, er ist sich sicher, er wird jetzt erfolgreich, weil er dieses oder jenes Zwischenziel erreichen wird. Dann wird alles auf dieses Zwischenziel ausgerichtet, und man denkt, guck mal bin ich nicht super?
In meiner Branche sind das beispielsweise Leute, die ein Buch geschrieben haben und sagen, jetzt habe ich ein Buch geschrieben, jetzt bin ich auf dem Weg zum Erfolg. Häufig versteht man dann nicht, dass dieses eine Buch eben ein Baustein auf dem ganzen Weg zum Erfolg ist. Vor kurzem habe ich gehört, dass mein persönlicher Erfolg durch eine besondere Aktion begründet gewesen sei. Und zwar hätte ich einmal eine Veranstaltung moderiert, und durch diese Moderation sei ich quasi entdeckt worden. Dann sei ich sozusagen den Schornstein des Erfolgs nach oben geblasen worden. Ich amüsiere mich immmer über solche Geschichten, weil das dieser typische Casting-Irrglaube ist oder dieser Castingshow-Irrglaube. Deutschland sucht den Superstar und Ähnliches. Wo Menschen vor einem Gremium, vor einer Jury auftreten, ihre Künste zum Besten geben, und dann machen die Leute entweder Daumen rauf oder Daumen runter. Wenn man Glück hat, also wenn man wirklich Glück hat und die Jury bezirzt und super aussieht und zufällig noch ein schönes Lied singt, dann ist man plötzlich von einem Tag auf den anderen erfolgreich. Dieser Irrglaube hat natürlich zwei ganz große Probleme.
Problem Nummer eins: die Leute, die in Castingshows weiterkommen, die sind nicht vom Himmel gefallen, also nicht diejenigen, die eines morgens aufwachen und sagen, heute gehe ich mal zum Dieter Bohlen, und plötzlich kann ich singen, siehe da. Diejenigen, die weiterkommen, sind ja meistens schon seit Jahren im Geschäft oder spielen in Bands, machen Musik. Das heißt, sie haben das drauf, und sie sind nicht eine Klippe nach oben gesprungen, sondern sie laufen das Gefälle nach oben, sind eben irgendwo unterwegs in dieser Castingshow. Der Irrglaube bei den Castingshows ist natürlich der, dass wenn man es einmal nach oben geschafft hat, dass man auch oben bleibt. Das heißt, dass man das Selbstverständnis hat, ich bin einmal da oben, das wiederum als eine Klippe betrachtet und dann nichts mehr langfristig in die richtige Richtung tut, dann ist es sehr schnell vorbei mit dem Ruhm. Die falsche Grundannahme ist immer die gleiche: sobald wir einen Erfolg als eine Klippe ansehen, also als einen Eins- oder Null-Zustand, als etwas Schwarzes oder Weißes, haben wir ein Problem mit langfristigem Erfolg. Wir können kurzfristig vielleicht einmal ein Tor schießen, wir können kurzfristig vielleicht ein Buch schreiben, wir können kurzfristig einen tollen Kunden aquirieren oder eine Geschäftsidee umsetzen. Aber das Leben dauert ja nun ein bisschen länger, und die meisten Erfolge sind auch sehr lange Zeit über mühsam, häufig erarbeitet. Insofern, glaube ich, dass Erfolg keine Klippe ist, sondern ein Gefälle.
Das bedeutet, dass wir jeden Tag ein bisschen in Richtung des Gefälles oder nach oben in Richtung des Erfolgs auf diesem Gefälle gehen sollten. Dann haben wir nach einer gewissen Zeit des Weges letztlich einen Höhenunterschied, den wir uns nicht irgendwie ersprungen haben, von unten nach oben, sondern den wir uns erlaufen haben. Das Ganze ist ein Prozess, Erfolg ist ein Prozess des Laufens. Und dieser Prozess geht über eine lange, lange Zeit. Erfolg ist unterm Strich die Summe der ganzen Schritte, die wir in die richtige Richtung gemacht haben. Ich betrachte den Erfolg als eine Reise mit einer Richtung. Wenn Menschen sagen, Du musst Ziele erreichen, Ziele sind das allerwichtigste. Dann sag ich sorry, glaube ich nicht. Ich weiß zwar, dass Ziele bei der Orientierung helfen, aber sie sind nicht Selbstzweck. Ziele sind nicht das eigentliche Ziel der Reise, denn das eigentliche Ziel der Reise ist der Weg zum Ziel. Unterwegs wird man durch den Weg selber immer besser. Der Castingshowteilnehmer wird durch das Singen üben selber besser, nicht durch dadurch, dass er einmal bei Dieter Bohlen steht. Der Autor wird durch das Schreiben besser, nicht dadurch, dass er einmal ein Buch auf den Markt gebracht hat. Der gute Verkäufer wird durch das permanente Verkaufen besser, nicht dadurch, dass er einmal einen Kunden aquiriert hat. Der erfolgreiche Sportler wird durch das permanente Training besser, nicht dadurch, dass er einmal in einem Training den Konkurrenten ausgestochen hat.
Vor kurzem war ich auf einem Seminar der Supertrainerin Vera F. Birkenbihl. Sie hat einen sehr schönen Satz gesagt. Sie erläuterte, worin sich Profis von Amateuren unterscheiden. Sie meinte, Amateure, das sind diejenigen, die sich immer mit anderen vergleichen. Ich bin besser als der, ich steh in der Tabelle ein bisschen höher als du oder ich bin bei den Verkaufsabschlusszahlen ein bisschen besser als du. Während Profis sich mit sich selbst vergleichen. Sie gucken, was sie in Zukunft besser machen können, und versuchen, ihre ganzen Ressourcen dahingehend auszurichten, dass sie in Zukunft bessere Leistungen bringen.
Wir wollen also nicht ein Ziel erreichen, sondern wir wollen unterwegs zum Ziel sein, denn unterwegs wird man durch den Weg besser. Erfolg ist fast zwangsläufig ein Nebenprodukt des Gehens zum Ziel, des Gehens in Richtung Ziel. Es ist etwas ganz Besonderes für jeden Einzelnen, und zwar auch für Sie, der Sie gerade zuhören (das hier lesen) oder die Sie gerade zuhören, auch für Dich, der Du gerade zuhörst. Das bedeutet, übernimm Verantwortung und zwar jeden Tag für das, was Du tust. Frag Dich jeden Tag, tust Du kontinuierlich etwas, was Dich in Richtung Deines großen Ziels, Deines großen Erfolgs transportiert? Versuch nicht, das Ziel zu erreichen, versuch dahingehend unterwegs zu sein, dass Du dieses Ziel eines Tages erreichst, und zwar nicht nur einmal hopplahopp und auf die Klippe springen wollen, sondern dauerhaft.
Denn auf die Klippe zu warten, zu denken, da kommt eines Tages irgendwann einmal sozusagen die Abkürzung und dann springst du halt. Das ist eine der Hauptausreden der Erfolglosen dieser Welt, eine Hauptausrede der Faulen, eine Hauptausrede derer, die Verantwortung für ihr eigenes Leben, für ihren eigenen Erfolg gerne in die Hände anderer legen oder in das große Schicksal und Mensch, wenn das Schicksal es nicht gut meint mit uns, tja, was sollen wir denn da machen?
In diesem Sinne, packs an, jetzt, immer auch Du, auch Sie und ich bin überzeugt, dann kommt der Erfolg auch zu Ihnen, auch zu Dir. Warten Sie nicht auf die Klippe, gehen Sie das Gefälle, dann haben Sie es selbst in der Hand.