Flanders Darts Trophy 2024: Die volle Distanz wurde hier reichlich bemüht, auch Aufholjagden waren angesagt und dann war da noch dieser „Pikachu“
Und wieder hat Gabriel Clemens ein Stück deutsche Darts-Geschichte geschrieben! In seinem Zweitrundenmatch ist es dem „German Giant“ zum ersten Mal gelungen, sich gegen den niederländischen Superstar, Michael van Gerwen, durchzusetzen. Dabei war es keineswegs so, dass „Mighty Mike“ gravierende Fehler machte oder irgendwie außer Form war. Im Gegenteil, der 35-jährige Topspieler aus Boxtel hatte durchaus sein A-Game im Gepäck und lieferte dem Saarländer eine gediegene Kampfpartie, in der keiner dem anderen auch nur einen Millimeter schenkte. Aber auch Gabriel Clemens konnte gestern seine besten Leistungen abrufen, hielt für alle Eventualitäten die passende Antwort parat und konterte bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Gabriel Clemens förderte einen überragenden Average von 107,27 zutage, dazu die konvenierende Doppelquote von 60%, besser ging es kaum. Auch Michael van Gerwen konnte mit seinen knapp über 57% auf Doppel einigermaßen zufrieden sein, aber mit seinen für andere durchaus respektablen, für ihn persönlich vermutlich katastrophalen 99,93 Punkten im Schnitt, blieb er halt trotzdem weit hinter den Werten des Gegners (und mit hundertprozentiger Sicherheit auch weit hinter den eigenen Erwartungen) zurück. Den Höhepunkt dieser Begegnung servierte ebenfalls Gabriel Clemens, im neunten Leg zauberte er acht perfekte Darts aus dem Hut, lediglich der Versuch aufs Doppel verhinderte den Neun-Darter in diesem Durchgang. Mehr Nonchalance ging allerdings nicht, als die, die der Deutsche im Anschluss an den Tag legte, als er den ersten Pfeil der nächsten Aufnahme direkt in der Double-18 versenkte. Der 10-Darter kam obendrein zum besten Zeitpunkt(!), denn damit hatte Gabriel Clemens das unabdinglich erforderliche Break erzielt und war 5:4 in Führung gegangen. Mit der gleichen Gelassenheit plus dem 104er-Finish, bestätigte Gabriel Clemens im zehnten Leg das eben errungene Break, das war der Schritt über die Ziellinie, den „Gaga“ abgeklärt und schnörkellos bewältigt hatte – erstklassige Performance! „Schnörkellos“ war allerdings nicht das Attribut, von dem in der Partie, Andrew Gilding gegen Ricardo Pietreczko, die Rede sein konnte. Der Engländer präsentierte auch gestern wieder seinen üblichen Habitus beim Gang ans Oche, wobei man in seinem Fall in keiner Weise von irgendwelchem Show-Gehabe sprechen kann! Es ist sein ganz persönliches Ritual, das ausschließlich seiner eigenen Konzentrationsphase dient, nie und nimmer käme der Engländer auf die Idee, damit den Gegner in irgendeiner Weise bewusst zu irritieren, auch wenn der halt Geduld mitbringen muss. So groovt sich „Goldfinger“ nun mal seit jeher in seinen persönlichen Tunnel hinein, authentischer als Andrew Gilding kann man sich eigentlich gar nicht verhalten! Mit grundehrlicher Unverfälschtheit ist in der Tat auch Ricardo Pietreczko ausgestattet, er lieferte sich gestern mit Andrew Gilding einen abwechslungsreichen Fight auf Augenhöhe, mit dem besseren Ende für den Deutschen. Obgleich „Pikachu“ den Engländer auf der Zielgeraden mehrfach ins Spiel zurückholte, fuhr er zum Ende hin einen ungefährdeten Sieg ein. Mit Schrecken erinnern wir uns an das Matchdart-Drama von Hildesheim, eine Woche zuvor, als es Ricardo Pietreczko auf dem Weg, seinen Titel bei der German Darts Championship zu verteidigen, schon in der Anfangsetappe nicht gelingen wollte, den letzten Schritt über die Ziellinie zu machen und er schließlich vom „Underdog“ Nick Kenny abgefangen und überrundet wurde. Gestern war ein ganz anderer Spieler am Start, es war wieder der energisch zielstrebige Ricardo Pietreczko, den wir allen kennen und lieben. Somit würden auch heute zwei Deutsche ins Achtelfinalgeschehen eingreifen: Gabriel Clemens, der von Dave Chisnall gefordert wurde, und „Pikachu“, der es mit dem nächsten ehemaligen UK-Champion aufnahm, diesmal war es Danny Noppert. Martin Schindler hatte es am gestrigen Abend leider nicht geschafft, dem derzeit vorzüglich aufgelegten Peter Wright Paroli zu bieten, der ist seit Hildesheim aber auch wirklich hochmotiviert und in überragender Spiellaune. Martin Schindler hatte hingegen nicht seinen besten Tag erwischt und konnte seine eigentlichen Leistungen nicht abrufen.
Game on! für das Achtelfinale
Der Turniersonntag begann mit den Achtelfinals, weiterhin galt der Best-of-11-Legs Modus, und den Anfang machten Josh Rock und Chris Dobey. Josh Rock hatte gestern ein Irrsinns-Tempo an den Tag gelegt, stand in Windeseile am Oche zum Wurf bereit und visierte schon das Ziel an, bevor der Gegner sich auf den Weg zum Board machte, um die eigenen Legs heraus zu ziehen. Dementsprechend kann man es in jeglicher Hinsicht als „Schnellwaschgang“ betiteln, denn Josh Rock bügelte Jitse van der Wal mit dem „White Wash“, 6:0. Auch Chris Dobey war seinem Kontrahenten überlegen, nahm Kevin Doets, mit 6:2, aber nicht ganz so rigoros aus dem Turnier.
Auch heute legte Josh Rock wieder ein Mordstempo vor, binnen weniger Wimpernschläge, hatte der Nordire die ersten zwei Durchgänge abgeräumt. Im ersten Durchgang hatte „Rocky“ davon profitiert, dass Chris Dobey, der Anwurf hatte, beim Versuch, das 128er-Finish zu löschen, am Bullseye scheiterte. Im zweiten Leg hatte Dobey zweimal die 180 zur Verfügung, das genügte jedoch nicht, um Josh Rock zu gefährden, der hatte mit 14 Würfen das Break bestätigt, 2:0. Im dritten Durchgang packte Chris Dobey das High Finish, 104 (18, T18, D16) aus und holte sich den Anschluss zum 1:2. Auch im vierten Leg war der Engländer schneller unterwegs als sein Gegner, mit 14 Würfen schnappte er sich seinerseits das Break und glich wieder aus, 2:2. Das fast identische High Finish, 104 (T18, 18, D16) wie in Leg Drei, zog Chris Dobey im fünften Durchgang aus dem Ärmel, damit ging nun er zum ersten Mal an diesem Nachmittag in Führung, 3.2. Josh Rock konterte mit dem 14-Darter, schon war der Ausgleich wieder hergestellt, 3:3. Im Wechselschritt ging es Schlag auf Schlag weiter, den nächsten Durchgang holte sich wieder „Hollywood“, 4:3. Im achten Durchgang dann ein kleiner Aufreger, Josh Rock hatte sich den perfekten Set-up-Shot (171) serviert und die 36 gestellt. Die 36 versuchte der 23-Jährige aus dem nordirischen Antrim, mit 18, 9, 9 herauszunehmen, daraus resultierte das missliebige „No Score!“ Chris Dobey hämmerte die 180 als Set-up-Shot ans Board, aber der kam zu spät. Josh Rock durfte ein weiteres Mal ans Oche treten, traf diesmal die Double-18, damit war der Ausgleich abermals da. Im neunten Durchgang war „Rocky“ dann wieder mit dem Break zur Stelle, der 13-Darter, inklusive geeigneter Vorbereitung (100), gereichte ihm zur neuerlichen Führung, 5:4. Das war natürlich der ideale Zeitpunkt für das Break, das der nordirische Nachwuchsstar dringend brauchte. Aber Chris Dobey wusste sich zu revanchieren, im zehnten Durchgang holte er sich postwendend das Re-Break, 5:5. Damit ging es schon im ersten Spiel dieses Nachmittags über die volle Distanz, den Decider begann Chris Dobey. Und flugs stand der 34-Jährige aus Bedlington, Northumberland, auf der 12, die er sich mit 118 gelöschten Punkten auch optimal aufbereitet hatte. Aber 12 Punkte lassen sich nun mal nicht mit 6, 3, 11 auschecken, abermals ertönte die Stimme vom Caller George Noble, genannt „The Puppy“: „No Score!“ Der Gegner war jedoch noch nicht in Sichtweite, Rock war auf der 195 verblieben, Chris Dobey würde auf jeden Fall nochmal dran kommen. Mit der nächsten Aufnahme nahm Josh Rock beachtenswerte 145 Punkte vom Board, kam also signifikant näher, aber Chris Dobey brauchte nurmehr einen Pfeil, dann war auch die Double-6 getroffen und der Decider respektive der Sieg gefestigt. 6:5, der erste Sieger dieses Achtelfinalnachmittags hieß Chris Dobey, der mit einem Average von über 100 Punkten, weiterhin seine Kreise zieht.
Comebacks sind bei diesem Turnier offenbar en vogue
Dann waren Gian van Veen und Luke Woodhouse an der Reihe. Luke Woodhouse hatte gestern doch relativ überraschend Gerwyn Price, mit 6:5, aus dem Turnier geworfen, während Gian van Veen gegenüber Robert Owen seine Überlegenheit bewiesen hatte und diesen mit 6:3 verabschiedete. Auch heute sah es lange Zeit nach einem überlegenen Gian van Veen aus. Schnurstracks hatte der niederländische Shootingstar die ersten vier Legs eingestrichen, wobei er schon den ersten Durchgang mit High Finish, 124, das er mit 20, Triple-18 und Bullseye wegwischte, zielgerichtet einkassierte. Gerwyn Price biss daheim vermutlich gerade in die Stuhllehne, denn bis dahin war das ein ganz anderer Luke Woodhouse, als der, der ihm gestern so souverän Kontra geboten hatte. Genau genommen hatte „Woody“ bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht stattgefunden, doch das sollte sich fortan ändern. Aus dem Nichts zog Luke Woodhouse in Durchgang Fünf den 140er-Set-up-Shot aus dem Ärmel, mit dem nächsten Pfeil war die Double-4 eliminiert, da war auch der Engländer im Spiel angekommen, 1:4. Gian van Veen machte bis dahin nicht den Eindruck, als wenn er ein mögliches Comeback seines Kontrahenten zulassen würde, doch schon in Leg Sechs verpasste er den Checkout-Dart. Der 22-jährige Niederländer aus Poederoijen hatte versucht, die 96 mit 20, Double-19, Double-19 zu löschen, doch dieses gewagte Ansinnen fiel ihm auf die Füße, weil er die Double-19 nur einmal traf. Luke Woodhouse bestrafte dies ohne Umschweife mit dem Break und verkürzte auf 2:4. Das eben erzielte Break bestätigte Luke Woodhouse im siebten Durchgang mit dem High Finish, 146 (T19, T19, D16), schon war auch der Anschluss hergestellt, 3:4. Und als sich Gian van Veen im achten Durchgang, beim Versuch, 14 Restpunkte loszuwerden, auch noch mit 7 plus 8 überwarf, war der Weg zum Ausgleich für „Woody“ frei, 4:4. Der zunächst hoffnungslos zurückgelegene Luke Woodhouse hatte in höchst imponierender Art und Weise in die Erfolgsspur zurückgefunden und das Match, das derart einseitig begonnen hatte, noch gedreht. Nun war das Momentum auf seiner Seite und so holte sich der Engländer im neunten Durchgang auch noch die Führung, 5:4. Im zehnten Leg hatte sich Gian van Veen vom Schrecken erholt, schließlich war auch er von der urgewaltigen Durchschlagskraft seines Gegenüber überrascht worden, und grätschte nochmal in den Lauf des Kontrahenten. Damit gab es auch in dieser Begegnung die volle Distanz, auch hier wurde das Match im Decider entschieden. Luke Woodhouse begann das elfte Leg, er nahm 140 Punkte heraus, bei Gian van Veen waren es 40, also exakt Hundert weniger. Dann steigerte sich der Niederländer innerhalb der nächsten Aufnahmen, während Luke Woodhouse zwischendurch abbaute. Gian van Veen hatte den ersten Matchdart, doch der Pfeil landete beim Versuch, die 85 quitt zu werden, nur in der 25er-Bullseye-Hälfte. Eine weitere Möglichkeit, die verbliebene 25 zu eliminieren, sollte Gian van Veen nicht bekommen, denn trotz zahlreicher Aussetzer in diesem Durchgang, war mittlerweile auch Luke Woodhouse zum Auschecken bereit. Die 42 löschte er mit 10 und Double-16, der Sieger dieser spannenden Partie hieß Luke Woodhouse.
Peter Wright und Stephen Bunting – auch letzte Woche ging es in den Decider
Es folgte die Paarung, die es zuletzt in der zweiten Runde der German Darts Championship gegeben hatte: Peter Wright versus Stephen Bunting. Peter Wright hatte gestern, wie erläutert, Martin Schindler, mit 6:2, ins Aus bugsiert, auch Stephen Bunting offenbarte wenig Probleme, Scott Williams, mit 6:3, nach Hause zu schicken. Heute zeigte sich Peter Wright abermals in vortrefflicher Form. Der Begriff „vortrefflich“ bekam hier gleich eine weitere Bedeutung, denn der Schotte stürmte in den ersten drei Durchgängen vor und traf das meiste, das er anvisierte. Das erste Leg griff er sich mit High Finish, 144 (T20, T20, D12), 1:0, im zweiten packte er, nebst 14 stabilen Würfen, die optimale Vorbereitung (138) aus, 2:0, und im dritten benötigte er gar nur 12 Darts: 180 – 100 – 140 – 81. Dass er das 81er-Finish mit 19, Triple-12 und Double-13 gelöscht hat, zeigte einmal mehr, dass „Snakebite“ jederzeit in der Lage ist, das ganze Board zu bespielen. Aber auch Stephen Bunting befand sich in ausgezeichneter Form und war natürlich nicht zu unterschätzen. 14 Pfeile später hatte sich der Engländer das 1:3 gesichert. Peter Wright benötigte im fünften Leg ebenfalls nur 14 Würfe, um seinen Vorsprung wieder auszubauen, 4:1. Beinah wäre jener Leggewinn gar noch als 12-Darter geendet, doch die Double-8 verhinderte das 136er-Finish. Im sechsten Durchgang bäumte sich der Liverpooler, der inzwischen schon lange in St. Helens lebt, wieder auf und verkürzte abermals, 2:4. Peter Wright wollte sich dennoch nicht unnötig lange aufhalten lassen, mit sehenswertem 90er-Finish im siebten Leg, erhöhte er auf 5:2. Stephen Bunting war noch lange nicht geschlagen, mit konstantem Scoring und selbstbewusstem Checkout schnappte er sich das achte Leg und war wieder etwas näher herangekommen, 3:5. Peter Wright musste nur noch einmal seinen Anwurf halten, schon würde er im Ziel sein, doch der Zieleinlauf gestaltete sich weit schwieriger, als er sich das vorgestellt hatte. Beim Versuch, die 40 auszuradieren, landeten die ersten zwei Matchdarts nicht einmal in der Nähe des anvisierten Doppels, der Gegner bestrafte das mit dem Break und nun war auch der Anschluss da, 4:5. Im zehnten Durchgang waren es vier Matchdarts, die Peter Wright am Ziel vorbei manövrierte. Stephen Bunting schlug daraus unverhofftes Kapital und glich zum 5:5 aus. Im dritten Match des Nachmittags ging es zum dritten Mal in den Decider. Und auch im Entscheidungsleg wollte es Peter Wright mit vier Pfeilen zunächst nicht gelingen, das Match zuzumachen. Allerdings war Stephen Bunting in diesem Durchgang beim ersten Checkout-Versuch des Schotten noch auf der 320, Peter Wright hatte also noch etwas Luft. Diese Entfernung war heute natürlich kein Garant, denn bis dato zehn verworfene Matchdarts sprachen eine andere Sprache. Als sich Stephen Bunting dann sukzessive auf die 120 herunter gearbeitet hatte, landete der elfte Matchdart dann doch endlich im anvisierten Doppel-Segment, sprich der Double-18. Peter Wright konnte es kaum fassen, ungläubig zog er den letzten Dart aus dem Board. Auch in Hildesheim hatte es im Duell gegen Stephen Bunting den Decider gegeben, der Matchverlauf heute wies jedoch eine komplett andere Dramatik auf. 6:5 für „Snakebite“.
Der nächste Auftritt des „German Giant“ – auch die nächste Glanzparade?
Dann war es soweit: Gabriel Clemens stand Dave Chisnall gegenüber. Dave Chisnall hatte gestern James Wade eine heftige 6:2-Klatsche erteilt und setzte auch in diesem Match die Messlatte von Anbeginn hoch an. Schon im ersten Durchgang nahm er Gabriel Clemens den Anwurf ab, 1:0. Das eben errungene Break bestätigte der Engländer im zweiten Leg mit einem formidablen 12-Darter, das originelle High Finish inklusive Triple-7, war im Preis inbegriffen: 180 – 100 – 100 – 121 (T20, T7, D20), 2:0. Obgleich Gabriel Clemens bis dahin nicht nahtlos an sein überragendes Niveau von gestern anknüpfen konnte, präsentierte er in Durchgang Drei einen souveränen 14-Darter zum Anschluss, 1:2. Gegen den Anwurf startete Gabriel Clemens mit dem Maximum ins vierte Leg, das war die ideale Grundlage, um in diesem Durchgang seinerseits das Break zu landen. 2:2 – alles wieder auf Anfang. Auch im fünften Leg hatte der „German Giant“ stabiles Scoring zur Hand, allein beim Auschecken offenbarte er Unsicherheiten. 36 Restpunkte wollten mit drei Versuchen nicht weichen, das bestrafte Dave Chisnall mit umgehendem Re-Break, 3:2. In Durchgang Sechs hatte sich Gabriel Clemens mit 92 gelöschten Punkten die 12 gelassen, aber diese optimale Vorbereitung war zu spät gekommen, mühelos nahm „Chizzy“ das 4:2 heraus. Im siebten Durchgang packte der 43-Jährige aus St. Helens den nächsten 12-Darter aus: 140 – 119 – 180 – 62, das bescherte ihm ein weiteres Break, 5:2. Und als Dave Chisnall das Break im achten Durchgang auch noch bestätigte, war die schöne Reise für Gabriel Clemens zu Ende. Mit 96,94 Punkten hatte der Saarländer auch heute einen ordentliche Average hingelegt, aber gegen die 100,92 im Schnitt von Dave Chisnall, war das natürlich zu wenig. Trotzdem nimmt Gabriel Clemens seinen Debüt-Erfolg gegen Michael van Gerwen mit nach Hause, Dave Chisnall war heute einfach eine Nummer zu groß.
Deutsche Gelassenheit gegen friesische Coolness – wer behält die Oberhand?
Im Anschluss folgte gleich ein weiteres Duell mit deutscher Beteiligung, Ricardo Pietreczko war als nächstes an der Reihe. Hatte „Pikachu“ gestern noch die tiefenentspannte Gelassenheit von Andrew Gilding zur Kenntnis nehmen dürfen, so wurde er heute mit einer Emotionslosigkeit der ganz anderen Art konfrontiert. Danny Noppert, der gestern die Darts-Ikone Raymond van Barneveld regelrecht im Regen stehen ließ, indem er seinem erfolgsträchtigen Landsmann eine empfindliche 6:2 Niederlage beibrachte, ist der Spieler, bei dem man mit am wenigsten vom Gesichtsausdruck abzulesen vermag. Somit bekam es Ricardo Pietreczko zum zweiten Mal an diesem Turnierwochenende mit einem früheren UK-Open Champion zu tun, Andrew Gilding hatte 2023 im Butlin`s Resort, Minehead, triumphiert, Danny Noppert im Jahr zuvor, 2022. Letztgenannter ehemaliger Top-10-Spieler fand heute jedoch so gar nicht in sein Spiel, Danny Noppert hatte wohl nur seinen Schatten auf die Bühne geschickt. Das soll die Leistung von Ricardo Pietreczko aber in keiner Weise schmälern, denn seine Performance war heute durchwegs qualitativ ansprechend und entschlossen. In den ersten vier Legs fackelte der gebürtige Berliner und Neu-Hannoveraner nicht lange, mit aller Entschiedenheit sammelte er Durchgang Eins bis Vier ein, 4:0. Das erste Leg hatte er sich dabei mit 14 souveränen Würfen und makellos sicherem 87er-Checkout gegriffen, auch im zweiten Leg machte er wenig Federlesens und das dritte Leg hatte er sich gar mit dem 11-Darter geholt: 140 – 140 – 180 – 41. Danny Noppert hatte bis dahin so gut wie nicht stattgefunden, im fünften Durchgang ließ dann auch er mal kurzzeitig sein Können aufblitzen: 91 – 140 – 140 – 130 (T20, T18, D8), 1:4. Man hätte annehmen können, dass dieser effektive 12-Darter für den Niederländer eine Art Weckruf darstellt, aber schon im sechsten Durchgang war sein Leistungsvermögen wieder im Schlummer-Modus versunken und offenbar eingefroren. „The Freeze“ noch auf der 160, da hatte Ricardo Pietreczko schon das 5:1 ausgemacht. Im siebten Durchgang hämmerte Danny Noppert dann zweimal die 180 ans Board, aber auch hier blieb der gewünschte Effekt aus. Mit drei Darts in der Hand wurde der Niederländer aus dem friesischen Joure, 40 verbliebene Punkte nicht quitt. Ricardo Pietreczko wusste die Gunst der Stunde zu nutzen, knochentrocken ließ er sich von nichts und niemandem irritieren und schritt konsequent über die Ziellinie. 6:1-Sieg für Ricardo Pietreczko über Danny Noppert, es war nicht zuletzt seine unantastbare Entschlossenheit, die den Deutschen heute ins Viertelfinale trug. Zum Vergleich noch die Averages: Ricardo Pietreczko mit beeindruckenden 102,94 Punkten, Danny Noppert brachte es gerade mal auf 91,84 im Schnitt.
Eine weitere Machtdemonstration – aber von wem?
Nach diesem deutschen Festspielauftritt, folgte ein weiteres Highlight: Dirk van Duijvenbode stieg gegen Luke Littler in den Ring. Dirk van Duijvenbode hatte sich gestern nach hartem Kampf im Decider gegen Damon Heta durchgesetzt, Luke Littler hatte Jermaine Wattimena mit 6:1 gebügelt. Die heutigen Gegner waren beide in hervorragender Stimmung, beide bestens motiviert und beide mit passgenauer Treffsicherheit. Zumindest in der Anfangsphase trafen diese Eigenschaften auf beide Protagonisten zu. Dirk van Duijvenbode hatte den ersten Anwurf und wie er das Match begann! Der Niederländer legte gleich mal mit sechs perfekten Darts los, ließ dem noch die 89 und die 52 folgen, schon war der 11-Darter serviert, das brachte ihm das 1:0. Luke Littler brauchte in Durchgang Zwei nur einen Pfeil mehr, da war auch der 12-Darter im Board: 140 – 180 – 93 – 88, 1:1. In den dritten Durchgang startete Luke Littler seinerseits mit sechs perfekten Darts, zwar landete auch der siebte Wurf in einem Triple-Segment, allein es war die Triple-5. Dann wurde der Weg holprig für den 17-Jährigen und als er beim Versuch, 88 Restpunkte loszuwerden, am Bullseye einknickte und sich die 25 stehenließ, landete er schlussendlich in der Sackgasse namens „Goldilocks“. Statt der Double-5 hatte er die Double-12 abgeschossen – „No Score!“ Die Irrfahrt des Gegners nutzte Dirk van Duijvenbode dazu, sein begonnenes Leg doch noch zu halten, 2:1. Im vierten Durchgang war der amtierende Premier League Champion dann aber nochmal zur Stelle, Beleg dafür war das High Finish, 105, das er mit Bullseye, 15 und Tops ausmachte, 2:2. Im fünften Leg war der Double-Trouble bei Dirk van Duijvenbode zu Besuch, aber auch Luke Littler traf kein Bullseye mehr. So versenkte der Auberginen-Fan, den fünften Checkout-Dart doch noch in der Double-8 und eilte mit 3:2 Front. 13 Darts später hatte Dirk van Duijvenbode das nächste Break eingeholt, nun schritt er schon mit 4:2 voran. Im fünften Durchgang war der Gegner noch nicht einmal in Sichtweite, Littler parkte gerade auf der 164, da traf van Duijvenbode die Double-6 und baute seinen Vorsprung auf 5:2 aus. Und als der amtierende PDC-Juniorenweltmeister und aktuelle PDC-Vizeweltmeister im achten Durchgang nochmals das falsche Doppel traf, die Double-5 statt der Double-20, durfte man das nicht „Goldilocks“ nennen, sondern Match-Verlust. Denn auch der Niederländer versenkte danach seinen Pfeil in der Double-5, aber im Gegensatz zu Luke Littler, brauchte Dirk van Duijvenbode auch exakt dieses Doppel-Segment. 6:2. Die Niederlage von Luke Littler kam für etliche doch überraschend, aber Dirk van Duijvenbode unterstrich heute, dass die Tendenz seiner Rückkehr zu alter Stärke tatsächlich nach oben zeigt.
Ist die Hose des Konkurrenten möglicherweise ein heimlicher Glücksbringer?
Dem Überraschungserfolg von Dirk van Duijvenbode, folgte das Match zwischen Ryan Searle und Ross Smith. Ryan Searle hatte gestern Joe Cullen, mit 6:4, nach Hause geschickt, während Ross Smith gegen Mike De Decker, ein unfassbares Comeback hingelegt und den vermeintlich siegesgewissen Belgier noch abgefangen hatte. Wie Ross Smith dieses Match noch drehen konnte, sorgte auch im Nachhinein noch für weit aufgerissene Augen. Das verlorengegangene Gepäck von Ryan Searle war auch heute noch nicht aufgetaucht und zwang den Engländer, zumindest kleidungstechnisch, weiterhin zur Improvisation. Zu Beginn des Nachmittags hatte Chris Dobey verraten, dass Ryan Searle in dessen Hose spielt, nun wollte „Heavy Metal“ probieren, auch in Sachen Achtelfinalgewinn in Dobeys Fußstapfen zu treten. Den Anfang dazu machte Ryan Searle im ersten Leg, indem er seinen Anwurf souverän hielt, 1:0. Auch in den nächsten zwei Durchgängen konnte keiner der beiden Akteure den jeweils anderen in seinem begonnenen Leg gefährlich werden, daraus resultierte das 2:1 für Ryan Searle. In Durchgang Vier legte „Heavy Metal“ eine Schippe drauf, das High Finish, 105, mit Bullseye, 15 und Tops gelöscht, verhalf ihm zum ersten Break, 3:1, welches er in Leg Fünf zu bestätigen vermochte, 4:1. Dann war wieder Aufholzeit angesagt für den Comeback-König des Wochenendes, im sechsten Durchgang griff sich Ross Smith mit 14 Würfen das 2:4. Aber Ryan Searle wollte den Versuch einer weiteren erfolgreichen Aufholjagd gleich im Ansatz wieder ersticken und grätschte, vielleicht auch dank der dehnungsfähigen Stretchhose von Chris Dobey, im siebten Durchgang mit dem 5:2 dazwischen. Ross Smith hatte hier sehr wohl die Gelegenheit, den Leggewinn des Gegners zu verhindern, doch beim Versuch die 124 auszuschalten, misslang der Wurf auf Double-11. Im achten Leg war Ross Smith dann aber doch zur Stelle, der Treffer in der Double-20 schenkte den Smith-Fans nochmal ein wenig Hoffnung, 3:5. Aber Ryan Searle dachte gar nicht daran, im neunten Leg noch was anbrennen zu lassen und löschte die 65 in einem Aufguss. 6:3 für Ryan Searle, der damit ebenfalls eine Runde weiter ist, und eines stand schon mal fest: die Hose von Ross Smith würde er für sein Viertelfinalmatch bestimmt nicht geliehen bekommen.
Wer bekommt das letzte Viertelfinalticket?
Anschließend die letzte Begegnung der Achtelfinals, es folgte die Partie des Weltmeisters, er bekam es mit einem weiteren Ryan zu tun, Ryan Joyce hieß hier der Gegner. Ryan Joyce hatte gestern Alan Soutar im Decider niedergerungen, Luke Humphries hatte Ritchie Edhouse mit 6:3, in die Schranken verwiesen. Betrachtet man die übliche Gangart des Weltranglistenersten, so hätte man hier einen weiteren Express-Sieg erwarten können, doch Ryan Joyce hielt ordentlich dagegen. Die ersten zwei Durchgänge teilten sie gerecht unter sich auf, 1:1, bevor Ryan Joyce im dritten Durchgang nicht nur seinen Kontrahenten überraschte und Luke Humphries den Anwurf abnahm, 2:1. Mit dem „Shanghai Finish“ bestätigte „Relentless“ das eben errungene Break im vierten Durchgang auch gnadenlos, schon stand es 3:1. Im fünften Durchgang konnte Ryan Joyce jedoch keinen Profit aus dem plötzlich auftretenden, unsäglichen Double-Trouble seines Gegners schlagen, er war einfach noch zu weit weg. Irgendwie hielt Luke Humphries sein begonnenes Leg doch noch und verkürzte auf 2:3. Im vierten Durchgang war es dann Ryan Joyce, der zunächst noch einen starken Set-up-Shot (136) ablieferte, dann aber mit drei Pfeilen am Doppel vorbei schrammte. Luke Humphries wusste das zu bestrafen, setzte seinerseits das Break und glich wieder aus, 3:3. 100 – 140 – 180 – 81, dank des hervorragenden 12-Darters revanchierte sich Ryan Joyce im siebten Leg postwendend mit dem Re-Break, 4:3. Doch Luke Humphries konterte im achten Durchgang mit dem High Finish, 112 (20, T20, D16), 4:4. Das nächste Break sah man in Durchgang Neun, „Cool Hand Luke“ hatte sich hier das Leg gesichert, während er seinen Kontrahenten auf der 284 zurückgelassen hatte, 5:4. Damit war das Spiel aber noch nicht zu Ende. Ryan Joyce antwortete im zehnten Leg abermals mit Re-Break, 5:5, so ging auch diese Partie in die Verlängerung. Im Stile eines Weltmeisters packte Luke Humphries genau zum rechten Zeitpunkt, im Decider den 12-Darter aus: 78 – 134 – 140 – 149 (T20, T19, D16), damit sicherte sich der Weltranglistenerste das Ticket ins Viertelfinale. 6:5 für Luke Humphries gegen Ryan Joyce, der sich, man muss es anerkennen, tapfer gewehrt hatte.
Einmal kurz durchatmen, dann geht es mit den Viertelfinals weiter.