Grand Slam of Darts – die Gruppenphase geht in ihre letzte Runde
Letzter Tag der Gruppenphase und die letzten acht Entscheidungen, wer ins Achtelfinale einziehen würde, standen auf dem Programm. Hatte der gestrige Abend schon für hinreichend Wow-Momente gesorgt, mit einem grandios aufspielenden Gerwyn Price, der einmal mehr bewies, dass der Grand Slam tatsächlich sein Lieblingsturnier zu sein scheint und einem Titelverteidiger, Michael Smith, dem es am gestrigen Tag gelungen war, von der vorübergehenden Tabellenspitze kommend, das Ticket in die nächste Runde noch wegzuwerfen. Was sich vorher wie bloße Theorie angefühlt hatte, war plötzlich Realität geworden. Auf der anderen Seite solide auftretende Dartskünstler wie Krzysztof Ratajski, der den Einzug in die nächste Runde aus eigener Kraft bewerkstelligte, während Gary Anderson und James Wade zusätzlich noch die Schützenhilfe ihrer Gruppenkonkurrenz in Anspruch genommen hatten. Ein Chris Dobey, der auch gestern wieder unglaublich stark gestartet war, um sich dann Fehler um Fehler zu leisten, trotzdem von der Schwäche des Gegners profitierte und doch noch über die Ziellinie stolperte, ein Josh Rock, der diesmal offensichtlich die Ernsthaftigkeit zur Ausübung seines Berufes im Hotel gelassen hatte, ein Luke Humphries, der mal wieder nicht zu stoppen war UND last not least ein furios auftretender Ryan Searle, der den sechsten 9-Darter der Turniergeschichte servierte und – besonders beeindruckend – mit diesem Kunststück sein Match beendete. Kleines Bonmot am Rande: Augenzwinkernd teilte Ryan Searle mit, er hoffe nicht, dass Gary Anderson dieses Jahr Weltmeister würde, denn er müsse befürchten, dass der Schotte damit seine Darts an den berühmten Nagel hängen und Searle somit seinen Trainingspartner verlieren würde.
Die nächsten acht Tickets
Die ersten acht Teilnehmer für die zweite Runde waren also ausgemacht, heute würde sich entscheiden, wer dieses erlesene Feld komplettieren durfte. Obgleich wir am Vorabend äußerst abwechslungsreiche und ebenso unterhaltsame Partien erleben konnten, vermittelte die Ergebnisliste ein ganz anderes Bild: zweimal wurde das 5:3 verzeichnet, die anderen sechs Duelle endeten allesamt 5:1. Man würde gespannt sein, ob man bei den heutigen Spielergebnissen ein paar neue Ziffern kennenlernen durfte. Auf jeden Fall hatte der gestrige Abend gezeigt, dass in den abschließenden Gruppenspielen die verschiedensten Konstrukte möglich sind, weil jeder für sich es mit einer eigenen Ausgangssituation zu tun bekam. Bei einigen, so leider auch bei unserem deutschen Teilnehmer Ricardo Pietreczko stand nur noch der Kampf um Platz drei im Angebot, wobei auch jede bessere Tabellenposition monetär zählte. Etliche Protagonisten durften sich jedoch auch noch berechtigte Hoffnung auf den Einzug ins Achtelfinale machen, und so wiesen alle Partien einen separaten Spannungswert auf, wenn auch entsprechend mit unterschiedlichem Grad versehen. Und gerade die Vielschichtigkeit der Konstellationen machte es möglich, dass die Sieger des heutigen Abends nicht zwangsläufig in die nächste Runde wandern würden. Gestern war das zwar der Fall, demzufolge zogen alle Gewinner des Vortages in der Tat auch ins Achtelfinale ein. Es wäre aber auch gut möglich, dass so mancher heute sein Abendmatch gewinnt und trotzdem nach Hause fliegen muss. Abhängig war das von verschiedenen Kriterien, wie bereits gebuchte Siege, einkassierte Niederlagen und auch von der Anzahl gewonnener, respektive verlorener Legs.
Der Verlierer, der trotzdem uneingeschränkter Sieger bleibt
Gleich in der ersten Partie des Abends war der Überraschungsmann des Turniers im Einsatz: Stowe Buntz. Dass der Amerikaner die Gruppe E nach dem Wochenende als Tabellenerster abschließt, darauf wäre vorher wohl niemand gekommen, möglicherweise nicht einmal er selbst. Es war auch nicht so, dass „Buntzy“ mit Peter Wright und Stephen Bunting irgendwelche No-names aus dem allwöchentlichen Herrenkränzchen besiegt hatte. In jedem Fall ein interessanter Typ, dessen Präsenz wir hoffentlich auch nach dem Grand Slam noch des Öfteren auf diesem Kontinent erleben dürfen. Denn auch wenn sich Stowe Buntz nach dem ersten Siegerinterview ausgesprochen bescheiden gab, so informierte er gestern darüber, dass wir sein bestes Darts noch gar nicht gesehen hätten.
Sein heutiger Gegner, Dave Chisnall hatte sich den Tabellenplatz, den er nach dem Wochenende einnahm (letzter), sicher auch ganz anders vorgestellt. Die hervorragende Saison auf der European Tour hatte ihn einigermaßen selbstbewusst und optimistisch in dieses Turnier starten lassen. Doch aller Hoffnung ward er bereits nach zwei Spieltagen beraubt. Für ihn ging es heute nurmehr um besagten dritten Platz (und ein wenig kosmetische Korrektur des Gesamtbildes).
Und dementsprechend legte der Engländer los. Erstes Leg, erstes High-Finish, 104 (T18, 10, D20) und es stand 1:0. Mit den soliden „Chizzy“-Würfen, die ihn ausmachen, holte er sich postwendend auch den zweiten und dritten Durchgang. 3:0. Auf der anderen Seite zeigte Stowe Buntz ordentliche Aufnahmen, hin und wieder auch mal weniger ordentliche, aber vor allem bei den Doppeln war heute für ihn der Wurm drin. Tolle Momentaufnahmen, aber das Checkout ließ zu wünschen übrig. Doch auch „Chizzy“ ließ im vierten Leg liegen, und nachdem der Amerikaner eine weitere Chance bekam, war auch er endlich auf der Anzeigengrafik angekommen. 1:3. Nachdem die Doppelfelder am Außenkreis ihm heute so viele Schwierigkeiten bereiteten, versuchte es „Buntzy“ im fünften Leg halt mal mit Bullseye. Und siehe da, sein erstes High-Finish 122 (18, T18, 50) ward gecheckt. 2:3.
Sechster Durchgang: nochmals stellte sich Buntz die 50, aber Chisnall war schneller, löschte Dank hervorragendem Set-up-Shot (139) die 28 und ging mit 4:2 in Führung. Der Leg-Erfolg im siebten Durchgang zum 3:4, war dann ein ganz wichtiger für Stowe Buntz, denn mit dem dritten Leg-Gewinn in diesem Match sicherte er sich Position eins in der Gruppe E und somit auch den Bonus für diese Extraleistung. Der Amerikaner, authentisch bis ins Knochenmark, eine echte Type und eine wirkliche Bereicherung für die Dartszene, ging somit, egal was in diesem Match noch passieren würde, als Führender der Gruppe E, in der neben ihm immerhin Dave Chisnall, und die ehemaligen Weltmeister Stephen Bunting und Peter Wright kämpften, in die nächste Runde. Chapeau!
Erst in Leg Acht die erste 180 für Dave Chisnall, der sonst eher dafür bekannt ist, dass er das Triple-20-Segment malträtiert bis der Arzt kommt. Dennoch erzwang Buntz den Ausgleich, das hatte man so auch wieder nicht kommen sehen. 4:4. Den neunten Durchgang begann „Chizzy“ mit seiner zweiten 180, während der Amerikaner hier wieder signifikant nachließ. Man darf auch nicht vergessen, dass dieser Tage einiges an Medieninteresse auf den bislang unbekannteren Dartsprofi eingeprasselt war. Obgleich man nicht das Gefühl hatte, dass der bodenständige Spieler aus den Vereinigten Staaten dies nicht handhaben könnte, muss diese Anstrengung auch einen gewissen Tribut an die Konzentration gefordert haben. Alles andere wäre unnatürlich. Den zweiten Matchdart nutzte der Engländer, um zumindest noch einen Tagessieg in diesem Turnier einzufahren. 5:4. Am Gruppensieg und Achtelfinalticket für Stowe Buntz sollte das nichts mehr ändern.
Die gleiche Ausgangslage wie im vorausgegangenen Duell fanden die Akteure des zweiten Spiels vor. Unglücklicherweise war es Ricardo Pietreczko, der hier um den Trostpreis des dritten Platzes fighten musste. Auch heute hatte „Pikachu“ wieder einen Kontrahenten mit Heimvorteil gegenüber stehen, allerdings einen englischen Mann, und somit musste der Deutsche nicht mit ganz so viel lautstarkem Widerstand von Seiten des Publikums rechnen. Sein Gegner, Nathan Aspinall, hatte seinen Platz im Achtelfinale bereits sicher, denn die beiden anderen Achtelfinal-Aspiranten, Beau Greaves und Damon Heta, traten gegeneinander an, somit waren nur für einen der beiden weitere zwei Siegespunkte im Bereich des Möglichen. Trotzdem konnte „Pikachu“ nicht damit rechnen, dass „The Asp“ ihm auch nur einen Deut Platz einräumen würde, denn für den Engländer galt es, auch den wirtschaftlichen Bonus (3.500,- GBP) des Gruppenersten zu verteidigen.
Als wäre das Publikum gar nicht anwesend
Mit relativ kühlem Auftritt sah man Ricardo den Walk-on entlang schreiten. Das war etwas überraschend, denn er darf nicht vergessen, wie viele Turniere insgesamt auf englischem Boden stattfinden, daher ist es vielleicht nicht das cleverste, die Menge, die äußerst nachtragend sein kann, jetzt kategorisch zum „Feind“ zu erklären. Doch genau diesen Eindruck vermittelte der Deutsche. Man hatte so ein bisschen das Gefühl, „Pikachu“ sei im Hotel geblieben und hätte in Vertretung „Primadonna“ geschickt.
Es sei wie es ist, trotzdem startete Ricardo stark. Mit verbissen eisigem Gesichtsausdruck demonstrierte er ausschließlich Konzentration aufs Board, ging 1:0 in Führung. Im zweiten Durchgang stand er auf der 18, warf jedoch erst die 9, dann die 19 – „no score!“ Auf der anderen Seite die 58 für Aspinall. Eigentlich ein Betrag, der „The Asp“ nicht wirklich erschrecken kann. Doch zum zweiten Mal in Folge löschte der Engländer gerade mal klägliche 38 Punkte. „Pikachu“ nutzte die erneute Aufnahmemöglichkeit, und es stand 2:0 für ihn. Dann ein weiterer fantastischer Start vom gebürtigen Berliner in Durchgang Drei, doch der anschließende Double-Trouble ließ Nathan Aspinall wieder ins Leg. Der kam nun langsam besser ins Spiel und verkürzte auf 1:2. Im nächsten Leg auch Probleme für Aspinall, die Darts im Doppel unterzubringen, doch Ricardo Pietreczko konnte das nicht für sich nutzen, und so erzwang der Engländer mit dem vierten Leg-Pfeil doch noch den Ausgleich 2:2. Fünftes Leg mit wunderbarem Start von Ricardo (140, 100, 180) und reichlich Klein-Klein hinterher. Während er vorher nur neun Darts für 420 Punkte gebraucht hatte, benötigte er nun weitere acht Darts, um die verbliebenen 81 auszuradieren. Zu seinem Glück warf sein Gegenüber jedoch noch mehr Kleinmist, und so ging der Deutsche wiederum in Führung, 3:2.
Im sechsten Durchgang setzten beide der Absonderlichkeit des Spiels die Krone auf. Ricardo Pietreczko wollte es mit sieben Pfeilen aufs Doppel nicht gelingen, die 40 auszumachen. Nathan Aspinall, er hatte Anwurf in diesem Leg, verhökerte acht Leg-Darts, inklusive einem aufs falsche Doppel, bevor er zum 3:3 ausgleichen konnte. In Leg sieben eine schöne 164 vom in Nürnberg ansässigen Deutschen, doch auch wenn das noch nicht die Checkout-Aufnahme war, sicherte er sich den Durchgang kurze Zeit später. 4:3. Das achte Leg begann Nathan Aspinall mit der 180, versuchte weiterhin wankend dranzubleiben und stolperte irgendwie zum Leg-Gewinn, somit erneut Ausgleich, 4:4. Es ging über die volle Distanz, beide lieferten solide Aufnahmen im Entscheidungsleg, doch Ricardo war derjenige, der sich den perfekten Zeitpunkt für eine weitere 180 aufgespart hatte, somit näherte er sich der Ziellinie mit weit größeren Schritten als sein Gegner. Für die 28 brauchte er vier Pfeile, aber „The Asp“ war noch weit genug entfernt, und so verschönerte Ricardo den Abend doch noch mit einem versöhnlichen Tagessieg.
Sein Gesichtsausdruck zeigte trotzdem keine Versöhnungsbereitschaft, der Frust saß einfach zu tief. Ohne sich nochmal in irgendeiner Weise zum Publikum, das er wirklich den ganzen Abend konsequent mit Missachtung gestraft hatte, umzudrehen, rauschte er vollkommen desillusioniert von der Bühne. Es muss naturgegeben eine gewisse Genugtuung für den Deutschen gewesen sein, zumindest noch einen Sieg mit nach Hause zu bringen, aber wahrnehmbar war dieses Minimum an Zufriedenheit von außen nicht. Und so blieb der irritierte Verlierer allein auf der Bühne zurück, während der Sieger des Matches mit eisiger Miene längst hinaus gestürmt war.
Gruppe G, also „G“ wie Gerwen
Weiter ging es mit dem niederländischen Duell der Gruppe G: Michael van Gerwen gegen Martijn Kleermaker. Ein weiteres Mal der Gruppenführende gegen den Tabellenletzten. Aus dem Achtelfinale war „Mighty Mike“ nicht mehr zu verdrängen, sehr wohl aber hätte ihm Rob Cross noch die Prämie für den Gruppensieg rauben können. Dazu wäre aber nicht nur ein Erfolg des Engländers mit entsprechendem Legvorsprung vonnöten gewesen, vor allem müsste auch Kleermaker den Landsmann besiegen. Sogar Fallon Sherrock hatte auf dem Papier noch eine minimale Chance, van Gerwen abzufangen, hierfür war der Berganstieg aber noch um einiges steiler. Sie selbst mit einem „White Wash“ gegen Rob Cross, plus den selben Waschgang im Parallelduell, sprich ein 5:0 vom „Dutch Giant“ gegen „MvG“. Dass Kleermaker zu solch gigantischem Sturmlauf gegen Michael van Gerwen in der Lage war, schien heute ebenso aussichtslos wie ein Überrollmanöver von Fallon Sherrock in Richtung des derzeit doch recht formstabilen Rob Cross. Martijn Kleermaker hingegen teilte das Schicksal von Ricardo Pietreczko und Dave Chisnall, er wollte zumindest noch Platz drei einheimsen. Und nachdem Kleermaker angekündigt hatte, nach dieser Saison eine Pause vom Darts nehmen zu müssen, hätte ihm wohl jeder zumindest noch einen Tagessieg (vor allem gegen seinen erfolgsverwöhnten Landsmann) gegönnt.
Und Martijn Kleermaker begann vielversprechend. Im ersten Leg warf er seine erste 180, und gegen einen schwach beginnenden „Mighty Mike“ holte er konsequent das Break zum 1:0. Zweites Leg, zweite 180, Break bestätigt und es stand 2:0 für den 2,03 Meter Mann, der dementsprechend „The Dutch Giant“ genannt wird. Im dritten Leg wollte van Gerwen seinen Anwurf kein zweites Mal hergeben, 1:2. Aber auch Kleermaker erhob berechtigten Anspruch auf sein Leg, 3:1. Und obwohl „MvG“ nicht wirklich sein A-Game zur Verfügung hatte (das hatte er in diesem Turnier bislang erst einmal mitgebracht und zwar im Match gegen Fallon Sherrock – ist das ein Kompliment für sie?), packte er das fünfte Leg auf sein Konto. 2:3.
Im sechsten Durchgang die erste 180 von van Gerwen, das Leg ging trotzdem an seinen niederländischen Kollegen, 4:3 für Kleermaker. Doch trotz durchwachsener Leistung schaffte es Michael van Gerwen immer wieder zurückzuschlagen, der dreimalige Weltmeister holte sich die Durchgänge acht und neun zum Ausgleich, nicht zuletzt, weil Kleermaker zwar immer wieder toll scorte, dann aber den letzten Pfeil auf Irrfahrt schickte. 4:4. Der Decider: Martijn Kleermaker ließ sich endlos Zeit, bis er in die Nähe eines Doppelfeldes kam, und so konnte er es nicht bestrafen, dass „MvG“ acht Pfeile benötigte, um die 52 auszumachen – eines Spielers seiner Güteklasse eigentlich völlig unwürdig, „but he can only blame himself“. Ein freudloser Sieg für Michael van Gerwen, doch wirklich entscheidenden Einfluss auf das Tabellenbild hatte dieser Erfolg ja auch nicht. Und vermutlich war es auch der Respekt vor Martijn Kleermaker, der den berühmten Oranje-Spieler im grünen Trikot von größeren Siegesposen abhielt.
Er kam, sah und siegte
Das vierte Spiel des Abends, und Andrew Gilding betrat zusammen mit Haruki Muramatsu (Gruppe F) den Raum. Der heutige Abend war zugleich auch die letzte Session, in der die Kontrahenten noch gemeinsam den Walk-on bestreiten mussten. „Goldfinger“ war mit ähnlichen Werten wie der vor ihm auf Rang zwei liegende Brendan Dolan angetreten, (lediglich ein Leg-Verlust mehr auf dem Konto), hatte also noch alle Chancen auf die nächste Runde. Für den Japaner hingegen galt: der dritte Platz ist besser als nichts.
Ein wenig erinnerte dieses Match an die gestrigen Begegnungen, die Krzysztof Ratajski und James Wade für sich entscheiden konnten. Doch trotz aller Parallelen unterschied sich das Match doch in dem einen oder anderen Aspekt von den gestrigen Vorstellungen. Zum einen holte sich Haruki Muramatsu das erste Leg nicht nur mit High-Finish 101 (20, T19, D12), obendrein war es ein Break, denn er war nicht der Anwerfer dieses Durchgangs. Doch dann das Synchronphänomen zum gestrigen Tag: ab Leg Zwei begann die Gilding-Showtime. Mit seinen bewährten Ritual-Bewegungen trat er ein ums andere Mal ans Oche, zielte, warf und traf. Mit fast stoischer Gelassenheit holte er sich ein Leg nach dem anderen, das ganze fünfmal in Folge, und es stand 5:1. Es waren durchwegs herausragend konstante Aufnahmen, hervorheben müsste man noch den vierten Durchgang: die 136 löschte Andrew Gilding mit Triple-20, Triple-20, Double-8. Der Sieg für „Goldfinger“, und somit hatte er auch den Einzug ins Achtelfinale unter Dach und Fach gebracht.
Gruppe F, also „F“ wie „Freeze“
Sofort im Anschluss daran die beiden Wochenend-Führenden derselben Gruppe: Danny Noppert und Brendan Dolan. Danny Noppert hatte mit zwei Siegen aus den ersten beiden Sessions eigentlich ein komfortables Polster. Doch spätestens nach dem gestrigen Match „Michael Smith versus James Wade“ hatte man gelernt, zwei Siege sind keine Gewährleistung fürs Achtelfinale, wenn gegenüber die Nummer zwei der Tabelle antritt und die Nummer drei besagter Gruppe gerade eben sein Match mit 5:1 gewonnen hat. Vor allem, wenn man selbst mit sechs Legs auf der Verlust-Habenseite zu Buche steht. Mit nicht allzu erschreckendem Rückstand bei den Zahlen schnupperte Nopperts heutiger Gegner, Brendan Dolan, Morgenluft und stand ihm daher äußerst bedrohlich auf den Fersen.
Entsprechend energievoll startete der Nordire auch ins Match. Klasse Set-up-Shot (165) und er musste nur noch die 16 ausmachen – gesagt, getan. 1:0 und gleich das Break für den „History Maker“. Doch Danny Noppert, der gerne mal verspätet ins Match startet, wollte dem Gegner bei dieser kurzen Distanz keinen allzu großen Vorsprung gewähren und holte sich trotz Dolans erster 180 das Re-Break, 1:1 und entgegen drei verworfener Leg-Darts im Anschluss auch gleich das 2:1. Brendan Dolan schlug umgehend zurück, 2:2. Den fünften Durchgang startete der Niederländer mit seiner ersten 180, holte auch das Leg und es stand 3:2. Im sechsten Leg beide mit Problemen auf der Doppel, mit dem besseren Ende für Danny Noppert, und somit sicherte er sich das 4:2. Für „The Freeze“ insofern ein wichtiger Leg-Gewinn, denn damit hatte er Platz eins in seiner Gruppe festzementiert. Dann sah es nach einem raschen Ende aus, doch Noppert hatte seine kurzzeitige Doppel-Krise noch immer nicht wirklich in den Griff bekommen, und diesmal war der Nordire zur Stelle, 3:4. Im achten Durchgang brauchte auch „The History Maker“ einige Versuche, das Doppelfeld zu finden, aber diesmal war der Niederländer um einiges ins Hintertreffen geraten, und so fand Brendan Dolan die notwendige Zeit, um auszuchecken. 4:4. Der Nordire hatte die Verlängerung erzwungen, es also nochmal spannend gemacht. Neuntes Leg, und Danny Noppert packte nicht nur seine zweite 180 aus, sondern servierte auch noch ein hervorragendes High-Finish. Nachdem er zunächst nur die 20 getroffen hatte, legte er mit der Triple-18 und Bullseye nach, und die 124 ward ausgemacht. 5:4 Sieg für „The Freeze“.
Zwei, die sich mögen, doch einer muss den anderen trotzdem nach Hause schicken
Dann Peter Wright gegen Stephen Bunting, in der Tabellen-Sandwich-Position der Gruppe E. Da ging es um alles oder nichts – nicht mehr und auch nicht weniger. Faszinierend, wie schnell man sich an den Gedanken gewöhnt hatte, dass „Buntzy“ bereits eine Runde weiter war! Doch wer würde Stowe Buntz ins Achtelfinale begleiten? Bei Stephen Bunting wusste man, dass sein Entschluss, etwas schwerere Darts zu verwenden, ihm einen entscheidenden Schub nach vorne versetzt hatte. Bei Peter Wright konnte man nie wissen, welche Darts am Abend zum Einsatz kamen, vorzugsweise alle.
„The Bullet“ im ersten Leg mit einem kleinen Fauxpas, die 25 lässt sich halt einfach nicht mit 9, 8, 13 auschecken. So konnte sich Peter Wright sechs Würfe lang Zeit lassen, um die 24 zu löschen. 1:0. Bunting putzte im zweiten Durchgang die 103 (T20, 3, D20) weg und holte sich den Ausgleich 1:1. Im dritten Leg war es die 101 (T20, 1, D20), die der Engländer ausmachte. 2:1. Im vierten Leg wollte er ein wenig Ziffern-Abwechslung aufrecht erhalten, diesmal war es die 107 (T19, 10, D20), die er vom Board kratzte. 3:1, bevor er den fünften Durchgang nach 99er Set-up-Shot mit einem stinknormalen Double-14 ausmachte. Wie gewöhnlich! Was erlaubt der sich? 4:1. Peter Wright war zu hundert Prozent klar, dass er spätestens jetzt anfangen musste, wenn er noch ein Comeback plante. Und auch dem Schotten war nicht entgangen, dass er hohe Checkouts benötigte, wollte er den Durchgang vor seinem englischen Gegner beenden. Mit dieser weisen Überlegung im Hinterkopf (die Gedanken links hinter der Schlange verborgen), kickte er die 116 (20, T20, D18) vom Board. 2:4.
Im siebten Durchgang beide fast synchron mit der 180. Diese ließ „Snakebite“ die 61 übrig, während Stephen Bunting die 81 vor sich sah. Der Engländer war als erstes am Zuge, warf die 7 und die Triple-14. Was zum glücklichen Ausgang fehlte, war die Double-16. Begleitet von den Pfiffen des englischen Publikums traf der Engländer nur die einfache 16. Dann war Wright wieder dran. Begleitet von den Anfeuerungsgesängen des englischen Publikums traf der Schotte erfolgreich das halbe Bullseye und die Double-18 – irgendwie verkehrte Welt. Aber „Snakebite“ erfreut sich nun mal ungemeiner Beliebtheit, egal, wohin er kommt. Und so stürmte er vor dem herangenahten „Bullet“ über die vorläufige Ziellinie zum 3:4. Doch Stephen Bunting hatte sich den kurzzeitigen Sprint seines Kontrahenten lange genug angesehen. Im achten Durchgang konnte ihn auch der Widerstand des Publikums nicht mehr davon abhalten, den dritten Matchdart zu versenken. 5:3 für „The Bullet“ und damit hatte auch er seinen Achtelfinalplatz sicher.
Im anschließenden Siegerinterview betonte der Engländer, wie sehr es ihm leidtat, ausgerechnet seinen guten „mate“ rausgeworfen zu haben. Peter sei „einer seiner engsten Freunde auf der Tour“ und jetzt kam es: Stephen Bunting unterstrich, dass er absolut verstünde, dass die Menge hinter Peter Wright stand, er selbst würde ihn auch so gerne mögen, dass es für ihn selbstverständlich sei, in der Zuschauergunst ins Hintertreffen zu geraten, wenn er gegen Peter spiele. O.k., so kann man mit dem subjektiven Publikumsverhalten auch umgehen!
Die letzten beiden Matches des Abends und auch dieser Runde sollten nochmal ein extra Schmankerl (Übersetzung für alle, denen der bairische Dialekt nicht vertraut ist: „einen besonderen Anreiz“) bieten: die zwei Damen, die angetreten waren, um es den Herren der Darts-Schöpfung zu zeigen, standen nun nacheinander auf dem Programm.
Fallon Sherrock, MBE, gegen Rob Cross, ohne MBE, dafür aber mit einem WMT (Weltmeistertitel)
Es galt dasselbe wie für Wright und Bunting im Match zuvor, wer siegte, war weiter. Wie vorher bereits erwähnt, hatte schon Michael van Gerwen gegen die Engländerin sein A-Game im Gepäck, und auch Rob Cross, der in seinen letzten beiden Spielen zwischendurch mal kurz eine Schaffenspause eingelegt hatte, zumindest was das Auschecken anging, war heute vom ersten bis zum letzten Pfeil on fire. „The Queen of the Palace“ scheint die Herren anzuspornen, wirklich exzellentes Darts ans Board zu bringen. O.k., man möchte sich in Anwesenheit eines Members of the British Empire vielleicht auch von bester Seite zeigen.
Dabei startete Sherrock ausgezeichnet, nahm ihrem männlichen Gegenüber gleich mal den ersten Anwurf ab und ging 1:0 in Führung. Doch auch „Voltage“ ließ sich nicht lange bitten. Fallon Sherrock stand auf der 142, als sie die Chance zum Auschecken mit dem ersten Dart wegwarf. Die Triple-20 und die Triple-10 im Nachgang stellten zwar einen hervorragenden Set-up-Shot dar, doch einen weiteren Versuch sollte es nicht geben, Rob Cross hatte sich bereits das Re-Break eingeholt. 1:1. Drittes Leg, die erste 180 der Partie ging an die Engländerin, doch „Voltage“ war derjenige, der in diesem Durchgang den ersten Pfeil aufs Doppel hatte respektive derer drei und den dritten nutzte er, 2:1.
Leg Vier: die 111 kein Thema für Rob Cross, rausgenommen mit Triple-19, 14, Double-20 und es hieß 3:1. Im Anschluss ein ebenso problemloses 4:1 und man dachte, das war`s dann. Doch „The Queen of the Palace“ stemmte sich nochmal mit aller Kraft gegen die vorzeitige Niederlage. Da half auch die erste 180 des Weltmeisters von 2018 nichts, Sherrock nahm das 4:2 an sich. Siebtes Leg und die Spielerin, die ebenfalls den Nickname „History Maker“ tragen könnte, bäumte sich erneut mit ausgezeichnetem Set-up-Shot (125) auf. Doch auch der kam zu spät. Obwohl Rob Cross mit dem zweiten Wurf im Madhouse landete, fand er den Ausweg gerade noch rechtzeitig und brachte Fallon Sherrock eine empfindliche Niederlage bei. Denn damit war die sichtlich enttäuschte Engländerin raus, Rob Cross hingegen durfte sich seine Fahrkarte ins Achtelfinale abholen.
Zum Schluss entschieden die Nerven
Den Abschluss bildeten Beau Greaves und Damon Heta. Zum dritten Mal in Folge hieß es: der Matchsieger zieht das Achtelfinalticket. Mit den meisten 180ern der ersten zwei Gruppenspiele des Wochenendes konnte Beau Greaves mit einigem Stolz auf die Statistiken blicken. Während das vorausgegangene Duell unter dem Strich doch eine recht eindeutige Angelegenheit war, musste sich Damon Heta hier extrem strecken, um mit der Spielerin aus England mithalten zu können. Da half es auch wenig, dass „The Heat“ das Match mit der 180 begann, denn „Triple is funny“ und Beau Greaves checkte die 101 (T20, 9, D 16). 1:0. Im zweiten Durchgang missglückte es „Beau 'n' Arrow“ nur um Haaresbreite, auch die 142 rauszunehmen, und so bekam der Australier fünf Darts Zeit, um die 56 auszumachen. 1:1. Im dritten Leg wäre es beinah der „Big Fish“ für die junge Engländerin geworden, der Pfeil in die 25 verhinderte die Anglerzulassung. Die verbliebenen 25 wischte sie bei der nächsten Aufnahme trotzdem weg, 2:1. Im vierten Leg dann auch die erste 180 von Beau Greaves – im Gegensatz zum Wochenende hatte sie sich heute damit regelrecht Zeit gelassen – konsequent zu Ende gespielt und es stand 3:1.
Damon Heta wusste, er musste endlich dazwischen grätschen, wenn er nicht überrollt werden wollte. Seine nächste 180 – wohlgemerkt als Set-up-Shot – und im Anschluss ein brillantes High-Finish, 164 (T19, T19, Bullseye). Damit hatte „The Heat“ ein wahrhaftes Ausrufezeichen gesetzt, was ihm auch den Auftrieb für den nächsten Durchgang gab, das nächste geniale High-Finish, 130 (T20, T20, D5) und der Ausgleich zum 3:3. Doch „Beau 'n' Arrow“ zeigte sich unbeeindruckt von der Aufholjagd, auch wenn die ihresgleichen suchte. In Leg Sieben schleuderte sie dem Kontrahenten das 4:3 um die Ohren. Danach so ein bisschen Double-Trouble auf beiden Seiten, trotzdem antwortete der Australier mit dem 4:4. Wie so manches andere Duell an diesem Abend ging auch jenes Match über die volle Distanz: und irgendwie konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses Spiel in der Schlussphase über die Nerven entschieden wurde. Ein weiteres High-Finish 105 (T19, 16, D16) für „The Heat“, und obwohl es lange Zeit so ausgesehen hatte, als wenn Beau Greaves ihre großartigen Leistungen auch an diesem Abend mit einem vollen Erfolg krönen könnte, hieß der Sieger letztendlich Damon Heta. 5:4. Somit werden wir auch den Australier im Achtelfinale wiedersehen.
Die weiteren acht Teilnehmer, die die zweite Runde komplettieren, standen fest. Der letzte Abend der Gruppenphase bot vielleicht keinen 9-Darter wie der Vorabend, dafür aber extrem intensive Matches mit vielen aufregenden Begegnungen, dramatischen Verläufen und Ergebnissen, die auf jeden Fall weiterhin für massive Spannung sorgen werden. Morgen geht es weiter mit den ersten vier Partien der Achtelfinals – bis dahin: stay bright, nice flight!