Grand Slam of Darts 2024: Während die neue Generation in den Startblöcken steht, rennt Ü50 schon mal vorsorglich über die Ziellinie und ganz nebenbei zeigt “Smash” seine “Smashing Performance”
Zehn Major-Titel hat James Wade bereits auf dem Konto, mehr haben bislang nur Phil Taylor und Michael van Gerwen für sich verbuchen können, auch beim Grand Slam of Darts konnte „The Machine“ das Finale schon dreimal erreichen, ein voller Erfolg blieb ihm bei diesem Turnier bislang jedoch verwehrt. 2010 war es Scott Waites, der ihm im Endspiel mit 16:12 einen gehörigen Strich durch die Rechnung machte, „Scotty 2 Hotty“ konnte damit seinen einzigen PDC-Titel einholen, die BDO-Weltmeisterschaft hat Scott Waites hingegen zweimal (2013 & 2016) für sich entschieden. Sechs Jahre später hat Michael van Gerwen James Wade mit 16:8 überrollt und 2020 bezwang José de Sousa den favorisierten Engländer mit 16:12. In diesem Jahr war es Cameron Menzies, der den passionierten Liebhaber gepflegter Oldtimer bereits im Achtelfinale in die Schranken wies. Dabei hatte es über längere Phasen durchaus so ausgesehen, als habe James Wade den Gegner im Griff, vor allem als sich Cameron Menzies zeitweise selbst nicht im Griff hatte, doch dann gewann der Schotte die Fassung zurück und auch den Decider. So stand heute an Wades Stelle Cameron Menzies auf der Bühne der WV Active Aldersley, Wolverhampton, er trat gegen Mickey Mansell an, den anderen Überraschungsviertelfinalisten. Mit dem Erreichen der dritten Runde dürfte der Nordire das bislang höchste Preisgeld seiner Karriere innerhalb eines laufenden Turniers eingestrichen haben. Er hatte vorher bekundet, dass er sich mittlerweile intensiver auf die Pfeile konzentrieren könne, nachdem die drei Kinder langsam das Erwachsenen-Alter erreichen würden und auch die anderweitige Berufstätigkeit nicht mehr so zeitaufwendig im Vordergrund stünde. So würde er mit 51 Jahren die höchsten Averages und somit das beste Darts seiner bisherigen Laufbahn darbieten können, das unterstrich er in seinem Achtelfinalmatch gegen Danny Noppert. Der dritte Teilnehmer, den man nicht unbedingt im Viertelfinale erwartet hatte, war Martin Lukeman. Er bekam es heute allerdings mit Rob Cross zu tun, bei dem, in der Begegnung mit dem amtierenden Europameister, Richie Edhouse, erst im vorletzten Leg der Partie, ein Fehltreffer aufs Bullseye die hundertprozentige Checkout-Quote verhindert hatte.
Einen wahrhaften Darts-Krimi boten am gestrigen abschließenden Achtelfinalabend Jermaine Wattimena und Dimitri Van den Bergh, der Niederländer hatte sein Arbeitsgerät schon beiseitegelegt, in der irrtümlichen Annahme, dass er im laufenden Turnier sowieso kein weiteres Mal mehr ans Oche treten dürfe, doch Dimitri Van den Bergh belehrte ihn eines Besseren, verschoss insgesamt acht Matchdarts und überließ so dem Gegner den Vortritt ins Viertelfinale. Als Thriller entpuppte sich auch die Auseinandersetzung zwischen Luke Littler und Mike De Decker, schlussendlich mit dem besseren Ende für den 17-jährigen Topstar unter den Nachwuchskünstlern. Mike De Decker, der bereits in früherer Vergangenheit leicht unüberlegt wirkende Aussagen getätigt hatte, stellte danach die Frage „Warum steht er dann überhaupt da?“, womit er den Schiedsrichter meinte, den er während des Matches aufgefordert hatte, die unstrittig deplatziert pfeifenden Zuschauer zur Kontenance zu bewegen: „Aber er hat nicht mal das gemacht“. Anschließend bekam auch die PDC ihr Fett weg: „Eine Beschwerde bei der PDC würde nichts bringen, die PDC würde lediglich sagen, sie schaue sich die Sache an und das war's dann. Das wäre traurig, aber so funktioniere es nun mal“. Mit diesen Worten hatte sich Mike De Decker auf „Viaplay“ geäußert – „Viaplay“ wird vom schwedischen Medienunternehmen Nordic Entertainment Group betrieben, einer Ausgründung der Modern Times Group und ist eine Streamingplattform, die anfangs vorwiegend mit lokalen Stationen in den nordischen und baltischen Ländern sportlich tonangebend war, inzwischen ihren Wirkungskreis aber auf Polen und die Vereinigten Staaten ausgeweitet hat und seit 2022 auch in den Niederlanden und im United Kingdom aktiv ist. Inwiefern Mike De Deckers Kritik an Caller und PDC berechtigt war, muss jeder für sich selbst beurteilen, ich persönlich finde, man muss hier die Kirche im Dorf lassen. Denn wie Kirk Bevins auf seinem Social Media Account bekräftigte, würde ein Einschreiten von offizieller Seite aus, die Stimmung nur nochmal erheblich aufheizen und die Sache womöglich verschlimmbessern. John McDonald hatte offenbar sehr wohl versucht, vereinzelte Gruppen zur Mäßigung zu veranlassen, was lediglich den gegenteiligen Effekt bewirkt hatte. Die Erfahrung in der Vergangenheit hat wiederholt bewiesen, dass man eine solche Stimmung nur noch intensiver aufwühlt, wenn man probiert, hier den mahnenden Zeigefinger zu erheben. Die Bevorzugung eines Spielers, d.h. die Laune des Publikums ist nun mal von Natur aus subjektiv geprägt, da lässt sich die Menge nur äußerst ungern bevormunden. Und wie der deutsche Dartsprofi Max Hopp ganz richtig bemerkte, kann man der einseitig verteilten Gunst „nur mit Doppeltreffern“ entgegenwirken. Luke Littler zeigte sich im Nachhinein jedenfalls zufrieden und erleichtert: „Das war eines der besten Spiele, an denen ich jemals beteiligt war. Dass ich nach einem Vier-Leg-Rückstand zurückgekommen bin und mich auch dem Matchdart beim 7:9 widersetzen konnte, zeigt, zu was ich in der Lage bin."
Klare Verhältnisse schaffte Gian van Veen, er ließ Ryan Joyce überhaupt nicht mitspielen und empfahl sich ein weiteres Mal für Größeres. Wenig Federlesens machte auch Publikumsliebling Gary Anderson mit seinem Gegner, Stephen Bunting probierte zwar noch mal kurzzeitig den Aufstand, blieb aber alles in allem chancenlos gegen die unwiderstehlich aufgeblühte Durchschlagskraft des „Flying Scotsman“. Gary Anderson war jederzeit in der Lage, den Bremsklotz dazwischen zu werfen und das Steuerrad wieder zu übernehmen.
Ab hier wurde die maximal mögliche Leganzahl nochmal gehörig aufgestockt
Das erste Viertelfinalmatch bestritten Cameron Menzies und Mickey Mansell – man konnte gar nicht oft genug betonen, wie erstaunlich die Ansetzung der Paarung für diese Runde eigentlich war. Kleines Bonmot am Rande: nach seiner Niederlage gegen Beau Greaves im dritten Gruppenspiel, hatte Cameron Menzies, gemeinsam mit Freundin Fallon Sherrock, die Heimreise bereits angetreten, die beiden waren schon etliche Meilen gefahren, als Danny Noppert Martin Schindler mit dem entscheidenden 5:2 bezwang. Menzies/Sherrock hatten einen Großteil der Wegstrecke hinter sich gelegt, waren einigermaßen weit von Wolverhampton entfernt, als „Cammy“ die Nachricht vernahm und das Auto wieder wenden durfte. Danny Noppert wurde zum „Best Mate“ erkoren, zumindest kommunizierte dies das vorläufig eingesetzte Profil-Bild von Cameron Menzies. Auf jeden Fall war er pünktlich zur Stelle, um am heutigen Abend seinen Walk-on anzutreten.
Dann startete das erste Viertelfinale des diesjährigen Grand Slam of Darts, inzwischen galt der Best-of-31-Legs Modus. Jetzt ging es wirklich zur Sache, d. h. bis einschließlich Finale waren 16 Leggewinne vonnöten, um die Bühne als Sieger zu verlassen.
„A Winner of a Players Championship Event“
Damit kündigte John McDonald Mickey Mansell an, er bezog sich auf dessen ProTour-Erfolg in 2018, aber auch Cameron Menzies darf sich seit Ende Oktober des laufenden Jahres dem ehrerbietenden Vergnügen erfreuen, Titelträger eines PDC-Rankingevents zu sein.
Mickey Mansell startete vielversprechend ins Match, mit Anwurf brachte er gleich zu Beginn das erste Maximum im Triple-20-Segment unter, doch im Endspurt vergab er drei Versuche auf Tops. Der Gegner hatte sich derweil mit 14 Treffern die 1:0-Führung zu Eigen gemacht, ein Break, das Cameron Menzies im zweiten Leg auch bestätigte, obgleich es ihm zunächst nicht gelingen wollte, die 120er-Vorbereitung ohne Umschweife zu nutzen. Aber er konnte es sich leisten, drei Würfe ins Nichts zu tauchen, das 2:0 sicherte er sich trotzdem. Im dritten Durchgang hatte Cameron Menzies den 13-Darter, inklusive gekonntem Set-up-Shot (119), zur Hand, damit kassierte er das nächste Break ein, 3:0. Auch im vierten Leg hielt der Schotte die passende Vorbereitung parat, das war das Fundament für das 4:0. Im fünften Durchgang stellte sich Mickey Mansell mit 86 gelöschten Punkten die 20, die eliminierte er beim nächsten Gang ans Oche, somit hatte er rechtzeitig vor der Pause noch den Sprung auf die Leg-Anzeigengrafik geschafft, 1:4.
Nach dem Fehlstart ging es im Wirbelsturm-Tempo aufwärts für den „Clonoe Cyclone“
Auch nach dem ersten Zwischenstopp war der Nordire zur Stelle, nahm 65 Restpunkte heraus und es stand, 2:4. Nach den zwei Leg-Erfolgen des Kontrahenten war Cameron Menzies im siebten Durchgang wieder am Drücker, hier packte er das erste High Finish, 114 (20, T18, D20) des Abends aus und baute seinen Vorsprung damit wieder auf drei Zähler aus, 5:2. Es war abermals das Break gewesen, aber Mickey Mansell revanchierte sich in Leg Acht postwendend und holte sich das sofortige Re-Break, 3:5. Im Gegensatz zu seinem Gegner im vorausgegangenen Leg, sicherte der Nordire, der den Nickname „Clonoe Cyclone“ trägt, weil er, obgleich in Dungannon geboren, in Clonoe, einer beschaulichen Gemeinde in der Grafschaft Tyrone, beheimatet ist, das eben errungene Break in Leg Neun ab und verkürzte sukzessive weiter, 4:5. Nachdem Cameron Menzies schon mit relativ komfortabler 4:0-Führung vorne lag, hatte sich sein Gegenüber mittlerweile behände herangerobbt und den Abstand erheblich reduziert. Rechtzeitig vor der zweiten Pause zog „Cammy“ die Notbremse und präsentierte den 14-Darter fürs 6:4. Es hätte auch gut und gerne ein 12-Darter werden können, doch beim 116er-Finish scheiterte er an der Double-20, insgesamt waren drei Versuche für die 40 Restpunkte notwendig gewesen. Mickey Mansell hatte im elften Durchgang zweimal die 180 zur Verfügung, trotzdem wurde es mit 17 Würfen ein eher holpriges Leg, das er aber dennoch sicher auf seine Seite zog, nachdem der Kontrahent hier auf der 166 verlorengegangen war. Im zwölften Durchgang war Cameron Menzies jedoch wieder zurückgekehrt, er benötigte nicht mehr als 14 wohlplatzierte Würfe und so erhöhte er seine Führung auf 7:5. Mickey Mansell ließ sich nicht abhängen und fand im 13. Leg neuerlich den Anschluss, 6:7. Ebenso unspektakulär wie sein Gegner im vorherigen Leg, brachte der Schotte im 14. Durchgang seinen Anwurf nach Hause, 8:6. In Leg 15 hängte Mickey Mansell den Kontrahenten auf der 229 ab, da hatte er die 96 mit Triple-20 und Double-18 ausgecheckt und es stand 7:8. Den 16. Durchgang wollte zunächst keiner so recht an sich nehmen, das heißt „wollen“ wollten vermutlich beide, aber sie konnten nicht. Cameron Menzies hatte innerhalb des Legs bei acht Aufnahmen nur zwei Triple-Segmente gefunden, war also eindeutig zu langsam unterwegs und während er sich schwerfällig von der 501 herunterschlich, hatte Mickey Mansell auf der anderen Seite vier Aufnahmen Zeit, um 40 Restpunkte zu löschen. Der neunte Checkout-Dart saß in der Double-2, das war nach längerer Zeit der Break-Abstinenz, mal wieder eins, 8:8.
Inzwischen hatte sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen herauskristallisiert, einziger Unterschied: der eine Kopf war noch völlig trocken, der andere schon ziemlich nass
Im 17. Durchgang vermochte es „Cammy“, beim fünften Gang ans Oche, seine Pfeile in der Triple-19 und in der Double-20 zu versenken, es war das 97er-Finish und der 14-Darter, der ihm zum umgehenden Re-Break verhalf, 9:8. Im 18. Leg checkte Cameron Menzies, der zwischenzeitlich klatschnass im Gesicht war – man wusste nicht, ob das Spiel derart schweißtreibend war oder ob er sich in der Pause einen Eimer Wasser übergegossen hatte – die 87 aus, und es stand 10:8. Doch in Durchgang 19 hatte sich der Schotte wieder in irgendwelchen Gefilden zwischen 308 und 180 verirrt, da löschte Mickey Mansell 81 Restpunkte und schloss auf 9:10 auf. Und auch im 20. Leg war der „Clonoe Cyclone“ zur Stelle, schaffte das Break und erzwang erneut den Ausgleich, 10:10. Es ging in die letzte Pause, aus der Mickey Mansell weit besser erholt zurückkam, als sein schweißgebadeter Kollege. 140 – 100 – 180 – 81, es war der erste 12-Darter des Abends und der gereichte Mansell zur ersten Führung in diesem Match, 11:10. Man war schon geneigt, Cameron Menzies nun abzuschreiben, denn der Sieger der diesjährigen Players Championship 29 machte nicht den Eindruck, als fühle er sich noch in der Lage, hier etwas auszurichten, als er urplötzlich das High Finish aus dem Hut zauberte. Mit zweimal Triple-19 und Double-6 nahm er 126 Zähler heraus und erzwang wieder den Ausgleich, 11:11. Ohne nennenswerte Akzente setzen zu können, hielt Mickey Mansell seinen Anwurf in Leg 23, 12:11, bevor Cameron Menzies im darauffolgenden Durchgang mit dem nächsten 13-Darter, inklusive 132er-Vorbereitung, das 12:12 sicherstellte. Im 25. Leg setzte „Cammy“ das nächste Ausrufezeichen, den 12-Darter mitsamt High Finish: 134 – 100 – 137 – 130. Obendrein hatte er die 130 mit 20, Triple-20 und Bullseye herausgeholt, das vermittelte Selbstvertrauen! Nachdem er sich vorher aus dem Nichts die Führung zurückerobert hatte, baute Cameron Menzies diese nun wieder aus, 14:12. Aber Mickey Mansell war natürlich noch lange nicht geschlagen, schnappte sich Leg 27 und schloss auf 13:14 auf. Im 28. Durchgang hatte sich Cameron Menzies mit der 137 die 24 gestellt, doch er sollte nicht mehr dazu kommen, denn der nordirische Kontrahent war einen Schritt schneller und nahm ihm erneut den Anwurf ab, 14:14. Es entwickelte sich ein Drama der ganz besonderen Art, die Entscheidung um das Viertelfinale sollte im Best-of-Three fallen. Mit kontinuierlich starkem Scoring sicherte sich Cameron Menzies im 30. Durchgang sein begonnenes Leg, 15:15, somit stand fest, es würde über die volle Distanz gehen.
Auf die Idee, sich vor dem Entscheidungsleg noch kurz trostsuchend am Gegner anzulehnen, kommt nur einer
Vor dem Decider gab es noch eine Kuscheleinheit vom Gegner, keine Ahnung, ob Mickey Mansell darauf gesteigerten Wert gelegt hat, aber bei Cameron Menzies kam es halt von Herzen. Der 51-Jährige aus Nordirland hatte im Entscheidungsleg den Anwurf, und dieser Vorteil war es wohl auch, der letztendlich den Ausschlag gab. Der andere Grund lag natürlich bei Mickey Mansell selbst, der 59 Restpunkte vor Augen hatte und diese ausgesprochen nervenstark mit 19 und Tops herausnahm, 16:15. Der erste Matchdart saß, fast ein wenig ungläubig riss Mickey Mansell, der in diesem Duell allein elf Maxima geliefert hatte, die Arme in die Höhe. Cameron Menzies brauchte einen kurzen Moment für sich, um die Niederlage sacken zu lassen, doch dann fiel er seinem Bezwinger um den Hals. Selbstverständlich wollte er dem Sieger gratulieren und überschüttete ihn auch sicher mit wohlwollenden Worten, aber in erster Linie suchte er wahrscheinlich etwas Stoff, an dem er seine Tränen trocknen konnte, ein Taschentuch war nicht zur Hand, da tat es auch das Trikot des Kontrahenten. In jedem Fall waren die Glückwünsche aufrichtig, anders kennt man das vom Schotten, der es immer wieder in der Hand gehabt hatte, das Match an sich zu reißen, auch gar nicht. Letztendlich hat sich Cameron Menzies womöglich zu intensiv an seinen eigenen Emotionen aufgerieben, sein extremer Bewegungsdrang ist einfach sehr kraftaufwendig und gerade bei dieser langen Distanz dann gewissermaßen erschöpfend. Zu hundert Prozent fokussiert hatte hingegen Mickey Mansell sein Match durchgezogen, er war stets bei sich geblieben und ließ sich von nichts und niemandem aus der Konzentration bringen. Nicht einmal, dass sich der Gegner vor dem Decider mal eben anlehnen musste, konnte Mickey Mansell beirren, andere geben den „Fistbump“, Cameron Menzies bevorzugt das Anschmiegen. Im Siegerinterview bekräftigte Mickey Mansell mit viel „arrrrr“ im nordirischen Akzent, dass er nicht verstand, warum er zeitweise keine Beständigkeit in sein Scoring zu bringen vermochte, er konnte dafür keinen ersichtlichen Grund ausmachen. Vielleicht war es ja auch nur die Anspannung, potentiell das erste Major-Halbfinale erreichen zu können, jenes Ticket hatte er nun auf jeden Fall auf der Haben-Seite, – der erste Protagonist für den Sonntag-Nachmittag stand fest.
Und auch hier war auf dem Papier eigentlich alles klar, aber der diesjährige Grand Slam ist für jede Überraschung zu haben
Im zweiten Viertelfinale des Abends standen sich Rob Cross und Martin Lukeman gegenüber. Weit unauffälliger – zumindest was die emotionalen Exkurse betraf – gestalteten die beiden Engländer ihren Auftritt.
Martin Lukeman hatte das Ausbullen für sich entschieden, aber Rob Cross checkte im ersten Durchgang 86 Punkte aus und nahm ihm den Anwurf gleich mal an, 1:0. Das 82er-Finish gelang „Voltage“ im zweiten Leg, somit bestätigte er das eben erzielte Break, 2:0. Im dritten Durchgang war auch Martin Lukeman im Spiel angekommen und brachte sein begonnenes Leg nach Hause, 1:2. In Durchgang Vier war es das Checkout von 83 Zählern, das Rob Cross zur 3:1-Führung verhalf und im fünften Leg hatte der Weltmeister von 2018 dann seine erste 180 zur Hand, für seine Verhältnisse eigentlich relativ spät. Wie auch immer, zur ersten Pause stellte er das 4:1 sicher, bevor Rob Cross im sechsten Durchgang den optimalen Set-up-Shot (128) parat hatte, um mithilfe dessen, nach 14 Würfen, auch das 5:1 auszumachen. Seine Dominanz war jedoch ab Leg Sieben schon wieder beendet, beide taten sich in diesem Durchgang unsäglich schwer, doch Martin Lukeman zeigte zumindest einen beeindruckenden Endspurt: 19, Triple-14, Double-16 – das waren 93 Restpunkte, die Martin Lukeman ausradiert hatte, 2:5. Auch im achten Durchgang förderte „Smash“ ein „smashing Finish“ zutage: 18, 18, Bullseye, die 86 war Geschichte und Martin Lukeman hatte auf 3:5 verkürzt. Das 132er-Finish gedachte der 39-Jährige aus Watford, der in Newbury zuhause ist, die 132 auszuchecken, allein das Bullseye unterband dies Ansinnen. Aber die verbliebene 25 verabschiedete er mit Pfeil Nummer 13 und 14, damit hatte Martin Lukeman den Anschluss gefunden, 4:5. Im zehnten Leg zog Martin Lukeman den 12-Darter mitsamt High Finish aus dem Ärmel: 60 – 180 – 140 – 121, und präsentierte dabei obendrein das Bullseye-Finish: 20, Triple-17, 50, mehr Schwung konnte man sich zum zweiten Zwischenstopp nicht einverleiben, 5:5.
Nach erfolgreich gestalteter Aufholjagd, begann das Spiel für Martin Lukeman an dieser Stelle erst richtig
Nach der Pause machte Martin Lukeman dort weiter, wo er zuvor aufgehört hatte, das 110er-Finish wollte zwar nicht gelingen, aber das störte ihn wenig, denn der Gegner war noch auf der 217 und konnte auch bei seiner nächsten Aufnahme nur klägliche 50 Zähler loswerden. Martin Lukeman wischte die verbliebene 16 weg, somit ging er zum ersten Mal in dieser Partie vorneweg, 6:5. Im zwölften Leg lieferte „Smash“ einen weiteren 13-Darter, der auch ein 11-Darter hätte sein können, doch zwei der drei möglichen Checkout-Darts landeten im Aus, 7:5. Nur zwei Würfe mehr brauchte Martin Lukeman im 13. Durchgang, das 72er-Finish erwies sich in keiner Weise als Hürde, 8:5. Erst im 14. Leg schaffte es Rob Cross den Lauf des Gegners zu stoppen, mit 14 Treffern sicherte er sich endlich mal wieder einen Leggewinn und festigte das 6:8. Aber Martin Lukeman hatte noch längst nicht alles gezeigt, was er heute Abend zu leisten vermochte, da befand sich noch einiges im Köcher. In Durchgang 15 packte er den nächsten 12-Darter mitsamt High Finish aus: 120 – 140 – 97 – 144, zweimal die Triple-20 und die Double-12, das ergab 144 gelöschte Punkte, 9:6. Rob Cross beantwortete dies im 16. Leg seinerseits mit dem High Finish, 104 (T18, 18, D16) und verkürzte wieder, 7:9. Auch im 17. Durchgang fegte Rob Cross das Finish über 100 vom Board, hier war es die 113, die er mit Triple-20, 17 und seiner präferierten Double-18 eliminierte, 8:9. Und als Rob Cross im 18. Leg auch noch den 14-Darter zu setzen wusste, hatte sich wieder ein Kampf auf Augenhöhe eingestellt, zu diesem Zeitpunkt donnerten sich die beiden Kontrahenten abwechselnd ein Ausrufezeichen nach dem anderen um die Ohren, 9:9. Im 19. Durchgang ließ Martin Lukeman einen Versuch auf Double-18 liegen – es war halt eher das Lieblingsdoppel seines Gegenübers – doch auch wenn er dadurch das 126er-Finish verpasste, das 10:9 war es trotz alledem. Im 20. Leg versenkte Martin Lukeman die Pfeile seiner letzten Aufnahme in der 20, in der Triple-20 und im Bullseye, damit hatte er die 130 erzielt, was einen prächtigen Set-up-Shot darstellte. Noch besser machte es auf der anderen Seite allerdings Rob Cross, er hatte sich vorher die 140 als Vorbereitung serviert und die 12 gestellt. Mit dem nächsten Wurf traf er die Double-6, das bedeutete den Leggewinn.
Exakt wie in der ersten Viertelfinalpartie, ging es auch hier mit 10:10 in die letzte Pause
Vor allem Martin Lukeman kam aus dieser enorm gestärkt zurück, den Beleg dafür lieferte er prompt. Nachdem er in Durchgang 21 das begonnene Leg souverän hielt, verstand er es, im 22. Durchgang den zweifelsohne köstlichsten Augenschmaus dieser Begegnung aufzutischen: 120 – 180 – 177 – 24, das war der 10-Darter, der ihm das Break zum 12:10 bescherte. Auch im 23. Leg ließ er sich den Anwurf nicht nehmen, 13:10. Obwohl sich Rob Cross im 24. Durchgang nochmals mit 13 ausgezeichneten Treffern zurückmeldete, wobei er das 104er-Finish nur äußerst knapp versäumt hatte, konnte man sich kaum des Eindrucks erwehren, dass der 34-Jährige, der aus dem im südöstlichen Kent gelegenen Pembury stammt, aber schon lange in Hastings beheimatet ist, mit diesem Match irgendwie durch war. 11:13. Denn schon ein Leg später hatte Martin Lukeman das nächste Bullseye-Finish ans Board gezaubert: 19, 20, 50 – damit war er 89 Zähler quitt geworden, 14:11. Und als er im 26. Durchgang zunächst Aufnahmen von 121, 180 und 140 ablieferte, um dann mit insgesamt 14 Würfen das nächste Break einzutüten und das 15:11 auszumachen, war der Gegner, der selbst eine Möglichkeit auf Doppel gehabt hatte, diese aber nicht nutzen konnte, vollends bedient. Im Endspurt des 27. Legs befand sich Rob Cross noch auf der 151, da hatte Martin Lukeman die 74 vor der Brust, manövrierte den ersten Pfeil in die Triple-14, der zweite landete im Aus, aber der dritte begab sich schnurstracks in die Double-16, 16:11. Damit war auch das zweite Viertelfinale entschieden, mit 98,34 im Average hatte Martin Lukeman das Halbfinalticket gezogen. Rob Cross (mit 94,63 im Schnitt) konnte nur noch gratulieren, wie bei Cameron Menzies zuvor, kamen auch seine Glückwünsche aufrichtig rüber, somit ist auch der letzte gesetzte Spieler aus dem Turnier ausgeschieden.
Ein Halbfinale: Mickey Mansell versus Martin Lukeman – wer darauf vorher gesetzt hatte, ging ohne Zweifel mit einer extravaganten Gewinnquote nach Hause, – es war einmal mehr die Überraschung schlechthin. Wobei man in Anbetracht der letzten beiden Major-Turniere eigentlich kaum mehr verblüfft sein dürfte, trotzdem bekam man den vor Erstaunen weit geöffneten Mund kaum mehr geschlossen. „Absolutely brillant!“, das war der Kommentar, den die Kollegen vom englischen Sender heute des Öfteren abgaben, man konnte sich dieser Meinung nur anschließen. Es waren lediglich zwei Spiele gewesen, aber man bekam unheimlich viel Darts und unwahrscheinlich intensive Darbietungen geboten und auch viele imposante Akzente waren dabei. Morgen geht es weiter mit den abschließenden beiden Viertelfinals, was bleibt ist der Abschiedsgruß: Gute Nacht and Always Look on the Bright Side of the Flight!