Zur Mathematik der Dartscheibe
Verfasst: 10.01.2016, 01:34
Hallo Freunde des Dartsports,
die folgenden Beiträge sind im Wesentlichen Vorarbeiten, die mangels Grafiken etwas unanschaulich und nicht ganz leicht zu verfolgen sind. Den fertigen Artikel "Zur Anordnung der Zahlen auf dem Dartboard" findet ihr hier:
https://www.darts1.de/kolumnen/anordnun ... tboard.php
PS: es schaut zwar eh keiner mehr hier rein, aber es soll ja alles seine Richtigkeit haben.
Gerade habe ich den Artikel nach Jahren wieder einmal durchgeschaut und stieß dabei, fünf Jahre nach Erstellung, auf einen Fehler - Schande über mich.
Unter Punkt "3. Ein Sinus schwingt durchs Board" wurden in der Grafik der Maxima bei n=16 zwei Angaben vertauscht. Richtig ist: die grüne Kurve stellt die Werte für p=4, die braune die für p=5 dar.
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Vor kurzem (Darts-WM) bin ich auf die Frage nach der Anordnung der Zahlen auf dem Dartboard gestoßen und habe mich ein wenig mit ihren mathematischen Aspekten beschäftigt.
Es gibt 19! (»19 Fakultät«; 1 x 2 x 3 x ... x 19) Möglichkeiten, 20 Zahlen kreisförmig anzuordnen. Schließt man sinnvollerweise drehrichtungssymmetrische Lösungen aus (d.h. ob im oder gegen den Uhrzeigersinn gelesen wird), bleiben 19!/2 = 60.822.550.204.416.000 (60,8 Billiarden) Möglichkeiten übrig. (Um eine kleine Vorstellung von dieser Zahl zu bekommen: würde man jede Sekunde eine Anordnung ausprobieren, wäre man fast 2 Milliarden Jahre beschäftigt.)
Angestrebt wird offensichtlich, auf dem Board ein größtmögliches Chaos anzurichten, d.h. die Zahlen so ungeordnet wie möglich zu verteilen. Das Problem ist schwieriger als gedacht.
Die größtmögliche Ordnung ist offensichtlich: 1, 2, 3, ... 20. Die Summe S der Beträge der Differenzen aller benachbarten Zahlenpaare
(2 – 1) + (3 – 2) + ... + (20 – 19) + (20 – 1)
beträgt dabei 38. Es ist der kleinstmögliche Wert, er kommt unter den 60,8 Brd. möglichen Anordnungen 131.072mal vor. Übrigens liefert auch die für den Dartspieler noch »günstigere« Variante 20, 18, 16, ..., 4, 2, 1, 3, 5, ..., 17, 19 diese minimale Summe.
>>>
S_min = 2(n – 1);
Anz_S_min = 2^(n – 3)
<<<
Der Gedanke liegt nahe, das größtmögliche Chaos wäre mit der Maximierung diese Summe zu erreichen. Bei den Zahlen 1 bis 20 beträgt S_max = 200, es gibt dafür rd. 660 Mrd. Möglichkeiten. Ein Beispiel:
20, 1, 18, 4, 11, 6, 15, 10, 14, 5, 19, 7, 12, 8, 17, 2, 13, 9, 16, 3
>>>
S_max = 2(n – 1) + (n – 2)^2/2;
Anz_S_max = (n/2)!^2 / n;
beide Gleichungen gelten für gerade n, für ungerade n käme ein Term dazu.
<<<
Alle geradzahligen Werte zwischen S_min und S_max sind möglich. Das real existierende Dartboard liefert S_real = 198. Warum gab sich Mr Gamlin mit der zweitbesten Möglichkeit zufrieden? Sollte er die (leicht zu findende) Maximallösung einfach übersehen haben?
Natürlich nicht, ein guter Zimmermann übersieht nichts. Eine maximale Summe ist nämlich noch keine optimale Lösung.
S_max ist nur erreichbar mit dem »sturen« Wechsel zwischen hoch und tief (die mathematische Begründung muß ich schuldig bleiben). Das aber stellt wieder eine Ordnung dar und widerspricht damit dem Ziel des größtmöglichen Chaos. Alle Zahlen >10 lägen auf Rot und die kleinen auf Grün. Offenbar soll vermieden werden, dass sich der Spieler, wie im Beispiel, etwa auf die senkrechte Achse 20 / 19 »einschießt« – und dann wäre S_real = S_opt!
Ein zweites Kriterium auf dem Weg zum Chaos_max wäre, Hoch- oder Tiefzahlzonen zu vermeiden (wie die im Kapitel »Warum sind die Zahlen auf einem Dartboard so angeordnet« angesprochene »merried-men-region« zwischen 16 und 9).
Dazu müßten die Summen der Zahlen in b beliebigen benachbarten Feldern möglichst wenig voneinander abweichen. Als Maß dient die sog. »Standardabweichung« (StA); je kleiner sie ist, desto näher liegen die Werte beieinander.
Bei n = 20 ist nur b = 2, 4, 6, 8 und 10 sinnvoll. Bei ungeradzahligen b wären entweder die hohen oder die niedrigen Zahlen in der Mehrheit (das Prinzip hoch-tief, selbst wenn es nicht durchgehend angewendet wird, herrscht vor (andernfalls entfernte man sich zu weit von S_max), die Werte wären dann nicht mehr vergleichbar), und wegen StA(b) = StA(20 – b) ist b > 10 irrelevant.
Für den Durchschnitt aller 2-, 4-, 6-, 8- und 10-feldrigen Sektoren (5x20 Werte)
>>>
(StA(2) + StA(4) + StA(6) + StA(8) + StA(10)) / 5
<<<
beträgt StA_min = 2,14. Zum Vergleich: im obigen Beispiel ist StA_Bsp = 4,38, beim realen Board StA_real = 5,65.
Wieder scheint die Dartscheibe suboptimal, diesmal deutlich, und wieder ist sie es nicht (wenigstens nicht deutlich).
StA_min ist nur mit folgender Anordnung zu erreichen (und sie liefert sogar S_max = 200):
20, 1, 19, 3, 17, 5, 15, 7, 13, 9, 11, 10, 12, 8, 14, 6, 16, 4, 18, 2
Auf den ersten Blick ist zu sehen, dass das dem Spaß am Dartsport nicht dienlich wäre.
Die Schwachstelle liegt in den Differenzen benachbarter Zahlenpaare (19, 18, 16, 14, 12, ... – eine wunderschöne Sinuskurve, dem ziemlich genauen Gegenteil von Unordnung). Die durchschnittliche StA dieser Differenzenfolge (gleiches Verfahren wie eben) beträgt StA_diff = 26,38 (im Bsp. oben 10,95, auf dem realen Board 12,91).
Die Suche nach der optimalen Zahlenverteilung auf dem Dartboard müsste also berücksichtigen:
– eine möglichst große Summe S der Beträge der Differenzen aller benachbarten Zahlenpaare (ohne durchgehenden Wechsel zwischen hoch und tief)
– eine möglichst kleine Standardabweichung B der Summen in allen jeweils 2, 4, 6, 8 und 10 benachbarten Feldern UND eine möglichst kleine Standardabweichung der Summe der Differenzen D der benachbarten Zahlenpaare in diesen Feldern.
Unter den 60 Billiarden Möglichkeiten wäre also die zu finden, bei der B*D/S den kleinsten Wert liefert.
Ich könnte mir zwei Ergebnisszenarien vorstellen:
1. Es tut sich eine neue Ordnung auf, die ich nicht berücksichtigt habe.
2. Das Ergebnis weicht nur unwesentlich von der Anordnung ab, die sich seit immerhin 120 Jahren bewährt hat.
die folgenden Beiträge sind im Wesentlichen Vorarbeiten, die mangels Grafiken etwas unanschaulich und nicht ganz leicht zu verfolgen sind. Den fertigen Artikel "Zur Anordnung der Zahlen auf dem Dartboard" findet ihr hier:
https://www.darts1.de/kolumnen/anordnun ... tboard.php
PS: es schaut zwar eh keiner mehr hier rein, aber es soll ja alles seine Richtigkeit haben.
Gerade habe ich den Artikel nach Jahren wieder einmal durchgeschaut und stieß dabei, fünf Jahre nach Erstellung, auf einen Fehler - Schande über mich.
Unter Punkt "3. Ein Sinus schwingt durchs Board" wurden in der Grafik der Maxima bei n=16 zwei Angaben vertauscht. Richtig ist: die grüne Kurve stellt die Werte für p=4, die braune die für p=5 dar.
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Vor kurzem (Darts-WM) bin ich auf die Frage nach der Anordnung der Zahlen auf dem Dartboard gestoßen und habe mich ein wenig mit ihren mathematischen Aspekten beschäftigt.
Es gibt 19! (»19 Fakultät«; 1 x 2 x 3 x ... x 19) Möglichkeiten, 20 Zahlen kreisförmig anzuordnen. Schließt man sinnvollerweise drehrichtungssymmetrische Lösungen aus (d.h. ob im oder gegen den Uhrzeigersinn gelesen wird), bleiben 19!/2 = 60.822.550.204.416.000 (60,8 Billiarden) Möglichkeiten übrig. (Um eine kleine Vorstellung von dieser Zahl zu bekommen: würde man jede Sekunde eine Anordnung ausprobieren, wäre man fast 2 Milliarden Jahre beschäftigt.)
Angestrebt wird offensichtlich, auf dem Board ein größtmögliches Chaos anzurichten, d.h. die Zahlen so ungeordnet wie möglich zu verteilen. Das Problem ist schwieriger als gedacht.
Die größtmögliche Ordnung ist offensichtlich: 1, 2, 3, ... 20. Die Summe S der Beträge der Differenzen aller benachbarten Zahlenpaare
(2 – 1) + (3 – 2) + ... + (20 – 19) + (20 – 1)
beträgt dabei 38. Es ist der kleinstmögliche Wert, er kommt unter den 60,8 Brd. möglichen Anordnungen 131.072mal vor. Übrigens liefert auch die für den Dartspieler noch »günstigere« Variante 20, 18, 16, ..., 4, 2, 1, 3, 5, ..., 17, 19 diese minimale Summe.
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S_min = 2(n – 1);
Anz_S_min = 2^(n – 3)
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Der Gedanke liegt nahe, das größtmögliche Chaos wäre mit der Maximierung diese Summe zu erreichen. Bei den Zahlen 1 bis 20 beträgt S_max = 200, es gibt dafür rd. 660 Mrd. Möglichkeiten. Ein Beispiel:
20, 1, 18, 4, 11, 6, 15, 10, 14, 5, 19, 7, 12, 8, 17, 2, 13, 9, 16, 3
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S_max = 2(n – 1) + (n – 2)^2/2;
Anz_S_max = (n/2)!^2 / n;
beide Gleichungen gelten für gerade n, für ungerade n käme ein Term dazu.
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Alle geradzahligen Werte zwischen S_min und S_max sind möglich. Das real existierende Dartboard liefert S_real = 198. Warum gab sich Mr Gamlin mit der zweitbesten Möglichkeit zufrieden? Sollte er die (leicht zu findende) Maximallösung einfach übersehen haben?
Natürlich nicht, ein guter Zimmermann übersieht nichts. Eine maximale Summe ist nämlich noch keine optimale Lösung.
S_max ist nur erreichbar mit dem »sturen« Wechsel zwischen hoch und tief (die mathematische Begründung muß ich schuldig bleiben). Das aber stellt wieder eine Ordnung dar und widerspricht damit dem Ziel des größtmöglichen Chaos. Alle Zahlen >10 lägen auf Rot und die kleinen auf Grün. Offenbar soll vermieden werden, dass sich der Spieler, wie im Beispiel, etwa auf die senkrechte Achse 20 / 19 »einschießt« – und dann wäre S_real = S_opt!
Ein zweites Kriterium auf dem Weg zum Chaos_max wäre, Hoch- oder Tiefzahlzonen zu vermeiden (wie die im Kapitel »Warum sind die Zahlen auf einem Dartboard so angeordnet« angesprochene »merried-men-region« zwischen 16 und 9).
Dazu müßten die Summen der Zahlen in b beliebigen benachbarten Feldern möglichst wenig voneinander abweichen. Als Maß dient die sog. »Standardabweichung« (StA); je kleiner sie ist, desto näher liegen die Werte beieinander.
Bei n = 20 ist nur b = 2, 4, 6, 8 und 10 sinnvoll. Bei ungeradzahligen b wären entweder die hohen oder die niedrigen Zahlen in der Mehrheit (das Prinzip hoch-tief, selbst wenn es nicht durchgehend angewendet wird, herrscht vor (andernfalls entfernte man sich zu weit von S_max), die Werte wären dann nicht mehr vergleichbar), und wegen StA(b) = StA(20 – b) ist b > 10 irrelevant.
Für den Durchschnitt aller 2-, 4-, 6-, 8- und 10-feldrigen Sektoren (5x20 Werte)
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(StA(2) + StA(4) + StA(6) + StA(8) + StA(10)) / 5
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beträgt StA_min = 2,14. Zum Vergleich: im obigen Beispiel ist StA_Bsp = 4,38, beim realen Board StA_real = 5,65.
Wieder scheint die Dartscheibe suboptimal, diesmal deutlich, und wieder ist sie es nicht (wenigstens nicht deutlich).
StA_min ist nur mit folgender Anordnung zu erreichen (und sie liefert sogar S_max = 200):
20, 1, 19, 3, 17, 5, 15, 7, 13, 9, 11, 10, 12, 8, 14, 6, 16, 4, 18, 2
Auf den ersten Blick ist zu sehen, dass das dem Spaß am Dartsport nicht dienlich wäre.
Die Schwachstelle liegt in den Differenzen benachbarter Zahlenpaare (19, 18, 16, 14, 12, ... – eine wunderschöne Sinuskurve, dem ziemlich genauen Gegenteil von Unordnung). Die durchschnittliche StA dieser Differenzenfolge (gleiches Verfahren wie eben) beträgt StA_diff = 26,38 (im Bsp. oben 10,95, auf dem realen Board 12,91).
Die Suche nach der optimalen Zahlenverteilung auf dem Dartboard müsste also berücksichtigen:
– eine möglichst große Summe S der Beträge der Differenzen aller benachbarten Zahlenpaare (ohne durchgehenden Wechsel zwischen hoch und tief)
– eine möglichst kleine Standardabweichung B der Summen in allen jeweils 2, 4, 6, 8 und 10 benachbarten Feldern UND eine möglichst kleine Standardabweichung der Summe der Differenzen D der benachbarten Zahlenpaare in diesen Feldern.
Unter den 60 Billiarden Möglichkeiten wäre also die zu finden, bei der B*D/S den kleinsten Wert liefert.
Ich könnte mir zwei Ergebnisszenarien vorstellen:
1. Es tut sich eine neue Ordnung auf, die ich nicht berücksichtigt habe.
2. Das Ergebnis weicht nur unwesentlich von der Anordnung ab, die sich seit immerhin 120 Jahren bewährt hat.