European Darts Championship 2024: Ein Finale, das in dieser Konstellation vermutlich niemand auf dem Schirm hatte
Dass die Nummer 39 und die Nummer 40 der PDC Order of Merit ein Major-Finale bestreiten, hat es vorher vermutlich noch nie gegeben, aber es bestand kein Zweifel daran, dass sich beide Finalisten dieses Endspiel mehr als verdient hatten. Ritchie Edhouse hatte im Halbfinale relativ kurzen Prozess mit Landsmann Luke Woodhouse gemacht, Jermaine Wattimena musste sich da schon um einiges mehr strecken, um gegen Danny Noppert letztendlich doch noch als Sieger aus dem Ring zu steigen. Nun standen sich Ritchie Edhouse, Weltranglisten-39., und Jermaine Wattimena, Weltranglisten-40., also am Ende eines langen und auch anstrengenden Darts-Tages gegenüber, um herauszufinden, wer sich die Krone der European Darts Championship 2024 aufsetzen durfte, sprich: Titel, Pokal und den Siegerscheck über 120.000 GBP in Empfang nehmen würde.
Jermaine Wattimena hatte das Ausbullen gewonnen und ließ sich auch den ersten Durchgang nicht nehmen, 1:0. Irgendwie schien der Niederländer noch den Schwung aus dem Halbfinale mitgenommen zu haben, denn er knüpfte nahtlos dort an, wo er kurz zuvor aufgehört hatte: mit 14 Treffern sicherte er sich das Break im zweiten Leg und schritt 2:0 in Front. Doch ab Durchgang Drei hatte Ritchie Edhouse seine Anfangsnervosität abgelegt und wurde immer sicherer. Mit 15 Treffern im dritten Leg holte er sich postwendend das Re-Break und war schon am Gegner dran, 1:2. Jenes Break bestätigte der Engländer in Durchgang Vier, nicht zuletzt dank des ersten High Finishs in diesem Finale, mit 20, Triple-18 und Double-18 hatte Ritchie Edhouse die Restforderung von 110 Punkten überwiesen, damit war alles wieder ausgeglichen und auf Anfang gestellt, 2:2. Vor der ersten Werbeunterbrechung brachte Jermaine Wattimena noch eben schnell sein begonnenes Leg nach Hause und ging mit 3:2 in die erste kurze Pause.
Von da an war es eine einzige One-Man-Show
Als die beiden Akteure zurückkamen, spielte eigentlich nur noch einer und der hieß: Ritchie Edhouse. Mit 14 wohlbedachten Würfen griff er sich das sechste Leg und holte sich erstmal den neuerlichen Ausgleich 3:3. Jermaine Wattimena war in diesem Leg noch auf der 215 verblieben, während er im siebten Durchgang immerhin vier Gelegenheiten aufs Checkout seines eigens begonnenen Legs hatte, die er aber allesamt nicht zu nutzen wusste. Auch Ritchie Edhouse brauchte in diesem Durchgang sieben Versuche auf Doppel, aber er hatte dank der effektiveren Vorarbeit halt auch die Zeit dazu. Somit ging der Engländer zum ersten Mal in diesem Finale in Führung, 4:3. Und er hatte auch nicht vor, diese Führung nochmal abzugeben. Das achte Leg nahm er mit High Finish, 106 (20, T18, D16) heraus, 5:3, und im darauffolgenden Durchgang servierte er sich mit der 180 den perfekten Set-up-Shot. Für die verbliebene 26 versenkte er beim nächsten Gang ans Oche den Pfeil mühelos in der Double-13, es gab kein Segment, das ihn heute irgendwie bange machte, 6:3. Ein wenig zähflüssiger ging es für ihn in Leg Zehn voran, hier fand er kaum den Weg in die Triple-Felder und wenn, dann war es die Triple-5. Auf der anderen Seite hatte sich Jermaine Wattimena mit drei Aufnahmen die 170 gestellt, traf dann mit dem ersten Pfeil auch die Triple-20, aber der zweite landete nur im einfachen 20er-Segment. Daher machte er aus der Not eine Tugend und bugsierte zumindest den dritten Dart ins Bullseye, was ihm dann wenigstens den vernünftigen Set-up-Shot von 130 eliminierten Punkten einbrachte. Da der Gegner in diesem Durchgang nicht in die Puschen kam und ein ums andere Mal ausließ, hatte der Niederländer Zeit für drei weitere Gänge ans Oche, aber neun Pfeile landeten irgendwo, nur nicht im anvisierten Ziel. Irgendwann konnte auch der Kontrahent das Elend nicht mehr länger mitansehen, Ritchie Edhouse versenkte seinen insgesamt 23. Versuch in diesem Durchgang, in der Double-9 und baute seinen Vorsprung auf 7:3 aus. Im elften Leg hatte der Engländer, der nur ganz kurz in den Null-Gang gerutscht war, die Kupplung wieder durchgetreten und das Getriebe hochgeschaltet: 14 Treffer, das 92er-Finish fegte er dabei mit nur zwei Pfeilen vom Board, und es stand 8:3. Ins zwölfte Leg startete Jermaine Wattimena gegen den Anwurf mit seiner dritten 180, es half alles nichts – Ritchie Edhouse zog einfach das nächste High Finish aus dem Ärmel, indem er 144 mit zweimal Triple-18 und Double-18 gelöscht hatte, und erhöhte auf 9:3. Der 41-jährige gebürtige Londoner, der in Hastings, welches sich in der Grafschaft East Sussex befindet, zuhause ist, bestimmte das Tempo und er bestimmte, wo`s langgeht. Wie selbstverständlich, förderte er im 13. Durchgang den nächsten 14-Darter zutage, lieferte sich dabei fast im Vorbeigehen, mit der 20 und zweimal Triple-19, die nächste optimale Vorbereitung (134), das ließ ihm 36 Restpunkte stehen, wofür er bei der nächsten Aufnahme einen Versuch benötigte, 10:3. Ritchie Edhouse, der den Nickname „Madhouse“ trägt, aber, zumindest im laufenden Turnier, soweit ich mich entsinne, kein einziges Mal im „Madhouse“ gelandet ist, – es wäre schon ganz spannend, zu sehen, wie gut er auf das „Namensvetter-Doppel“ eigentlich ist – war nurmehr ein Leg von Titel, Pokal und Siegerscheck entfernt. Jermaine Wattimena hatte seit der ersten Pause, in die er noch mit der 3:2 Führung gegangen war, kein einziges Leg mehr gewonnen. Und das sollte sich auch in Durchgang 14 nicht mehr ändern. Mit dem Restbetrag von 92 verbliebenen Punkten vor der Brust, versenkte der Engländer seinen ersten Pfeil in der 20, den zweiten in der Double-18 und auch der dritte landete in der Double-18. 11:3. Der Sieger dieser Partie stand fest, der Sieger des Abends stand fest und vor allem stand der Sieger der European Darts Championship 2024 fest: Congratulations, Ritchie Edhouse.
Die Liste der Titelträger bei PDC-Major-Turnieren hat einen neuen Namen zu verzeichnen: Ritchie Edhouse, der einer der größten Überraschungssieger überhaupt ist, aber auch einer der verdientesten. Er hat ein durchwegs grandioses Turnier gespielt und sich damit mehr als würdig zum diesjährigen Europameister gekürt. Dortmund hat sich als wunderbarer Gastgeber präsentiert, es waren vier aufregende Spieltage mit hochspannenden Begegnungen auf erstklassigem Niveau und so bleibt mir nurmehr der finale Abschiedsgruß: Always Look on the Bright Side of the Flight!