Hungarian Darts Trophy 2024: Drei Deutsche waren noch am Start, doch heute war Drama pur angesagt
Finaltag in der Multifunktionsarena, BOK Sportcsarnok in Budapest! 16 Teilnehmer hatten sich gestern für den heutigen Nachmittag empfohlen, durch die Brille mit dem schwarz-rot-goldenen Rand geblickt, erspähte man beim Anblick auf das Starterfeld auch drei deutsche Protagonisten: Ricardo Pietreczko, Martin Schindler und Gabriel Clemens waren weiterhin mit von der Partie. Während wir heute mit Spannung auf das niederländische-deutsche Duell, Michael van Gerwen versus Gabriel Clemens warteten, hatte Ricardo Pietreczko seine Begegnung mit einem Vertreter aus der Oranje-Monarchie schon gestern, da war es Niels Zonneveld, der den Deutschen forderte und gefordert hat er ihn tatsächlich in nachdrücklicher Weise. Der Kampf auf Augenhöhe ging bis in den Decider, den Ricardo Pietreczko dann aber doch relativ souverän für sich entschied. Martin Schindler hatte im Match gegen den Waliser Jim Williams, nicht zum ersten Mal unter Beweis gestellt, dass er jederzeit in der Lage ist, das Niveau seiner Treffsicherheit während eines Spielverlaufs essentiell anzuheben, um dank der Leistungssteigerung den Sieg nach Hause zu bringen. Nur Florian Hempel wollte es gestern nicht gelingen, den letzten Schritt über die Ziellinie zu machen, im Match gegen Daryl Gurney war er zunächst ins Hintertreffen geraten, schaffte dann einmal mehr ein spektakuläres Comeback, das er diesmal aber nicht veredeln konnte. Mit einem ganz speziellen Highlight wartete gestern Abend Gabriel Clemens auf, er schickte den aktuellen Weltranglistenersten, amtierenden Weltmeister und World Matchplay Champion, Luke Humphries, nach Hause. Dank seines unglaublich entschlossenen Auftritts, seiner Konsequenz im Scoring, seiner Nervenstärke beim Checkout und seiner einzigartigen Gabe, stets die Ruhe zu behalten, ließ sich der Saarländer zu keinem Zeitpunkt vom Weg abbringen. Auch die zwischenzeitliche Wachablösung auf dem Fahrersitz, konnte den Deutschen nicht aus der Fassung bringen, schließlich befindet sich Budapest auf dem Kontinent und da kommen die Engländer mit dem Lenkrad auf der linken Seite eh nicht zurecht. Mit der unerschütterlichen Manier eines „German Giants“ behielt Gabriel Clemens die Oberhand, heute will er sich Michael van Gerwen „vorknöpfen“. Der hat gestern allerdings ziemlich laut getönt, dass er seinerseits den Deutschen krachend niederwalzen würde. Gabriel Clemens hat in jedem Fall schon im Vorfeld betont, dass er sich über die neuerliche Begegnung am Board freut. Apropos Highlights, von denen jagte gestern eins das nächste, man weiß gar nicht, welches man zuerst schildern soll. Es war wie ein Staffellauf der Höhepunkte, ein extravagantes Ausrufezeichen nach dem anderen wurde ans Board gehämmert. Besagter Michael van Gerwen servierte gleich zu Beginn seiner Zweitrundenpartie gegen Martin Lukeman, den Neun-Darter, gleiches Kunststück war am Nachmittag Cor Dekker gelungen, auch wenn der da schon am Rande der Niederlage angekommen war. Der Sieger dieses Duells hieß Stephen Bunting, aber Cor Dekker war in gewisser Weise auch ein Gewinner, immerhin hatte er sich, als erster Norweger, der einen Neun-Darter auf der PDC European Tour erzielt hat, den Eintrag in die Annalen verdient. Kurzen Prozess machte Peter Wright mit Damon Heta, der Schotte schien gestern unaufhaltsam, und auch Dave Chisnall ließ Jonny Clayton nicht mitspielen. Rob Cross hatte es eilig, Andrew Gilding vom Oche zu fegen, o.k., er wollte vermutlich noch seinen 34. Geburtstag feierlich ausklingen lassen. Zu den Party-Gästen zählte womöglich sein „Mate“, Scott Williams, aber nachdem der nicht nur den favorisierten Chris Dobey aus dem Turnier geworfen, sondern auch noch (natürlich augenzwinkernd) erklärt hatte, sein Kumpel sähe aus, als sei er gestern 52 geworden, wurde er von Rob Cross vermutlich wieder ausgeladen. Im Eiltempo überrollte auch Ross Smith seinen populären Kontrahenten, Raymond van Barneveld, dass Ryan Searle kaum Federlesens mit dem lokalen Qualifikanten, Alberto Bezjian, machte, durfte da weniger überraschen. Danny Noppert hatte ebenfalls nicht allzu viel Mühe, Nathan Aspinall die Heimfahrkarte zu besorgen, obwohl er ihn zum Schluss hin durchaus nochmal ins Spiel ließ. Ein reelles Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten sich Nopperts Landsmann Gian van Veen und Keane Barry, mit dem besseren Ende für den Niederländer. Für die eigentlichen Überraschungen, im negativen Sinne, sorgten James Wade und Gerwyn Price, die beide einen völlig sicher geglaubten Sieg noch aus der Hand gaben. James Wade mit unsäglichen neun vergebenen Matchdarts und auch Gerwyn Price konnte es nicht fassen, dass er eine 5:2-Führung noch aus dem Fenster geschleudert hatte. Während beide im Anschluss vor Ärger vermutlich in ihr Darts-Set bissen, hießen die glücklichen Sieger besagter Partien: Josh Rock und Wessel Nijman.
Hat Dave Chisnall aus den gestrigen Partien von James Wade und Gerwyn Price denn gar nichts gelernt?
Den Anfang am heutigen Nachmittag machten Dave Chisnall und Daryl Gurney. Dave Chisnall hatte das Ausbullen gewonnen, ließ sich aber im ersten Durchgang den Anwurf vom Gegner stehlen, Daryl Gurney ging 1:0 in Führung. „Chizzy“ hatte jedoch unverzüglich die passende Antwort parat: 140 – 180 – 145 – 36. Der imposante 10-Darter bescherte Dave Chisnall das sofortige Re-Break zum Ausgleich, 1:1. Und der seit zehn Tagen 44-Jährige aus St. Helens bewies auch im dritten Durchgang, in welch exzellenter Form er sich befindet, das High Finish, 102 (5, T19, D20) gereichte ihm zum 2:1. Auch Daryl Gurney kann selbstverständlich High Finish, im vierten Durchgang löschte er mit Triple-20, 14 und Bullseye, 124 Punkte, der Ausgleich war wieder da, 2:2. 94 – 180 – 180 – 47, umgerechnet und zusammenaddiert ergab das den 12-Darter, es war Dave Chisnall, der diesen im fünften Leg präsentierte und wieder in Führung ging, 3:2. Dann hatte es Dave Chisnall plötzlich eilig, mit 14 Würfen schnappte er sich das sechste Leg, 4:2, und nachdem sich sein Gegenüber im siebten Durchgang, beim Versuch, 64 Restpunkte quitt zu werden, mit Triple-16, 8, 13, auch noch überworfen hatte, war auch das 5:2 relativ schnell beschlossene Sache. Aber am Rande der Niederlage angekommen, unterstrich Daryl Gurney in dieser Begegnung mal wieder, dass auch er eigentlich ein Weltklassespieler ist, dies nur leider in den letzten Jahren nicht häufig genug belegt hat. In Durchgang Acht zog er das High Finish aus dem Ärmel: die 152 checkte er mit zweimal Triple-20 und Double-16, damit verkürzte „SuperChin“ auf 3:5. Bei eigenem Anwurf hatte sich Dave Chisnall in Leg Neun, eher unfreiwillig, die 40 aufbereitet, allein er kam nicht mehr zum Zug. Daryl Gurney versuchte sich am 161er-Finish, aber statt im Bullseye landete der dritte Pfeil in der einfachen 15. Der an Nummer Eins gesetzte Engländer hatte zu diesem Zeitpunkt noch die glatte 100 vor der Brust, aber alle drei Versuche der nächsten Aufnahme landeten jeweils im einfachen 20er-Segment. Das hatte ihm besagte 40 gelassen, und Daryl Gurney durfte wieder ans Oche treten. Seine 15 gelöschten Punkte ließen ihm 35 Rest, er versenkte die Pfeile in der 3, in der 16 und in der Double-8. Somit hatte Daryl Gurney den Anschluss wieder gefunden, 4:5. Das eben errungene Break bestätigte der Nordire in Durchgang Zehn, damit hatte er gar den Ausgleich wieder erzielt, 5:5. Dabei hatte Dave Chisnall in jenem Leg sehr wohl einen Matchdart zur Verfügung gehabt, aber der Versuch, das 121er-Finish herauszunehmen, war rigoros schroff am Bullseye gescheitert. Nach einem schier aussichtslosen 2:5 Rückstand hatte Daryl Gurney die Wendung geschafft und den Decider erzwungen. Dave Chisnall hatte im Entscheidungsleg den Vorteil des Anwurfs, doch Daryl Gurney verfügte über den Vorteil des unfassbar nervenstarken Scorings und eines brillanten Checkouts. Mit dem 12-Darter: 134 – 140 – 60 – 167, sicherte er sich das elfte Leg und damit auch den Sieg. Absoluter Höhepunkt hierbei war, wie er mit Triple-20, Triple-19 und Bullseye konsequent das 167er-Finish vom Board fegte. „Chizzy“ hatte einen Average von 101,84 geliefert, Daryl Gurney präsentierte 98,21 Punkte im Schnitt. Doch das war alles bereits Makulatur, der 6:5-Erfolg ging an Daryl Gurney, zurück blieb ein fassungslos dreinblickender Dave Chisnall, der sich plötzlich im selben Albtraum wie James Wade und Gerwyn Price wiederfand.
Fand Peter Wright abermals die Taste für den Schnelldurchlauf oder geriet er selber unter heavy metallische Räder
Als nächstes standen sich Peter Wright, der auch hier zwischenzeitlich zum uneingeschränkten Publikumsliebling avanciert war, und Ryan Searle gegenüber. So überraschend die prachtvolle Machtdemonstration des Schotten am gestrigen Abend rüberkam, so stark präsentierte sich heute der Gegner. Peter Wright hatte das Ausbullen gewonnen, doch „Heavy Metal“ Ryan Searle zeigte gleich im ersten Durchgang mit dem 11-Darter, wo die heavy metallische Messlatte hängt. Zweimal die 140, das Maximum und das 41er-Checkout, da war das Leg bereits im Presswerk für gebrauchtes Hartmetall entsorgt, 1:0. Aber auch Peter Wright war immer noch gut drauf, im zweiten Durchgang servierte er sich den gekonnten Set-up-Shot (133) und auch wenn er für die verbliebene 28 zwei Aufnahmen brauchte, das Re-Break folgte auf dem Fuße, 1:1. Die Unsicherheit auf Doppel setzte sich im dritten Durchgang fort, auch hier verpasste Peter Wright vier Checkout-Darts, das bestrafte Ryan Searle mit dem neuerlichen Break, 2:1, das er in Leg Vier bestätigte, 3:1. In Durchgang Fünf packte Ryan Searle das nächste High Finish, 116 (T20, 16, D20) aus und erhöhte auf 4:1. Und im sechsten Leg hatte Ryan Searle abermals den 11-Darter zur Hand: 100 – 180 – 180 – 41, unglaublich welch rasantes Tempo der 36-Jährige aus dem englischen Wellington hier an den Tag legte, 5:1. Auch im siebten Durchgang ließ Ryan Searle seinem Gegenüber keine Chance, mit der idealen Vorbereitung (133) und insgesamt 13 treffsicher ins Board gehämmerten Pfeilen, zementierte Ryan Searle die 6:1-Klatsche gegen Peter Wright.
Auch das Red Bullseye verleiht Flügel
Ein eher einseitiges Match formten nachfolgend auch Wessel Nijman und Scott Williams. Wessel Nijman, den der gestrige Comeback-Erfolg über Gerwyn Price, offenbar beflügelt hatte, deklassierte seinen Gegner regelrecht. Der 24-Jährige aus dem niederländischen Uitgeest hatte den ersten Anwurf und lieferte im ersten Durchgang auch gleich mal zwei Maxima, – was seine Königin wohl dazu meinte, dass ihr Vorname hier so häufig zur Geltung kam? – inklusive derer er 13 Würfe benötigte, um das 1:0 auszumachen. Auch die nächsten beiden Legs sammelte er souverän ein, ohne dass Scott Williams auch nur einen Versuch auf Doppel bekommen hatte, 3:0. In Durchgang Vier präsentierte Wessel Nijman die 180 als perfekten Set-up-Shot, die verbliebene 28 löschte er bei der nächsten Aufnahme unmittelbar mit dem ersten Versuch, 4:0. Auch in Durchgang Fünf bekam Scott Williams kein Doppel-Segment zu sehen, er hatte bis dahin noch nicht ein einziges Checkout-Feld anvisieren dürfen, Wessel Nijman eilte auf 5:0 davon. In Leg Sechs förderte zur Abwechslung mal der 34-Jährige aus Boston, wohlgemerkt aus dem englischen Boston, den 12-Darter zutage: 134 – 140 – 140 – 87. Den Leggewinn feierte Scott Williams über Gebühr ab, natürlich war auch hier eine gehörige Portion Selbstironie am Start, denn der Brite mit dem typisch englischen Humor wusste, dass seine Reise hier wohl bald beendet sein dürfte, 1:5. Nach dieser Ergebniskosmetik präsentierte Wessel Nijmann erneut zwei 180er in einem Leg, es war der siebte und letzte Durchgang, den der Spieler aus der Oranje-Monarchie mit dem 13-Darter abschloss. Wessel Nijman hatte Scott Williams, mit 6:1, gnadenlos überrollt und steht nun im Viertelfinale.
Bei einem rein niederländischen Duell darf Danny Noppert eigentlich nicht fehlen
Im Viertelfinale wartet ein Landsmann auf Wessel Nijman, ob Danny Noppert dann abermals in einem rein niederländischen Duell mitwirken sollte, würde sich im nächsten Match entscheiden, denn hier standen sich Gian van Veen und Danny Noppert gegenüber. Danny Noppert, der nicht als Schnellstarter bekannt ist, kam auch heute Nachmittag nur langsam ins Rollen, ob er sich das gegen den bislang rapid durchrauschenden Gian van Veen leisten konnte, sollte sich im Anschluss zeigen. Gian van Veen hatte das intern niederländische Ausbullen für sich entschieden, holte sich im Eilverfahren Leg Eins, 1:0, für das Break in Durchgang Zwei brauchte er lediglich 14 Würfe, der passende Set-up-Shot (139) war in dieser Summe inbegriffen, 2:0. Doch in Leg Drei war auch Danny Noppert endlich im Spiel angekommen, ohne bedeutende Gegenwehr schnappte er sich das umgehende Re-Break, 1:2. Im vierten Leg hielt „The Freeze“ dann den 12-Darter, mitsamt High Finish, parat: 140 – 60 – 180 – 121, der verschaffte ihm den Ausgleich 2:2. Die 121 hatte Danny Noppert eindrucksvoll mit 20, Triple-17 und Bullseye ausgecheckt, man konnte annehmen, dass ihm dies den entsprechenden Sicherheits-Booster verschafft hatte. Aber mit dieser Einschätzung, sah man sich getäuscht, schon im fünften Durchgang verpasste Danny Noppert, beim Versuch, die Restforderung von 125 quitt zu werden, die Double-20, und ließ den Gegner nochmal ans Oche. Der vollendete den 13-Darter, der ihm zur neuerlichen Führung verhalf, 3:2. Auch in Leg sechs schleuderte Danny Noppert den letzten Pfeil ins Aus statt in Tops, Gian van Veen wusste auch das zu bestrafen, holte sich das nächste Break und ging wieder mit zwei Zählern Vorsprung in Führung, 4:2. In Durchgang Sieben war es der Wurf aufs Bullseye, der Danny Noppert, beim Versuch, das 121er-Finish herauszunehmen, haarscharf missglückte, abermals hatte er seine Chance gehabt und vergeben. Gian van Veen eliminierte derweil mit Pfeil 13 und 14 verbliebene 64 Punkte und kam dem erklärten Ziel immer näher, 5:2. Danny Noppert war im achten Durchgang nur ein My davon entfernt, den „Big Fish“ zu angeln, ein weiteres Mal war es das Bullseye, das sich nur zur Hälfte willig zeigte. Diesmal befand sich der Kontrahent jedoch nicht in der Situation, daraus Kapital zu schlagen, Danny Noppert kehrte nochmal ans Oche zurück, löschte die restlichen 25 Punkte und verkürzte auf 3:5. Doch ein erfolgsversprechendes Comeback sollte es diesmal nicht geben, mit der idealen Vorbereitung (131) machte Gian van Veen im neunten Leg den Deckel aufs Match drauf, 6:3, und somit war er der Niederländer, der heute Abend gegen den Landsmann Wessel Nijman antreten sollte.
Drei Deutsche in Folge, doch gleich der Erste erlebt ein bitteres Drama
Dann folgte ein Drama, das wirklich niemand brauchte, Ricardo Pietreczko und Ross Smith standen zum Einlauf bereit. Schon am Gesichtsausdruck konnte man Ricardo Pietreczko ansehen, dass irgendetwas nicht stimmte, die Auflösung dessen sah man wenige Augenblicke danach. Der Deutsche fasste sich mit der linken Hand immer wieder an das Gelenk der Wurfhand und auch sein schmerzverzerrtes Gesicht sagte schon alles. Zu Beginn versuchte Ricardo Pietreczko auf die Zähne zu beißen, quälte sich offenkundig und bugsierte die Pfeile irgendwie auf die Scheibe, aber es war bereits deutlich erkennbar, dass er heute kein Match würde bestreiten können. Und als Ross Smith das erste Leg ausgemacht hatte, kam vom gebürtigen Berliner das erlösende Abwinken, es machte keinen Sinn. Ross Smith und auch der Caller, George Noble sowie die Schreiber, spendeten reichlich Trost, auch das Publikum zeigte alles Verständnis dieser Welt, belegte die Unterstützung, indem man dem Deutschen mit Standing Ovations huldigte und skandierte kräftig seinen Nickname „Pikachu“. Ricardo Pietreczko bedankte sich für den intensiven Rückhalt nach seiner Entscheidung, das Match abzubrechen und war sichtlich mit den Nerven am Ende. Nicht nur der körperliche, sondern auch der seelische Schmerz kam hier zum Ausdruck. Ross Smith zeigte sich im anschließenden Interview mehr als empathisch, er betonte mehrfach, dass dies nie und nimmer die Art und Weise ist, wie man ein Spiel gewinnen möchte, dass er solch ein Drama nie zuvor erlebt hatte und niemand so etwas braucht. Zudem erzählte der Engländer, dass er schon im Practice Room bemerkt habe, dass sein Kontrahent unter starken Schmerzen leide, Ross Smith untermauerte, was für ein „lovely lad“ Ricardo sei und wünschte ihm raschestmögliche Besserung.
Was nützt einem der Neun-Darter, wenn man im Anschluss das Viertelfinalticket abgeben muss?
Nach diesem Schock wurden Martin Schindler und Stephen Bunting früher aufgerufen, als gedacht und als ihnen lieb sein konnte. Stephen Bunting hatte den ersten Anwurf, mit insgesamt 14 Würfen, inklusive der 138 als Set-up-Shot, räumte der Engländer, der in Liverpool zur Welt kam, mittlerweile aber schon lange in einer „Weltstadt des Dartsports“, St. Helens, beheimatet ist, das erste Leg ab und ging 1:0 in Führung. Stephen Bunting in Durchgang Zwei noch auf der 201, da hatte Martin Schindler schon ausgeglichen, 1:1. Im dritten Leg förderte Stephen Bunting das High Finish, 104 (T20, 12, D16) zutage, das gereichte ihm zum 2:1. Auch Martin Schindler konnte seinen Anwurf im vierten Durchgang noch unangefochten halten, 2.2. Keiner der beiden Spieler war bis dahin in der Lage, eine wirklich überzeugende Performance abzugeben, aber Stephen Bunting traf zumindest die Doppel, was in diesem Sport das wesentliche Pfund darstellt. In Leg Fünf nahm „The Bullet“ mit einer Aufnahme 78 verbliebene Punkte heraus, das sicherte ihm das 3:2. In Leg Sieben präsentierte Martin Schindler mit der 177 den perfekten Set-up-Shot, nur die Restforderung von 40 Punkten wollte mit zwei weiteren Aufnahmen partout nicht weichen. Und als sich Martin Schindler, beim Versuch, 10 Punkte loszuwerden, überwarf, packte Stephen Bunting die Gelegenheit beim Schopfe und setzte das erste Break in diesem Spiel, 4:2. Im siebten Durchgang war es „The Bullet“, der vier Checkout-Darts am Ziel vorbei feuerte, hier wusste der 28-jährige Strausberger vom Missgeschick des Gegners zu profitieren und erzielte das sofortige Re-Break, 3:4. Ins achte Leg startete Martin Schindler mit der 180, fand mit der idealen Vorbereitung (134) auch die ideale Voraussetzung, um das eben errungene Break zu bestätigen und abermals zum Ausgleich zu gelangen. Aber wieder ereilte ihn der Double-Trouble, 36 Punkte ließen sich nicht entfernen. Stephen Bunting hatte sich seinerseits die 180 als perfekten Set-up-Shot aufbewahrt, löschte anschließend 38 Restpunkte, das war das erneute Break, womit er seine Führung auf 5:3 ausbaute. Der Engländer brauchte nurmehr sein Leg in Durchgang Neun zu halten, schon wäre ihm der Sieg gewiss gewesen, aber da lief Martin Schindler nochmal zu Hochform auf. Wie selbstverständlich, zauberte der Deutsche, der vorher kaum ein Doppel getroffen hatte, im neunten Leg den geschmeidigen 9-Darter aus dem Hut: 180 – 180 – 141! Man wagte es vorher fast nicht, hinzusehen und nun traute man seinen Augen kaum. Nochmal zum langsam auf der Zunge zergehen lassen: Martin Schindler hat bei der Hungarian Darts Trophy einen 9-Darter geliefert, der erste 9-Darter eines Deutschen auf der PDC European Tour und somit abermals deutsche Darts-Geschichte geschrieben.
Es war bereits der dritte 9-Darter an diesem Turnierwochenende, Stephen Bunting hatte zwei davon miterlebt, und zwar auf dem exklusivsten Zuschauerplatz, den das BOK Sportcsarnok zu bieten hatte: auf der Bühne, drei Schritte hinter dem ausführenden Kontrahenten. Stephen Bunting markierte seinem Anhang mit den Fingern die „Zwei“, auch er wollte nochmals verdeutlichen, dass er in Budapest schon zweimal zusehen durfte, wie ein Gegner diesen Augenschmaus servierte. Gestern Nachmittag war es Cor Dekker, der ihm das Kunststück vorführte, als Michael van Gerwen am Abend ebenfalls einen 9-Darter ins Board hämmerte, war Stephen Bunting dann allerdings nicht mehr zugegen. Man sah dem Engländer an, dass er entschlossen war, derjenige zu sein, der den vierten 9-Darter des laufenden Turniers präsentierte, ins zehnte Leg startete Stephen Bunting mit vier perfekten Würfen. Doch auch wenn der sechste Dart ebenfalls den Weg in die Triple-20 fand, der fünfte hatte sich im einfachen 20er-Segment verirrt. Es waren schließlich 14 Würfe, die Stephen Bunting zum Matcherfolg verhalfen, letztendlich konnte ihm das aber dann auch egal sein, 6:5. Martin Schindler hatte in Durchgang Zehn noch seine letzte Chance bekommen, im Spiel zu bleiben, aber beim Versuch die 108 auszuchecken misslang ihm abermals der Wurf aufs Doppel. 32 Punkte blieben ihm erhalten, das war nicht das Ergebnis, was der Deutsche angestrebt hatte. Der erfolgreiche 9-Darter hatte auch keinen Wendepunkt mehr in diesem Match einleiten können, ein bemerkenswertes Highlight war es trotz alledem. Auch der zweite Deutsche war ausgeschieden, wenn auch bei weitem nicht auf so tragische Weise wie Landsmann, Ricardo Pietreczko, Stephen Bunting würden wir hingegen im Viertelfinale wiedersehen.
Einmal durfte Darts-Deutschland noch hoffen, doch der „German Giant“ bekam es ausgerechnet mit dem Darts-Giganten aus den Niederlanden zu tun
Ein deutscher Hoffnungsträger stand ja noch am Start und der war als nächstes an der Reihe. Doch Gabriel Clemens fand sich ausgerechnet dem neuerlich extrem erstarkten Michael van Gerwen gegenüber und der legte gleich los wie die Feuerwehr. Michael van Gerwen hatte das Ausbullen für sich entschieden und startete mit der 180 ins Match. Trotzdem gelang es Gabriel Clemens mit äußerst wohl bedachter Dosierung im Scoring und dem 90er-Checkout, dem Kontrahenten den Anwurf im ersten Leg abzuknöpfen, der Deutsche ging 1:0 in Führung. Mini-Déjà-vu: auch gestern hatte Luke Humphries das erste Leg begonnen, ebenfalls mit der 180, und trotzdem verstand es Gabriel Clemens, mit perfektem Timing, dem Weltmeister das Leg abzunehmen. Gestern konnte der Deutsche das Break im Anschluss allerdings auch gleich bestätigen, diesmal machte ihm der Gegner einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Michael van Gerwen packte im zweiten Durchgang den 11-Darter aus: 140 – 134 – 180 – 47, damit war der Ausgleich besiegelt, 1:1. Im zweiten Leg brauchte der erfolgsverwöhnte Niederländer lediglich einen Pfeil mehr, mit 12 Würfen, inklusive High Finish: 99 – 134 – 140 – 128 (T20, T20 – D4) vollendete er das 2:1. Nochmal einen Pfeil auf die Wurfanzahl obendrauf packte er im vierten Leg, hier war es der 13-Darter, der ihm das 3:1 bescherte. Im fünften Durchgang brauchte „MvG“ ein paar Gänge mehr ans Oche, Gabriel Clemens kam trotzdem nicht zu seinem Doppel-Versuch, 4:1. Und im sechsten Leg war der ruhige Saarländer gar noch über 100 Punkte entfernt, als Michael van Gerwen den 15. Wurf in den Leggewinn ummünzte, 5:1. Im siebten Durchgang durfte Gabriel Clemens noch mal kurz mitwirken, den zweiten Dart auf Double-16 nutzte er, und das 2:5 war sogar ein Break. Letztendlich spielte das aber keine signifikante Rolle mehr, denn beim Versuch, im achten Leg das 136er-Finish zu eliminieren, traf er das falsche Doppel. Jetzt kam zum Unglück auch noch das Pech dazu, denn statt in der Double-8, versenkte „Gaga“ Clemens den dritten Pfeil in der Double-16. „No Score!“ Michael van Gerwen schlug aus dem Missgeschick des Gegners Kapital und räumte auch das achte Leg ab. Überlegener 6:2-Erfolg von Michael van Gerwen über Gabriel Clemens, damit war auch der letztverbliebene Deutsche ausgeschieden. Für Gabriel Clemens bleibt der kleine Trost, dass er hier in Budapest derjenige war, der Luke Humphries aus dem Turnier geworfen hatte, und gegen Michael van Gerwen in Bestform zu verlieren, ist auch keine wirklich Schande.
Auch von seinem Schützling Josh Rock durfte Rob Cross keine nachträglichen Geburtstagsgeschenke erwarten
Den Schlussakkord der Achtelfinals gestalteten Rob Cross und Josh Rock. Rob Cross, der gestern 34 Jahre jung geworden war, wird seinen Geburtstag kaum bis in die Nacht gefeiert haben, trotzdem machte der Engländer nicht ganz den unermüdlichen Eindruck, der ihn sonst eigentlich immer auszeichnet. Mit Anwurf war Josh Rock im ersten Durchgang in Führung gegangen, 1:0, das konnte Rob Cross im zweiten Leg, dank 14 wohlplatzierter Treffer, kompensieren, 1:1. Dann griff sich der junge Nordire zwei Legs in Folge und schritt schon mal 3:1 voraus. In den beiden nächsten Durchgängen revanchierte sich Rob Cross mit zwei Leggewinnen am Stück und glich wieder aus. Dabei hatte Rob Cross in Leg Sechs gar ein beachtenswertes High Finish zur Hand, die 135 radierte er mit 25, Triple-20 und Bullseye aus, 3:3. Josh Rock, der immer sehr unruhig wirkt und kaum still stehen kann, hat stets von den freundschaftlichen Ratschlägen seines heutigen Gegners profitieren können, heute war er es, der auf den Freund und Kollegen abfärbte, zumindest was die unstete körperliche Anspannung betraf. In Durchgang Sieben brauchte Josh Rock gerade mal 14 Pfeile, schon ging er wieder in Führung, 4:3. Einen Wurf mehr benötigte „Voltage“ in Leg Acht, da hatte er wieder ausgeglichen, 4:4. Trotzdem war Rob Cross immer einem Rückstand hinterhergelaufen und das sollte ihm heute zum Verhängnis werden. Josh Rock schnappte sich nicht nur sein begonnenes Leg in Durchgang Neun, 5:4, sondern stahl Rob Cross in Leg Zehn, dank 12-Darter mitsamt High Finish, 140 – 137 – 121 – 103 (T20, 11, D16), abermals dessen Anwurf, 6:4. Der 23-jährige Nachwuchskünstler aus dem nordirischen Antrim hatte sich also sein bestes Leg für den Schluss aufgehoben, das hatte Champions-Qualität.
Die acht Teilnehmer für die Viertelfinals waren eruiert und würden in Kürze an den Start gehen.