European Darts Championship – Spieltag 2, ein Auf und Ab der Emotionen, des Dramas und des Überschwangs
Es ist keineswegs so, dass ich anfange, flach zu denken, trotzdem musste ich mittlerweile zu der Erkenntnis gelangen, dass die Erde doch eine Scheibe ist. Allerdings eine mit zahlreichen Punkte-Segmenten, im besten Fall sind es fulminante „Löschfelder“. OK, zugegeben, die Erde kreist um die Sonne und nicht umgekehrt. Aber: da ist ein neuer Stern am Darts-Firmament aufgetaucht, und momentan scheint es, als dreht sich sogar die Sonne um ihn. Zumindest leuchtet sie besonders hell, wenn er ans Oche tritt. Nachdem gestern Abend bereits zwei der drei deutschen Teilnehmer ihr Erstrundenaus besiegelt hatten, durften wir heute alle Hoffnung auf unseren frisch gekürten German Darts-Champion Ricardo Pietreczko legen.
Mit diesem Sieg hatte sich „Pikachu“, der letzte Woche 29 Jahre jung geworden war, nicht nur das beste Geburtstagsgeschenk, wenn auch ein wenig verfrüht, selbst überreicht, sondern sich sowohl für die EM als auch für die WM qualifiziert. In der Weltrangliste machte er einen riesigen Sprung. Es ging gleich zehn Positionen nach oben, derzeit verweilt er auf Rang 53.
Ohne die Euphorie dämpfen zu wollen, darf jedoch nicht verschwiegen werden, dass der heutige Gegner ausgerechnet der amtierende Europameister Ross Smith sein würde, der selbstverständlich alles daran setzen wollte, seinen Titel erfolgreich zu verteidigen. Die beiden bildeten die Abschlusspaarung des Abends.
Mit einiger Neugierde wartete man auch auf das Duell zwischen Dirk van Duijvenbode und James Wade, einfach weil „The Titan“ bei seinen jüngsten Auftritten für so viel Verwunderung und Stirnrunzeln gesorgt hatte, dass man gespannt war, ob denn endlich mal wieder der eigentliche Dirk van Duijvenbode, so wie man ihn kannte, ans Oche zurückkehren würde.
Was macht „Wolle“ Petry hier?
Es war ja immer noch die erste Runde, d.h. auch heute wurde im Best-of-11-Legs Modus gespielt. Begonnen haben diese zweite Session Damon Heta und Gian van Veen. … Das heißt, Gian van Veen betrat die Bühne, das stimmt. Doch wo blieb Damon Heta? Stattdessen betrat Wolfgang „Wolle“ Petry den Saal mit Huldigung an das „Ruhrgebiet“. Oder nicht? Nein, es war tatsächlich Damon Heta, der sich wieder etwas Besonderes ausgedacht hatte, um dem Austragungsort seinen Tribut zu zollen. Schnell hatte er sich seiner Perücke und dem falschen Bart entledigt, und es konnte losgehen.
„The Giant“ Gian van Veen legte gigantisch los. Nach vier Legs wies der Youngster 107 im Average auf, und es stand 4:0 für ihn. Das Beste, was man bis zu diesem Zeitpunkt hingegen vom 36-Jährigen aus Perth gesehen hatte, war sein „Wolle“ Petry-Auftritt. Im fünften Leg hatte der Australier endlich seinen ersten Versuch auf Doppel. Er wusste, den musste er nutzen – tat er auch! 1:4. Doch „The Giant“ mochte gar keine falsche Hoffnung bei seinem Gegner aufkommen lassen, mit einem 12-Darter räumte er das sechste Leg ab: 5:1. Und binnen weniger Augenblicke war auch das siebte Leg Geschichte. 6:1 für den 21-jährigen Gian van Veen. Und er wäre vermutlich nicht einmal zufrieden gewesen, hätte er nicht im letzten Leg gerade noch eine 180 ans Board genagelt. Gott sein Dank, er muss keine schlaflose Nacht haben, denn dieses Luxusproblem hat er in Leg sieben doch noch auf die Schnelle lösen können. Denkt man noch mal kurz zurück an das gestrige Auftaktmatch von Danny Noppert, so muss man feststellen, die Niederländer haben sich offensichtlich einiges vorgenommen für diese EM.
Der perfekte polnische 8-Darter
Ohne größere Verkleidungen betraten Krzysztof Ratajski und Joe Cullen die Bühne. Joe Cullen legte los, mit Break: 1:0. Das wollte „The Polish Eagle“ so nicht stehen lassen und konterte mit acht perfekten Darts! Millimeter fehlten Ratajski, um den ersten polnischen 9-Darter vor TV-Kameras abzuliefern. In der Tat brauchte er dann auch noch weitere drei Pfeile, um der Doppel-12 Herr zu werden, aber dann war das Re-Break eingesackt. Der 46-Jährige, der in Warschau beheimatet ist, quittierte den verpassten historischen 9-Darter mit einem extrem leichten, fast unmerkbaren kurzen Kopfschütteln – für seine Verhältnisse ein emotionaler Ausbruch der Extraklasse. 1:1. In den Legs zwei bis fünf holte jeder seinen Anwurf, 3:2 für Krzysztof Ratajski. Im sechsten Leg Breakchance für den Polen. Es galt die 121 auszumachen. Ratajski nahm sich Zeit, konzentrierte sich vor jedem Anwurf neu. Und es hat sich gelohnt: der dritte Pfeil landete in der Doppel-14, somit 4:2.
Im siebten Leg verpasste dann auch „The Polish Eagle“ ausnahmsweise mal eine Doppel-16 – eigentlich eine Bank für Ratajski, doch diesmal eher bankrott. Auch wenn es wieder nur Millimeter waren, die ihn vom Leg-Gewinn trennten. Der „Rockstar“ nutzte die Gelegenheit, checkte die 25 aus und es stand 3:4. Doch der Pole ließ mit dem nächsten Break nicht lange auf sich warten, einmal mehr mit dem letzten Pfeil holte er sich die 5:3-Führung. Diesmal ein kleiner Freudenausbruch vom introvertierten Akteur. Auf der anderen Seite ein kleiner Wutausbruch vom englischen „Rockstar“. Neuntes Leg: Krzysztof Ratajski verpasste seinen ersten Matchdart. Joe Cullen hatte die 140 vor der Brust, war aber weit davon entfernt, diese zu löschen. Abermals trat der Pole ans Oche, drei neue Matchdarts in der Hand. Der erste landete so weit oben, ein klein wenig höher, und er hätte außerhalb des Boards in der Wand gesteckt. Der zweite Pfeil war da schon näher am Doppel-20-Feld dran. Dann setzte Ratajski an, wollte zielen, senkte den Arm wieder und nahm sich einen weiteren Moment der Konzentration. Einmal mehr machte dieses kurze Zurücknehmen und sich neu sammeln den Unterschied. 6:3 für Krzysztof Ratajski.
Nordirland versus Nordirland
Dann ertönte die “Sweet Caroline“-Hymne von Neil Diamond, und es war klar: Daryl Gurney trat an. Und zwar in einem rein nordirischen Derby, denn der junge Kontrahent war sein Landsmann Josh Rock. Per Break holte sich „Superchin“ das erste Leg. „Rocky“ hatte die Chance aufs Re-Break, lehnte aber dankend ab, und so machte Daryl Gurney sein angeworfenes Leg doch noch aus. Im dritten Leg gewährte Gurney dem Nachwuchsstar reichlich Zeit, lag einigermaßen weit zurück. Rock nutzte diesmal seine Möglichkeit, die 40 zu löschen 1:2. Es war vor allem Gurneys 100prozentige Checkout-Quote, die zu diesem Zeitpunkt den Unterschied machte, und die brachte dem 15 Jahre älteren der beiden Nordiren das 3:1, das 4:1 und das 5:1. Fünf von fünf Pfeilen aufs Doppel landeten im Ziel. Im siebten Leg dann ein sehenswertes Aufbäumen von Josh Rock. Er checkte mit Tops-Tops zum 2:5. Doch es sollte bei diesem letzten Lebenszeichen des Shooting-Stars bleiben, denn im achten Leg machte Daryl Gurney den Sack zu. 6:2. Ein Ergebnis, das man so nicht unbedingt erwarten durfte, aber es war wunderbar zu sehen, wie Daryl Gurney zu alter Konstanz, gerade auf die Doppel, zurückgefunden hat. Es war ihm auf jeden Fall zu gönnen.
Alles unter Kontrolle! Oder doch nicht?
Und sofort ging es weiter. Jonny Clayton gegen José de Sousa. Der Waliser nahm sich die Worte von Chuck Berry „Go, Jonny, go“ zu Herzen und ging erstmal 2:0 in Führung. Im dritten Leg holte sich de Sousa jedoch seinen Anwurf souverän und sicherte sich den Anschluss zum 1:2. „The Ferret“ tat es ihm gleich, auch er kassierte sein Leg ein, 3:1, lag also weiterhin mit einem Break vorne. Der Portugiese im Gegenzug hielt den Anschluss, 2:3. Sechstes Leg: nun war es an José de Sousa, ein Break zu landen. Ausgleich zum 3:3 und ein sichtlich zufrieden blickender „The Special One“. Clayton war offenbar der Meinung, der portugiesische Kontrahent hätte nun lange genug zufrieden dreingeschaut, setzte das nächste Break: 4:3. Das achte Leg war ein bisschen bizarr. Jonny Clayton kämpfte mit der Restforderung von 18, während de Sousa noch einigermaßen entfernt schien. Der Waliser überlegte vermutlich, ob er umstellen sollte, aber de Sousa näherte sich plötzlich relativ rasant. Daher der Versuch, die Doppel-9 zu löschen. Zwei Pfeile drüber, der dritte in der einfachen Neun. Das wars für Clayton, denn José de Sousa checkte zwischenzeitlich aus. 4:4. War das achte Leg schon äußerst eigen, so toppte das neunte Leg dieses noch an Skurrilität. Bei Jonny Clayton standen 86 zu Buche. Und er warf 18, 20, Bullseye. Für den Bruchteil einer Sekunde muss er gedacht haben, er hätte das Leg gewonnen. Stattdessen ertönte die Stimme des Callers: „No Score!“ Ja, richtig, er hatte 88 geworfen. Es passiert den Besten. Doch diesmal hatte es gravierende Konsequenzen.
Eigentlich war doch José de Sousa derjenige, der in der Vergangenheit immer wieder mit frappanten Rechenfehlern aufgefallen war. Doch diesmal traf es „The Ferret“, der im Anschluss völlig aus dem Tritt kam. Denn nachdem ihm sein Gegner durch diesen Fauxpas das 5:4 vor der Nase weggeschnappt hatte, lief auch im zehnten Leg nichts mehr zusammen für den Waliser. De Sousa machte es besser, fragte öfters beim Caller nach, auf welcher Punktzahl er angekommen war und warf erst nachdem dieser ihm den korrekten Restbetrag bestätigt hatte. Schlussendlich checkte „The Special One“ zum 6:4. Irgendwie ein merkwürdiger Spielverlauf, da man immer und zu jeder Zeit das Gefühl hatte, Jonny Clayton sei „in charge of the match“. Und trotzdem hieß der Sieger am Ende José de Sousa.
„Madhouse“ – wo ist der Hinterausgang?
Und weil wir gerade bei „skurril“ und „bizarr“ waren, als nächstes betrat Dirk van Duijvenbode das Parkett. Seine letzten TV-Auftritte machten den genannten Begriffen alle Ehre, und so durfte man gespannt sein, auf welchem Stimmungslevel der Niederländer heute angekommen war. Sein Gegner James Wade, seit einer gefühlten Ewigkeit ein Top-16-Spieler, mittlerweile aus dieser Spitzengruppe herausgekippt. Das erste Leg brachte bereits die ersten Absurditäten. Van Duijvenbode wollte es nicht gelingen, die 10 rauszunehmen, James Wade kämpfte mit der 5. Keiner schien in der Lage, irgendein angepeiltes Segment zu treffen. Wobei James Wade das komplette erste Leg ganz offensichtlich mit seinen Augen zu tun hatte, irgendwas machte ihm da zu schaffen. Immer wieder nahm er die Brille ab und rieb sich die Augen voller Verzweiflung. Der Niederländer kämpfte hingegen weiterhin mit seiner Laune, schien nicht einmal überrascht darüber, dass es ihm nicht möglich war, simple Summen wie die 10 zu löschen. Irgendwann und entgegen aller Augenprobleme checkte Wade das „Madhouse“ aus, 1:0. Average bei beiden zu diesem Zeitpunkt um die 66.
Sein Sehorgan schien dem Engländer weiterhin die größten Probleme zu bereiten, so dass ein grottenschlecht spielender Dirk van Duijvenbode trotzdem irgendwann 2:1 in Führung ging. Dann warf James Wade mal wieder den Rettungsanker über die Reling, glich zum 2:2 aus. Im fünften Leg benötigte „The Machine“ unzählige Würfe auf Doppel-10, normalerweise sein Paradefeld. Man könnte Wade zu jeder Nachtzeit wecken, ihm mal schnell einen Dart in die Hand drücken, er würde ihn auf Double-10 abfeuern und weiterschlafen. Doch selbst diese Doppel-10 war für ihn heute ein absoluter Kraftakt. Doch da auch der „Titan“ am heutigen Abend nur ein Schatten seiner selbst war, saß der x-te Dart des Engländers schließlich doch noch in der Doppel-10. (3:2). Das sechste Leg, und das Trauerspiel ging weiter. Keine Ahnung, wie Dirk van Duijvenbode den Ausgleich schaffte. 3:3. Im siebten Leg war der Niederländer nach zwölf geworfenen Darts immer noch auf 340 Rest. Mehr muss man dem Legverlauf gar nicht hinzufügen. Nach 21 Darts checkte James Wade dieses Leg irgendwie. 4:3. Average der beiden zu diesem Zeitpunkt: ca. 77. Beide weiterhin unterirdisch unterwegs. Vermutlich konnte „The Machine“ noch mal seine letzten Kräfte bündeln. 5:3 und irgendwann hieß es 6:3 für James Wade. Wie dieses Endergebnis noch zustande gekommen ist, erspare ich Ihnen. Zusammenfassend kann man sagen: lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Und Schrecken war es für beide: sowohl für den Unterlegenen als auch für den Gewinner, denn nüchtern betrachtet, waren beide am heutigen Tag Verlierer.
Coole Sache für „Cool Hand“ Luke
Man konnte nur hoffen, dass das nächste Match den völlig fassungslosen Zuseher wieder entschädigen konnte. Die Chancen dafür standen gut, denn als nächstes waren Luke Humphries und Brendan Dolan an der Reihe. Luke Humphries, derzeit so etwas wie „der Mann der Stunde“ gegen den „History Maker“, der nicht mehr allzu oft im TV zu sehen ist, aber wenn er da ist, ist er auch immer für eine markante Performance gut. Zwei Akteure mit völlig unterschiedlichem Wurf-Rhythmus. Beide Protagonisten haben dennoch bezeichnende Überschneidungsflächen: Brendan Dolan ist der „History Maker“, weil er den ersten 9-Darter in der Geschichte des World Grand Prix geworfen hat. Und der World Grand Prix ist das Turnier, das Luke Humphries den ersten Major-Titel beschert hat.
„Cool Hand“ Luke wollte heute seinem eigenen Anspruch wieder vollauf gerecht werden und auch wenn er vier Legs benötigte, bis er seine erste 180 warf, änderte dies nichts an der Tatsache, dass er da schon 4:0 in Führung lag. Auch wenn der Nordire wirklich Kampfwillen zeigte, hatte Dolan dem Engländer kaum etwas entgegenzusetzen. 5:0 für Humphries. Lag da etwa der 17. Whitewash der Turniergeschichte in der Luft? Brendan Dolan sagte: Nein! Und holte sich zumindest das 1:5. Das war es dann aber auch schon mit dem Thema „Gegenwehr“, denn Luke Humphries machte nun endgültig den Deckel drauf. 6:1.
Besser kann man kaum spielen, aber man kann auch kaum tragischer verlieren
Und dann der Spieler, auf den sich nicht wenige in Dortmund gefreut haben dürften, immer wieder ein Highlight: Michael van Gerwen. Sein Gegner aus Lettland: Madars Razma, ein Spieler, der am liebsten das Triple-19 Segment malträtiert. Wobei er mit „MvG“ natürlich auf den Akteur trifft, der dieses Feld mindestens ebenso genial beherrscht. Vor allem ist der Niederländer der Großmeister des Switches zwischen Triple-20 und Triple-19. Problemlos wechselt er mal eben zwischen oberer und unterer Hälfte des Boards.
„Mighty Mike“ wurde bei seinem ersten diesjährigen Auftritt in der Westfalenhalle abgefeiert, und er freute sich offensichtlich über den begeisterten Empfang. Doch nach der kurzen Begrüßung war der Niederländer auch sogleich wieder im Tunnel. „Razmatazz“ hatte das Ausbullen gewonnen, was van Gerwen aber nicht davon abhielt, das erste Leg mit High-Finish von 148 (T20, T20, D14) zu löschen. Auch das zweite Leg war van Gerwen-Land. Im dritten Durchgang war dann auch Madars Razma auf dem Scoring-Board angekommen, 1:2. Im vierten Leg hatte der Lette dank einer ausgezeichneten 174 plus einer 180 sogar kurzzeitig die Chance auf ein Break, doch er schaffte es nicht, der 45 Herr zu werden, und so holte sich van Gerwen stattdessen das 3:1. Als Madars Razma der Anschluss zum 2:3 gelang, stand der Niederländer gar noch auf einer Restforderung von 266 Punkten. Und der lettische Topspieler witterte Morgenluft. Beide zeigten zwischenzeitlich geniales Scoring auf kontinuierlich hohem Niveau. In Leg sechs war van Gerwen einen Tick schneller, und das genügte, um das 4:2 zu erringen. Dann war Razma-Showtime: auf sein herausragendes Scoring (inklusive vierter 180er) aufbauend, holte sich der Lette drei Legs in Folge und lag plötzlich 5:4 in Führung.
Die nächste Sensation war zum Greifen nahe, denn im zehnten Leg hielt Razma einen Matchdart in Händen. Doch er verfehlte. Van Gerwen hatte im Anwurf zuvor die Doppel-16 verpasst. Das sollte ihm kein zweites Mal passieren. Ausgleich zum 5:5. Das Spiel war an Drama kaum noch zu übertreffen. Es ging über die volle Distanz, der Decider stand an. Und auch im Entscheidungsleg war es Madars Razma, der den ersten Matchdart hatte. Doch „Razmatazz“ verwarf auch diesmal, traf nur die einfache 20. Dann hatte auch der Niederländer seinen ersten Matchdart, der landete mitten im Ziel. Der Decider ging an Michael van Gerwen. Ein 6:5, bei dessen Ausgang selbst einem „Mighty Mike“ die Erleichterung anzusehen war. Seinem Average von 97,86 stand die 104,92 von Madars Razma gegenüber. Besser kann man kaum spielen, tragischer kann man kaum verlieren.
Das letzte Match des Abends war gleichzeitig das letzte Match der ersten Runde. Aus deutscher Sicht war dieser Abschluss das alles überragende Tagesereignis:
Ricardo Pietreczko gegen Ross Smith
„Pikachu“ macht derzeit einfach nur Freude – dementsprechend legte er furios los. Mit hervorragendem Scoring und solidem Checkout sicherte er sich die ersten drei Legs. Sein Spiel wirkte unaufgeregt und kontrolliert, man musste sich keine Sorgen machen. Einziger Schönheitsfehler des Matches, die völlig unnötigen grellen Pfiffe aus dem Publikum, sobald der Engländer ans Oche trat. Das war komplett überflüssig und störte nicht nur den Gegner, sondern auch Ricardo, der stets auf Fairplay bedacht ist und solches Verhalten daher kaum billigen kann. Und letztendlich störte es auch die Zuschauer, die einfach ein großartiges Spiel sehen wollten. Trotz der teilweise aggressiven Stimmung von Seiten einiger lauter „Pfeifen“, gelang Ross Smith das 1:3. Doch Ricardo war schnell wieder in Fahrt – mit drei aufeinanderfolgenden 140ern im fünften Leg sicherte er sich das 4:1. Natürlich gab sich der Titelverteidiger da noch lange nicht geschlagen, obgleich er weniger gegen den Kontrahenten als vielmehr gegen das Publikum ankämpfen musste. Mit gesenkter Haltung und tapferem Scoring erlangte er das 2:4.
Leg sieben startete „Pikachu“ mit der 180, ließ die 140 und die 105 folgen und brauchte dann nur noch eine Aufnahme, um auch die 76 (20, T16, D4) zu löschen. 5:2. „Smudger“ wollte nicht aufstecken. Auch er zeigte brillantes Scoring – auch er warf dreimal hintereinander die 140, um dann mit dem 81er Checkout (2, T19, D11) das achte Leg einzufahren. 3:5. Bei diesem Leg-Abschluss des Engländers stand Ricardo gar noch auf der 306. Ausnahmezustand. Doch der gebürtige Berliner hatte sich nur ein sehr kurzes Päuschen gegönnt, denn schon im nächsten Durchgang brannte er wieder ein mittleres Feuerwerk ab. Aber Smith hielt mit. Es ging auf die Zielgerade. Ross Smith hatte noch 126 zu Buche stehen, Ricardo Pietreczko 94. Ricardo trat ans Oche: traf die 25 und die Triple-19, verfehlte aber die Doppel-6. Dann war „Smudger“ an der Reihe: traf zweimal die Triple-19 und verfehlte ebenfalls die Doppel-6. Beide nun auf der 12. Für den Titelverteidiger war es die letzte Chance gewesen, im Spiel respektive im Turnier zu verbleiben, für „Pikachu“ war es die Möglichkeit, das Match zuzumachen. Und genau das tat er. Der erste Matchdart saß: 6:3 für Ricardo Pietreczko, der damit den amtierenden Europameister aus dem Turnier genommen hat. Der Engländer spielte immerhin einen respektablen Average von 98,59. Doch verglichen mit dem grandiosen Durchschnitt von Ricardo, der abermals 104,28 aufwies, fehlen einem einfach die Worte angesichts dieser kontinuierlichen Leistungen unseres bodenständigen Topakteurs.
Man ist vollkommen sprachlos, in welch leicht anmutender Manier der überragende Siegeslauf des Deutschen weitergeht. Doch wir dürfen heute Nacht nicht zu lange feiern, denn morgen geht es schon ab 13 Uhr weiter mit den Achtelfinals und extrem spannenden Paarungen.
Auch am morgigen Spieltag wird Ricardo Pietreczko wieder den Schlussakkord bilden, sein Gegner kein Geringerer als Michael van Gerwen. Besser geht`s nicht, daher: stay bright, nice flight!