European Darts Championship 2024: Nur der Weltmeister und der Deutsche werden ihrer Favoritenstellung gerecht

Weiter ging es in der Dortmunder Westfalen Halle, am Abend stand die zweite Session der Achtelfinals auf dem Programm. Auch der letztverbliebene deutsche Hoffnungsträger würde an den Start gehen, Ricardo Pietreczko wurde von Andrew Gilding gefordert, diese Paarung sollte jedoch den Schlussakkord des Abends bilden.

Den Anfang machte der Klassiker schlechthin: Michael van Gerwen versus Gary Anderson. Die Experten, Chris Mason und Alan Warriner-Little, (der sich übrigens lange vor Gerwyn Price und auch schon vor der F1-Legende Kimi Räikkönen, den Nickname „The Iceman“ zugelegt hatte), wurden nach ihrer Prognose befragt, beide entschieden sich für Michael van Gerwen. Nicht weil sie ihn für den besseren Spieler hielten, sondern einfach weil sie annahmen, dass seine Form derzeit stabiler sei, wie sie betonten. Auch wenn sich sicherlich alle an das vermaledeite Debakel (aus deutscher Sicht) erinnern werden, hier nochmal die Info: Michael van Gerwen hatte in der ersten Runde Gabriel Clemens bezwungen, während Gary Anderson Stephen Bunting nach Hause entsandte.

Am Abend hatte John McDonald Philip Brzezinski am Mikrofon wieder abgelöst, der langjährige Master of Ceremonies rief die ersten beiden Protagonisten auf die Bühne. Natürlich galt auch in dieser Session wieder der Best-of-19-Legs Modus, d.h. man brauchte zehn Leggewinne, um ins Viertelfinale einzuziehen.

Gleich zu Beginn das Duell der Darts-Giganten

Michael van Gerwen wollte von Anbeginn zeigen, wo die Messlatte hängt und holte sich im ersten Durchgang mit High Finish das Leg gegen den Anwurf. Dabei hatte er seine Pfeile in der einfachen Drei, der Triple-18 und im Bullseye versenkt, so kann man 107 Restpunkte auch auschecken, 1:0. Aber die passende Antwort von Gary Anderson ließ nicht lange auf sich warten, im zweiten Leg bewies der Schotte, dass gleich zwei Pfeile hintereinander im mittigen Bullseye Platz haben, dazu die einfache Neun, das ergab den geeigneten Set-up-Shot von 109 gelöschten Punkten, und auch die verbliebene 16 eliminierte er bei der nächsten Aufnahme mit einem einzigen Wurf. Zusammengezählt ergab das den 13-Darter, der Gary Anderson zum sofortigen Re-Break gereichte, 1:1. Jenes Break bestätigte der „Flying Scotsman“ im dritten Durchgang, 2:1, bevor er in Leg Vier den 12-Darter auspackte: 123 – 180 – 140 – 58, 3:1. Auch das war ein Break gewesen, das Gary Anderson im fünften Durchgang virtuos abzusichern verstand. Dabei wäre ihm beinah noch das 164er-Finish gelungen: Triple-20, Triple-18, doch der Versuch aufs Bullseye landete im einfachen 16er-Segment. 34 Rest, während gegenüber der Gegner auf der 139 lauerte. Michael van Gerwen traf ebenfalls die Triple-20 und auch die Triple-19, aber auch hier misslang der Wurf aufs Doppelfeld. Der Pfeil des Niederländers segelte an der Double-11 vorbei und der Weg war frei für Gary Anderson. Der traf die Double-17 und damit stand auch das 4:1 fest. Die kurze Werbepause konnte dem Flow des Schotten keinen Abbruch tun, exakt wie im vorausgegangenen Leg brauchte er auch in Durchgang Sechs lediglich 14 Würfe, abermals hatte er sich mithilfe des Bullseye-Treffers einen optimalen Set-up-Shot (115) herausgearbeitet, das 5:1 war nur eine Frage der Zeit gewesen. Wieder hatte Michael van Gerwen in besagtem Leg seinen Anwurf nicht durchgebracht, dafür holte er sich in Durchgang Sieben umgehend ein Re-Break, wobei er hier nur ganz knapp am 160er-Finish vorbeigeschlittert war, das 2:5 war es allemal. Es war schon auffällig, wie die wenigen erfolgreichen Checkout-Darts des Niederländers mit vereinzeltem Klatschen quittiert wurde, während der Saal Gary Anderson bei jedem seiner Leggewinne regelrecht abfeierte. Die außerordentliche Popularität des charismatischen „Flying Scotsman“ war unüberhörbar. Im achten Leg schmetterte „Mighty Mike“ abermals zwei Checkout-Versuche an der Double-20 vorbei, auf der anderen Seite brauchte Gary Anderson acht(!) Pfeile, um die verbliebene 40 quitt zu werden, was ihm aber letztendlich gelang. Wieder hatte Michael van Gerwen sein begonnenes Leg nicht zu Ende bringen können, aber allein die Tatsache, dass er dem Gegner drei Aufnahmen gewährte, um derselben Anzahl an Punkten Herr zu werden, sagt schon einiges mehr über die heutige Verfassung des erfolgsverwöhnten Niederländers aus.

Findet Michael van Gerwen noch irgendwo den Reset-Button?

Gary Anderson schritt mit 6:2 in Front und langsam wurde es zappenduster auf der Seite des Rekordsiegers der European Darts Championship, der zwischen 2014 und 2017 vier Erfolge am Stück feierte, (den Rekord hält er zusammen mit Phil Taylor, der das Turnier ebenfalls viermal für sich entscheiden konnte). In Leg Neun sah man kurzzeitig den eigentlichen Michael van Gerwen agieren, die 171 als Set-up-Shot und insgesamt 13 Treffer, damit verkürzte er auf 3:6. Aber schon im zehnten Durchgang war es wieder vorbei mit der niederländischen Herrlichkeit, der Gegner war mit dem nächsten 12-Darter zur Stelle und wusste, wie man darin auch das High Finish unterbringt: 140 – 180 – 59 – 122 (T18, T18, D7), 7:3. Abermals war es „MvG“ nicht gelungen, seinen eigenen Anwurf zu halten. In fast jedem Durchgang steigerte er sich sukzessive von Aufnahme zu Aufnahme, aber sobald er einigermaßen in Fahrt war, stand der Kontrahent bereits auf einem möglichen Finish, das er dann meistens auch ausmachte. Der Niederländer kam schlicht und einfach jedes Mal zu spät. So auch in Durchgang Elf, Gary Anderson löschte die verbliebene 64 und baute seinen Vorsprung auf 8:3 aus. Im zwölften Durchgang war es dann endlich soweit: nachdem Gary Anderson zwei Breakdarts ins Aus statt in Tops befördert hatte, verwandelte Michael van Gerwen seinen zweiten Checkout-Dart. Bis hier hin hatte es gedauert: es war das erste von ihm begonnene Leg, das er erfolgreich nach Hause gebracht hatte, 4:8. Viel mehr Zugeständnisse wollte der „Flying Scotsman“ seinem Gegner an diesem Abend aber nicht machen, denn nach der 100er-Vorbereitung im 13. Durchgang bugsierte er den nächsten Pfeil in die Double-12 und es stand 9:4. Und da auch Gary Anderson selbstverständlich weiß, wie man ein Match in Style beendet, zog er zum Abschluss nochmal den 12-Darter aus dem Ärmel: 137 – 140 – 180 – 44. 10:4-Erfolg für Gary Anderson, es war eine einzige Demütigung des niederländischen Superstars.

Der Schotte hatte bereits im Vorfeld betont, dass er einfach keine Zeit (und vermutlich auch kein Interesse) zum Trainieren habe und wer dies nicht glauben wolle, möchte ihm einfach eine Kamera umbinden und seinen Tagesablauf beobachten. Im Siegerinterview danach stellte Gary Anderson fest, dass es für Michael van Gerwen den ganzen Abend lang ein einziger „struggle“ gewesen sei und, dass der Niederländer sein eigentliches Niveau heute Abend schlichtweg nicht abrufen konnte. Man weiß nicht, welche inneren Konfliktherde Michael van Gerwen in dieser Partie umtrieben haben, aber eines ist sicher: Chris Mason und Alan Warriner-Little lagen mit ihrer Vorhersage daneben.

Möglicherweise war sich James Wade seiner schon zu sicher, das erlaubte Jermaine Wattimena, sein System neu zu kalibrieren

Im Anschluss waren James Wade und Jermaine Wattimena an der Reihe, James Wade schlug zum Auftakt Rob Cross, während Jermaine Wattimena Titelverteidiger Peter Wright mit dem „Whitewash“ die nächste Erstrundenniederlage beigebracht hatte. James Wade mit dem ersten Anwurf und er legte auch gleich ordentlich los, das High Finish, 109 (20, T19, D16) im ersten Durchgang bescherte ihm das 1:0. Auch im zweiten Leg war der Engländer kaum zu stoppen, das Break zum 2:0 war ebenso flott herausgespielt, wie die Bestätigung desselbigen in Durchgang Drei, 3:0. Jermaine Wattimena wusste, er musste sich etwas einfallen lassen, wollte er hier nicht sang- und klanglos untergehen. Gedacht, getan, in Leg Vier war es der 12-Darter: 174 – 140 – 137 – 50, der ihm zum ersten Zähler auf der Leg-Anzeigengrafik verhalf, 1:3. Das konnte James Wade nicht erschrecken, 14 Darts später, inklusive der 105er-Vorbereitung, hatte er den drei-Punkte-Vorsprung wieder hergestellt, 4:1. Auch im sechsten Leg hatte der Gegner nicht allzu viel zu vermelden, James Wade baute seine Führung weiter aus, 5:1. Jermaine Wattimena sah sich machtlos den Leggewinnen des Kontrahenten ausgesetzt … – bis er merkte: so machtlos ist er gar nicht. Beleg dessen war der 12-Darter, den er im siebten Durchgang zutage förderte: 96 – 140 – 180 – 85, 2:5. Das war sogar ein Break, welches er im nächsten Leg bestätigte, schon hieß es nur noch 3:5. Aber James Wade war natürlich noch nicht heimgegangen, im neunten Durchgang lieferte er seine vierte 180 und checkte anschließend die 95 mit Bullseye, Fünf und Double-20 aus, 6:3. Im zehnten Leg hatte „The Machine“ sein nächstes Maximum parat, was Jermaine Wattimena aber nicht davon abhielt, seine Aufholjagd fortzusetzen. Mit 14 wohlplatzierten Treffern hatte er mittlerweile auf 4:6 verkürzt. Auch im elften Leg brauchte der Niederländer nicht mehr als 14 Würfe, schon hieß es 5:6. Jetzt war es James Wade, der fast ein wenig ohnmächtig wirkte, denn das neuerliche Break, das Jermaine Wattimena im vorausgegangenen Durchgang gespielt hatte, bestätigte dieser in Leg Zwölf. Ausgleich, 6:6.

Die wiederentdeckte Selbstsicherheit des Niederländers machte den ganzen Unterschied

Einen fast aussichtlos wirkenden 1:5-Rückstand hatte der 36-Jährige aus Westervoort in den Gleichstand umgemünzt. Im 13. Durchgang war James Wade drauf und dran, die 121 herauszunehmen, allein der Wurf aufs Bullseye misslang, wenn auch denkbar knapp. Aber der Gegner überließ ihm nochmal den Vortritt für einen weiteren Gang ans Oche, den nutzte der Engländer, um die restlichen 25 Punkte zu eliminieren und damit schlich er erneut in Front, 7:6. Jermaine Wattimena war jedoch längst wieder auf dem Level seines normalen Selbstvertrauens angekommen, unangefochten erzielte er in Leg 14 den neuerlichen Ausgleich, 7:7. Und in Durchgang 15 vermochte er gar noch einen Gang höher zu schalten, daraus resultierte der exzellente 11-Darter: 140 – 121 – 180 – 60. Dies war ein weiteres Break, es begann das Spiel der kontinuierlichen Führungswechsel und für den Moment war Jermaine Wattimena an der Reihe. Aber der wiederholte Ausgleich ließ nicht lange auf sich warten, der 41-Jährige aus dem in der englischen Grafschaft Hampshire befindlichen Aldershot, brauchte in Leg 16 lediglich 14 Pfeile, da hatte er das nächste Break eingetütet, 8:8. Dann überlegte James Wade vermutlich, wie er den 11-Darter des Gegners aus dem vorvorherigen Durchgang wirkungsvoll unterbieten könnte und startete mit der 180 ins 17. Leg. Auch bei der nächsten Aufnahme pumpte der erklärte Liebhaber gepflegter Oldtimer das Triple-20-Segment mit drei Pfeilen auf und nachdem er ein weiteres Mal ans Oche getreten war, versenkte er den siebten Dart nochmals in der Triple-20, den achten in der Triple-19 und den neunten in … – nein, doch nicht, sondern verwegen nah außerhalb der Double-12. Acht perfekte Darts, aber der neunte war ins Aus gesegelt. Letztendlich wurde es der 10-Darter, die Double-12 war einen Wurf später gefallen. James Wade sackte für einen kurzen Augenblick in sich zusammen, man merkte, den Neun-Darter hätte er gerne gehabt. Auch Jermaine Wattimena machte den Eindruck, als wenn er seinem Kontrahenten das Highlight gegönnt hätte, ob er nun wegen eines Neun-Darters oder aufgrund eines Zehn-Darters in Rückstand gerät, machte für ihn offensichtlich keinen wesentlichen Unterschied. Auf jeden Fall lag nun wieder James Wade vorne, 9:8, bevor sich der Niederländer in Durchgang 18 ein weiteres Mal durchzusetzen vermochte und die volle Distanz erzwang, 9:9. Im Entscheidungsleg genoss der Engländer den Vorteil des Anwurfs, doch von „Genuss“ konnte bald keine Rede mehr sein. Denn Jermaine Wattimena hatte das große Besteck mitgebracht und packte dies erbarmungslos aus. Den 12-Darter: 137 – 100 – 140 – 124, vollendete er mit High Finish, wobei er die 124 obendrein mit Triple-20, 14 und Bullseye zu veredeln verstand. 10:9-Erfolg für Jermaine Wattimena, der schlussendlich einen Average von 100,87 an den Tag gelegt hatte, bei James Wade waren es 98,49.

Der Frust über den verpassten Neun-Darter saß vielleicht doch tiefer als gedacht

Mit dem stilvollen Bullseye-Finish hatte der Sieger womöglich irgendwie noch den Finger in die Wunden des James Wade gelegt, denn erstmal sah es so aus, als wenn ihm dieser den Handschlag verweigern würde. Jermaine Wattimena harrte ein wenig irritiert der Dinge, fragte offenbar auch Schreiber und Caller, ob da noch ein warmer Händedruck zu erwarten sei, aber zunächst geschah in der Richtung nichts. Dann hatte James Wade alle seine sieben Sachen beieinander, na ja, eigentlich waren es nur drei Pfeile und ein Case, und bevor er nach draußen stürmte, kam er dann tatsächlich noch: der erlösende kurze Handschlag. Jermaine Wattimena freute sich auf jeden Fall, vielleicht weniger über die Reaktion des Gegners, aber über seinen Sieg allemal.

Dementsprechend sprach ihn auch Dan Dawson im anschließenden Siegerinterview auf sein breites Lächeln an: “Jermaine, you cannot keep that smile of your face!” Doch auf Dawsons Frage hin, ob dies sein größter Erfolg sei, antwortete der Niederländer nur vieldeutig: „Zumindest bis hier hin“. Allerdings bestätigte Jermaine Wattimena dann auch, dass er im Falle eines signifikanten Weiterkommens das Lachen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekommen würde. Eines war zumindest klar, schon jetzt hätte er vermutlich rundum gelächelt, wenn nicht die Ohren im Wege gestanden wären.

Auf jeden Fall bescheinigte der englische TV-Sender, dass die Partie ein wirkliches „High Quality Game“ war und so konnte man sich getrost auf die nächste Begegnung freuen, vor allem weil jetzt der Weltranglistenerste, Luke Humphries, zum Einlauf bereitstand. Luke Humphries konnte in Runde Eins selbst dem Gegner imponieren, das machte die Niederlage für Nathan Aspinal zumindest ein bis anderthalb Prozent erträglicher. Jonny Clayton hatte sich gegen Chris Dobey durchgesetzt und auch er wusste dabei zu überzeugen.

Der Weltmeister mit dem absoluten Drang nach mehr

Bei „hochklassiger Qualität“ dachte man natürlich zuerst an Luke Humphries und genau dieses Attribut servierte der Weltmeister und World Matchplay Champion 2024 auch am heutigen Abend. Ihm gegenüber stand Jonny Clayton und viel mehr als „Gegenüberstehen“ erlaubte Luke Humphries seinem Gegner in diesem einseitigen Duell auch nicht. Dabei hatte das Match eigentlich recht vielversprechend für beide Akteure begonnen. Mit 14 Würfen im ersten und 13 Treffern im zweiten Durchgang war Luke Humphries schnell 2:0 in Führung gegangen. Aber Jonny Clayton hielt in Leg Drei seinen Anwurf und fand so zumindest den Anschluss relativ behände, 1:2. Im vierten Durchgang war Luke Humphries mit dem 12-Darter zur Stelle: 140 – 134 – 140 – 87, 3:1. Dagegen war natürlich kein Kraut gewachsen, zumindest hatte der Waliser keines angebaut, das wirksam genug gewesen wäre. Trotzdem wusste auch er in Leg Fünf nochmal zu kontern, abermals war er am Gegner wieder dran, 2:3. Doch nach der kurzen Pause legte „Cool Hand, Luke“ einen Zwischensprint ein, der es in sich hatte: sechs Leggewinne in Folge, bei denen der Gegner kaum ein Doppelfeld zu Gesicht bekam. Dabei hatte sich Jonny Clayton im sechsten Durchgang mit der 134er-Vorbereitung seine bevorzugte 32 gestellt, allein er kam nicht mehr dran. 4:2 für Luke Humphries, der mit dreimal 140 ins siebte Leg startete und mit insgesamt 14 Treffern das 5:2 ausmachte. Im achten Durchgang hatte der Engländer den nächsten 12-Darter zur Hand: 180 – 137 – 122 – 62, schon stand es 6:2. Im neunten Leg ergab sich dann die einzig reale Checkout-Möglichkeit für „The Ferret“ innerhalb des angesprochenen Sechser-Packs seines Kontrahenten, Jonny Clayton hatte sich neuerlich sein Lieblingsdoppel aufbereitet: die Double-16. Doch statt den Pfeil in seinem favorisierten Doppel zu versenken, traf er die Double-7. Ein Missgeschick, das ihm auch nicht alle Tage passiert, normalerweise ist Jonny Clayton eine Bank auf der Double-16. Das zeigte vermutlich, wie zermürbt Wales frischgebackene Nummer Eins bereits war. Da Jonny Clayton auch diese Chance nicht genutzt hatte, griff sich Luke Humphries halt das Leg und baute seinen Vorsprung weiter aus, 7:2. In den darauffolgenden beiden Durchgängen erhielt der 50-Jährige aus Pontyberem im walisischen Carmarthenshire dann keine Gelegenheit mehr, sich ein Doppelfeld aus der Nähe zu betrachten. Luke Humphries hatte jedes Mal vorher schon mit jeweils 15 Treffern das Leg herausgenommen und den Sack zugemacht, 9:2. Eigentlich ist es eine Eigentümlichkeit der Schotten, das Wort „aufgeben“ nicht zu kennen, aber in dieser Sportart haben sich auch andere Nationen jener hartnäckigen Anschauung angepasst. Jonny Clayton ist auf jeden Fall jemand, der nie aufgibt, egal, wie der Spielstand lautet. Und als Luke Humphries in Leg Zwölf auch mal zwei Checkout-Darts liegen ließ, war der Waliser zur Stelle. Ausgefuchst hatte sich „The Ferret“ mit dem 105er-Set-up-Shot die 16 aufbereitet und bei der nächsten Aufnahme den Pfeil in die Double-8 manövriert, 3:9. Doch im 13. Durchgang verpasste Jonny Clayton seine letzte Chance, noch ein wenig im Turnier zu verweilen. Beim Versuch, das 118er-Finish herauszunehmen, stand ihm Tops im Wege und als er die verbliebene Restforderung von 20 Zählern loszuwerden trachtete, überwarf er sich mit 10, 5, 7. Da war dann endgültig Schluss für ihn, denn gegenüber hatte Luke Humphries erst seine dritte 180 abgeliefert und dann auch die verbliebene 45 mühelos eliminiert. Überlegener 10:3-Sieg für den Weltranglistenersten, der im Anschluss erklärte, dass er dieses zwanghafte „Ich-will-alles-gewinnen“-Gen in sich trage. Es sei ihm sehr wohl bewusst, dass dies physikalisch nicht möglich sei, aber er strebe an, zumindest all das zu gewinnen, was innerhalb der körperlichen Kapazitäten möglich sei und daran arbeite er hart und unablässig.

Ricardo Pietreczko fordert den Littler-Bezwinger Andrew Gilding, der ihn jedoch seinerseits kaum fordert

Dann steigerte sich die Aufregung in der Dortmunder Westfalenhalle nochmal beträchtlich, denn die Partie: Ricardo Pietreczko gegen Andrew Gilding, stand abschließend auf dem Programm. Ricardo Pietreczko hatte in der ersten Runde Damon Heta niedergerungen, Andrew Gilding war derjenige, der völlig überraschend Luke Littler des Turniers verwiesen hatte. Und möglicherweise hat Andrew Gilding mit dem gestrigen Sieg sein Pulver auch schon komplett verschossen, denn heute trat er nur als Schatten seiner selbst auf. Das heißt, nach außen hin wirkte er wie immer: tiefenentspannt, bedächtig und die ritualisierten Bewegungsabläufe waren ebenfalls wie gehabt auffällig unauffällig. Aber spielerisch – da ließ er etliche Wünsche offen. Man konnte schon nicht mehr davon sprechen, dass hier noch Luft nach oben sei, vielmehr handelte es sich um orkanartige Luftströme, die vonnöten gewesen wären, um zumindest ein wenig Bewegung in die Monotonie des Matchverlaufs zu bringen. Stattdessen dominierte nur einer und der hieß: Ricardo Pietreczko. Bis zur ersten Pause holte sich der Deutsche ungefährdet alle fünf Durchläufe, wobei vor allem die 138er-Vorbereitung in Leg Drei, das Maximum in Durchgang Vier und das sehenswerte 95er-Checkout im fünften Leg, ins Auge stachen, 5:0.

In Durchgang Sechs meldete sich dann auch Andrew Gilding mal kurz zu Wort, 1:5, bevor Ricardo Pietreczko im darauffolgenden Leg wieder das Steuerrad übernahm. In diesem Durchgang präsentierte der Deutsche das unbestrittene Highlight des Matches: mit zweimal Triple-20 sowie der Double-19 checkte der Wahl-Hannoveraner das 158er-Finish aus, 6:1. Dann zeigte auch Andrew Gilding mal wieder spielerische Präsenz, zumindest für den Moment. Geruhsam sicherte er sich im achten Leg seinen Anwurf und stellte auf 2:6. Auch in den folgenden zwei Durchgängen gelang es beiden Akteuren, kurioserweise mit fast identischen Aufnahmen, das jeweils begonnene Leg nach Hause zu bringen, daraus resultierte das 7:3 für „Pikachu“. Dann war aber auch schon wieder Schluss mit Synchron-Darten, unbeirrt ob der mangelnden Gegenwehr, spielte Ricardo Pietreczko seinen Stiefel runter und zauberte dabei im elften Leg auch noch ein weiteres Bravourstück aus dem Hut: zweimal Triple-19 plus Double-14, das ergab das High Finish von 142 gelöschten Punkten, 8:3. Nicht ganz so spektakulär, aber mindestens ebenso wirksam, räumte Ricardo Pietreczko auch die nachfolgenden zwei Legs ab, der zweite Matchdart saß in der Double-8 und der Sieg war in trockene Tücher gewickelt, 10:3.

Es war bei weitem nicht so ein dramatischer Kampf, wie der, den sich der Deutsche mit Damon Heta geliefert hatte, dennoch wusste Ricardo Pietreczko auch hier, trotz aller fehlenden Gegenwehr, zu überzeugen. Das macht Hoffnung für den morgigen Finalsonntag – Just One More Sandman – und so heißt es auch heute: Always Look on the Bright Side of the Flight!

European Championship


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