German Darts Championship – Viertelfinale. Ein Pokémon rockt den Abend

Und dann ging sie auch schon los: die historisch anmutende Viertelfinalsession. Der Abend begann mit einem, möglicherweise dem Highlight: Gabriel Clemens gegen Michael van Gerwen. „The German Giant“ konnte nicht besser starten, denn er holte das frühe Break. Doch obwohl er in Leg 2 dann auch noch die erste 180 auspackte, war es an van Gerwen das Re-Break zu landen, somit Ausgleich 1:1. Gabriel Clemens zeigte heute Abend ungewöhnliche Anfangsschwierigkeiten im Scoring, während es beim Niederländer schien, als habe der sich einige Munition speziell für dieses Duell aufgespart, die er nun offenlegte. Rasch holte sich „Mighty Mike“ sein nächstes Leg sowie den von „Gaga“ angeworfenen vierten Durchgang. 3:1. Doch Gabriel Clemens „hatte noch nicht fertig“. In kürzester Zeit gelang ihm das Re-Break zum 2:3 und auch im nachfolgenden sechsten Leg hatte das Spiel des Deutschen wieder Fahrt aufgenommen. Ausgleich 3:3. Im siebten Leg nutzte erst „Gaga“ Clemens seine Chancen nicht, dann verwarf MvG seine Leg-Darts ebenso überraschend. Doch Clemens hatte kein zweites Mal Bock auf Fahrkarten ins Nirgendwo, holte sich nun das 4:3 und damit erneut die Führung, die er beim 1:0 schon mal kurz genießen durfte.

Dann das achte Leg, Gabriel Clemens ließ vier Chancen aus, um mit 5:3 in Führung zu gehen. Doch van Gerwen sieht es nicht gerne, wenn er seinem Gegner unfreiwillig so viele Möglichkeiten offeriert und so machte er dem Elend ein Ende und glich zum 4:4 aus. Leg 9 begann der „German Giant“ abermals mit der 180, doch MvG zeigte sich auch diesmal unbeeindruckt, holte sich das 5:4. „Gaga“ Clemens blieb dran, schaffte den Ausgleich zum 5:5 und erzwang den Decider. Mit dem zweckmäßigen Gefühl für das perfekte Timing startete der Niederländer mit der 180. Die Spannung war mit Händen zu fassen, denn plötzlich hatten beide Match-Darts. Van Gerwen ließ den ersten liegen, doch leider war der Deutsche nicht abgebrüht genug, ein weiteres Mal für die Sensation zu sorgen, auch sein Match-Dart ging daneben. „Mighty Mike“ brachte seine ganze Erfahrung aufs Tablett und holte sich doch noch Leg und Match. 6:5. Der angespannte Gesichtsausdruck van Gerwens nach dem Spiel zeigte aber doch, dass dieser Sieg ihm keinesfalls so selbstverständlich von der Hand gegangen war.

Und der nächste Streich folgt zugleich

Es ging Schlag auf Schlag weiter. Die zweite deutsche Hoffnung auf das Halbfinale ließ nicht lange auf sich warten, denn nun war Ricardo Pietreczko an der Reihe. Sein Gegner, Stephen Bunting, geboren im Beatles-Mekka Liverpool, aber schon lange im Darts-etablierten St. Helens zuhause. „Pikachu“ war gut gestartet, aber „The Bullet“ ließ, eigentlich wie in allen seinen bisherigen Matches, zu Beginn so gut wie nichts zu. Mit einer 100% Checkout-Quote bis dahin und die machte zu diesem Zeitpunkt auch den Unterschied, holte sich Bunting nach drei gewonnenen Legs das 3:0. Erst im vierten Leg eröffnete der Engländer seinem Gegner die ersten Chancen. Ricardo griff zu und verkürzte auf 1:3. Auch im fünften Durchgang stand Bunting nach zwölf Legs wieder auf Tops, doch diesmal ließ er gleich drei Möglichkeiten aus. Ricardo konnte dies jedoch nicht für sich nutzen und Bunting schnappte sich das Leg mit der nächsten Aufnahme. 4:1.

Im sechsten Leg die nächste 180 von „Pikachu“ und konsequenterweise auch der Leg-Gewinn zum 2:4. Ebenfalls wie bei fast allen seinen bisherigen Matches kam nun der Punkt, an dem Stephen Bunting ein wenig einbrach, während auf der anderen Seite Ricardo Pietreczko den Schwung des vorausgegangenen Leg-Gewinns mitnahm und nun seinerseits das Break setzte. 3:4. Und der Deutsche sollte nun erst richtig aufdrehen. Denn obwohl es kurzzeitig schien, als habe Bunting seine Pause abgeschlossen und sei nun wieder im Match drin, wollte es ihm nicht mehr gelingen, den Lauf des Deutschen zu stoppen. 4:4 Ausgleich.

Leg 9, eine weitere 180 von Ricardo und kurz darauf checkte er völlig abgebrüht die 68 mit Triple 12 und Double 16 aus. 5:4 und die Sensation lag in der Luft. Das zehnte Leg begann Bunting mit einer 140, gefolgt von einer 180, da musste man eigentlich schon die Verlängerung und den Decider erwarten. Doch auch der Deutsche war mit zwei Mal 140 gestartet. Und im Gegensatz zu „The Bullet“ wusste „Pikachu“ auch, wie man ein super begonnenes Leg zum Erfolg trägt. Auch Stephen Bunting hätte (wohlgemerkt „hätte“ = Konjunktiv!) bei der nächsten Aufnahme nur noch die 24 vor der Brust gehabt, doch es sollte keine weitere Aufnahme für ihn geben. Denn mit dem zweiten Match-Dart löschte Ricardo die 60 und machte somit die Sensation perfekt. Ricardo Pietreczko siegte nach 0:3 Rückstand noch mit 6:4 gegen Stephen Bunting und steht somit im Halbfinale. Unglaublich!

„The Heat“ – und plötzlich ist der Lauf erkaltet

Damon Heta hatte sich zwischenzeitlich wohl überlegt, dass es zu viel Energie kostet, sich für jeden Walk-on eine neue Verkleidung zu überlegen, um dem Austragungsort zu huldigen, und so war es zwischenzeitlich nurmehr die Sprache der Einlaufmusik, mit der er heute Abend dem Gastgeberland Tribut zollte. „Der Zug hat keine Bremsen“. Ob Hetas Erfolgslauf heute gebremst würde, sollte sich im nachfolgenden Match zeigen. Womit Peter Wright sich kleiden würde, darüber musste der Spieler selbst keine größeren Überlegungen anstellen, den Job hat schon lange seine Frau Joanne übernommen. Mehr Gedanken musste sich der Paradiesvogel des Darts schon darüber machen, dass sein Gegner in diesem Match erstmal 3:0 in Führung ging. Der Schotte hatte ein zweites Set Pfeile mitgebracht und es war ersichtlich, dass er mit dem zweiten Satz liebäugelte. Er fühlte mal kurz dran, wechselte aber noch nicht gleich und so waren es seine ursprünglichen drei Darts, die ihm seinen ersten Leg-Gewinn brachten. 1:3. Und es war wohl die richtige Entscheidung dem ersten Set noch eine Chance zu geben, denn damit holte er im Anschluss auch das 2:3. Vielleicht hatte er sich ja am anderen Satz auch nur die Finger heiß gerieben, denn nun war er warmgelaufen und checkte mit aller Konsequenz auch die 70 zum 3:3 aus. Im Laufe des Spiels muss er doch irgendwann auf die matten Pfeile umgestiegen sein – wann ist mir entgangen.

Dem Ausgleich ließ „Snakebite“ einen grandiosen 10-Darter folgen, 4:3. Die Zuschauer skandierten wieder das gewohnte „Peter, Peter Wriiiight“ und das schien ihn nochmal beflügelt zu haben. Trotzdem ließ er im achten Leg doch mal wieder einen Leg-Dart aus und der Australier war zur Stelle. 4:4. Nichtsdestomehr hatte man den Eindruck, als könne den Schotten heute rein gar nichts aus der Fassung bringen. Es war, als wenn sein komplett aufgeräumter Gemütszustand „Snakebite“ in ein eigenes Darts-Universum gehievt hätte. Nach entspanntem 5:4 nutzte Peter Wright im zehnten Leg auch seinen ersten Match-Dart und durfte sich nun auf das Halbfinale einstellen.

Im letzten Match der Viertelfinalsession war wieder „Speed-Darting“ angesagt

Luke Humphries derzeit nicht nur cool, sondern mit Sicherheit auch „The man to beat“ gegen einen ebenfalls in Topform agierenden Rob Cross, der keinesfalls unterschätzt werden darf, nicht nur weil er die niederländische Nachwuchshoffnung Gian van Veen geschlagen, sondern vor allem auch weil (und wie!) er heute den amtierenden Weltmeister aus dem Turnier genommen hat. „Cool Hand“ Luke begann das Match genauso wie er das gegen James Wade heute Nachmittag beendet hatte, ging erst 1:0, dann 2:0 in Führung – die Stoppuhr sollte mitlaufen, doch sie konnte nicht Schritt halten. Rob Cross hatte das Achtelfinalergebnis seines Gegners gewiss zur Kenntnis genommen, wollte sich keinesfalls in dasselbe Karussellgetriebe quetschen lassen und grätschte rasch mal dazwischen: 1:2. Und „Voltage“ wusste, er würde 12-Darter oder weniger benötigen, wollte er hier eine Chance haben. Gedacht, getan: das vierte Leg holte sich Cross mit zwölf Darts.

„Was der kann, kann ich mindestens“, überlegte sich Humphries und donnerte im fünften Leg acht perfekte Darts ans Board. Der neunte in die Doppel-12 war so knapp daneben, dass man mehrmals hingucken musste, um festzustellen, dass er wirklich nicht im Zielsegment war. Bei Cross standen da noch die 170. Doch dem Weltmeister von 2018 wollte der „Big Fish“ hier nicht gelingen und er quittierte es mit seinem persönlichen Standard-Fluch: „Rubbish“. Für die verbliebene 12 benötigte Humphries zwar zwei weitere Würfe, aber er hatte sein Leg mit elf Darts abgeräumt und Cross damit zumindest nochmal unterboten. 3:2. Mit diesem Aufwind, den er natürlich nicht wirklich nötig hatte, holte sich Luke auch gleich das 4:2. Doch Rob Cross weiß, was kämpfen heißt. Im siebten Leg checkte er mit eindrucksvollem High Finish die 123 (T19, T16, D9) aus. 4:3. Und auch nachdem Luke Humphries bereits auf 5:3 davongezogen war, wollte „Voltage“ immer noch nicht klein beigeben, holte sich abermals den Anschluss zum 4:5. Aber aller Wille, alle Klasse und auch aller Kampfgeist vonseiten Rob Cross half nichts, „Cool Hand“ Luke spielt momentan einfach in seiner eigenen Liga, was heißt Liga, er bewohnt seinen eigenen kleinen Darts-Planeten. Und so war der einzige Bewohner des „Planeten Luke“ auch in diesem Match siegreich. Damit komplettierte Luke Humphries das Halbfinale.

German Darts Championship


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