Interview mit Krzysztof Ratajski
Hin und wieder gelingt es einem Spieler, scheinbar aus dem Nichts bis unter die Top-32 der Weltrangliste vorzustoßen. Dem aufmerksamen Darts-Fan ist sicher nicht entgangen, dass es sich bei Krzysztof Ratajski um einen dieser Spieler handelt. Höchste Zeit also für ein Interview mit dem „Polish Eagle”!
Ein paar Hintergrundinformationen zu Krzysztof
Der 47-jährige Ratajski hat sich in den letzten Jahren bei der PDC einen Namen gemacht. Dabei ist er alles andere als ein Newcomer in dieser Sportart. Der erste große Sieg gelang Krzysztof im Jahr 2005, als er sich zum SDWF E-Darts-Europameister krönte. Eine weitere Meisterschaft im Soft-Tip-Bereich folgte 2008. Im selben Jahr feierte er mit dem Gewinn der „BDO Denmark Open“ seinen ersten Steel-Darts-Titel.
Es folgten ein paar Jahre bei der BDO, in denen er einige kleinere Turniere gewann, doch es sollte bis zum Jahr 2017 dauern, bis Ratajski seinen Durchbruch feierte. Im September 2017 gewann er das „BDO Winmau World Masters“ und sicherte sich ein Preisgeld in Höhe von 25.000 Pfund. Dieser Gewinn zeigte ihm, dass sich die harte Arbeit der Jahre zuvor gelohnt hat und dass seine Karriere jetzt erst richtig losging.
Der Gewinn von vier Players Championship-Turnieren und einem UK Open Qualifier hat Ratajski in den PDC-Ranglisten nach oben schießen lassen und er festigte seinen Platz unter den besten 24 in der Welt, als er sich im September 2019 die Gibraltar Darts Trophy holte.
Siege über Steve Beaton, Joe Cullen und Ian White trugen ihn bis ins Halbfinale, wo er Daryl Gurney mit 7:3 und einem Average von 109,51 förmlich auseinandernahm. Im Finale kannte der „Polish Eagle” keine Gnade mit Dave Chisnall, den er klar und deutlich mit 8:2 besiegte.
Jetzt, wo seine Karriere richtig in Schwung gekommen ist, dachten wir uns, es sei an der Zeit, Krzysztof Ratajski einem breiteren Publikum vorzustellen. Da Krzysztof nicht besonders gut Englisch spricht, haben wir uns für die ersten Fragen einen polnischen Muttersprachler ins Boot geholt.
„FrankyPol“ ist vermutlich einer der größten Ratajski-Fans überhaupt. In den sozialen Netzwerken fiebert er jedesmal sehr emotional mit, wenn Krzysztof im Fernsehen oder Livestream zu sehen ist. Daher haben wir ihn gefragt, ob er seinem Darts-Idol ein paar Fragen stellen möchte, bevor wir unsere eigenen Fragen anschließen. Da ließ sich Franky nicht zweimal bitten.
Franky: Was glaubst du, wie groß sind die Chancen auf ein PDC-Turnier in Polen? Ich denke da an ein Turnier im Rahmen der European Tour oder den World Series.
Krzysztof: Meiner Ansicht nach stehen die Chancen auf ein PDC-Turnier in Polen derzeit sehr schlecht. Denn dort gibt es aktuell keine Organisation, die in der Lage wäre, ein solches Turnier zu veranstalten. Das ist sehr schade, denn man sieht am Beispiel von Tschechien oder Ungarn, dass so etwas möglich ist.
Franky: Du hast mittlerweile an fast allen Major-Turnieren der PDC teilgenommen. Welches Major ist dein Lieblingsturnier?
Krzysztof: Am beeindrucktesten ist sicher die Weltmeisterschaft. Ein weiteres sehr interessantes Turnier ist der Grand Slam, für den ich mich 2019 leider nicht qualifizieren konnte. Das Besondere an diesem Turnier ist die Gruppenphase. Man weiß, dass man dort mindestens drei Mal auf der Bühne stehen wird.
Franky: Dein Ziel war ein Platz unter den ersten 16 in der Pro Tour-Rangliste und am Ende wurde es der 6. Platz. In der Weltrangliste wirst du auf Platz 20 geführt – dein Ziel waren die Top-32. Dabei darf man nicht vergessen, dass du zu Saisonbeginn auf dem 58. Platz standest. Wie stolz machen dich diese Erfolge?
Krzysztof: Ich bin mit der Saison 2019 sehr zufrieden. Ein Platz in den Top-16 der Pro Tour-Rangliste ist sehr wichtig, weil man sich auf diese Weise automatisch für die Turniere der European Tour qualifiziert hat. Platz 20 in der Weltrangliste ist ein großartiger Erfolg, doch ich würde gerne noch bis in die Top-16 vorstoßen, weil ich dann für die wichtigsten Turniere qualifiziert bin.
Franky: Es stehen jetzt noch Qualifikationsturniere für den Grand Slam, die Players Championship Finals und die Weltmeisterschaft an. Was hast du dir für diese Turniere vorgenommen?
Krzysztof: Wie schon gesagt, konnte ich mich leider nicht für den Grand Slam qualifizieren, was ich sehr schade finde. Und was die Players Championship Finals und die Weltmeisterschaft angeht, so hoffe ich, bei mindestens einem dieser Turniere gut abzuschneiden, damit ich die Saison in den Top-16 der Weltrangliste abschließe und mir noch eine Einladung zum PDC Masters sichere.
Vielen Dank an Franky für die ersten Fragen in diesem Interview. Jetzt übernehmen wir:
Du spielst schon seit vielen Jahren Darts, zuerst bei der BDO und jetzt bei der PDC. Bist du schon lange Darts-Profi?
Nein, das war bis vor Kurzem leider nicht möglich. Ich bin viele Jahre lang unter der Woche ganz normal arbeiten gegangen und habe am Wochenende Turniere in Polen und im Ausland gespielt. 2018 war das erste Jahr, in dem ich mich voll und ganz auf Darts konzentrieren konnte.
Die Reisen zu den Turnieren sind sicher sehr zeitintensiv, wenn man aus Polen kommt. Reist du nach den Turnieren immer in die Heimat zurück oder bleibst du manchmal für ein paar Wochen in England, um dir den Reisestress zu ersparen?
Obwohl es sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, reise ich nach den Turnieren immer wieder zurück nach Polen. Es gibt sehr gute Reiseverbindungen zwischen Polen und England, die zudem recht preiswert sind. Von daher ist es besser, nach Hause zurückzukehren und ein paar Tage im Kreise der Familie zu verbringen.
Wie steht es um den Dartsport in Polen. Gibt es dort viele Turniere und wenn ja, nimmst du noch an ihnen teil?
Darts ist nach wie vor nicht sehr populär in Polen. Es gibt ein paar kleinere regionale Turniere und ein paar wenige größere Turniere. Immer wenn der Zeitplan es zulässt, versuche ich, daran teilzunehmen, weil ich dann mit meiner Freundin Karolina unterwegs sein kann, die ebenfalls Darts spielt.
Mit Tytus Kanik ist ein weiterer Pole auf der PDC-Tour dabei. Wie sehr hilft es dir, in der Fremde jemanden zu haben, mit dem du dich in deiner Muttersprache unterhalten kannst?
Es ist sehr vorteilhaft, einen Reisebegleiter zu haben. Die Zeit vergeht einfach schneller, wenn man sich unterhalten kann und natürlich spart es auch Kosten, wenn man sich ein Hotelzimmer oder ein Taxi teilt. Dies ist ein ganz wichtiger Aspekt, besonders wenn man nicht so oft gewinnt, denn die Kosten sind nicht zu unterschätzen.
Wer wird neben Tytus und dir der nächste polnische Spieler auf der Tour?
Es gibt einige Spieler, von denen ich weiß, dass sie die Q-School spielen werden und die eine echte Chance auf eine Tour Card haben. Allen voran muss man Sebastian Steyer auf dem Schirm haben, der die Tour Card im letzten Jahr haarscharf verpasst hat. Dann natürlich Krzysztof Kciuk, der 2019 an zwei European Tour-Turnieren teilgenommen hat. Ich hoffe, dass unser derzeit größtes Talent, der 16-jährige Sebastian Bialecki ebenfalls an der Q-School teilnehmen wird. Und vielleicht auch einer meiner Landsleute, die im Ausland leben: Radek Szaganski oder Lukasz Sawicki.
Du hast früher viel E-Darts gespielt. Trainierst du das immer noch und spielst du noch E-Darts-Turniere oder hast du dafür gar keine Zeit mehr?
Ich trainiere nicht mehr E-Darts, doch hin und wieder spiele ich es noch. Zum Beispiel wenn ich mit meiner Familie in den Ferien nach Slowenien fahre, wo eine E-Darts-Meisterschaft stattfindet. Das hat immer sehr viel Spaß gemacht und ist sehr entspannt, doch auch dort kann man auf höchstem Level Darts spielen, weil eigentlich immer ein paar Jungs von der PDC dabei sind.
Vor einiger Zeit hattest du die Wahl zwischen einer Teilnahme an der BDO-WM oder der PDC-WM. Was war der Grund für deine damalige Entscheidung?
Die damalige Entscheidung fiel mir überhaupt nicht schwer. Ich wollte bei der PDC spielen, also hatte ich eigentlich gar keine Wahl. Außerdem habe ich in jener Saison an elf von zwölf European Tour-Turnieren teilgenommen, in der Rangliste ging es für mich immer weiter nach oben und wenn mir eine gute Weltmeisterschaft gelungen wäre, hätte ich schon damals gute Chancen auf eine Tour Card gehabt. In jener Saison sollte es nicht klappen, doch ein Jahr später funktionierte es auf eine ähnliche Weise, also ohne Teilnahme an der Q-School.
Und zum Schluss noch die Frage, welchen Ratschlag du jungen Spielern aus Polen oder anderen osteuropäischen Ländern, die bei der BDO oder der PDC spielen wollen, geben würdest?
Natürlich muss man ganz viel zuhause trainieren, doch die meisten Neulinge brauchen Turniererfahrung. Nicht nur die Teilnahme an regionalen Turnieren, sondern gerade die großen Turniere bringen einen weiter, weil man dort auf Spieler trifft, gegen die man nicht jeden Tag spielt. Wer sich wirklich entwickeln will, muss zu den großen Turnieren im Ausland fahren und dort seine Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Text: © Darts Mad @ Darts1.de
Übersetzung: Martin Rönnberg